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Münchner Sicherheitskonferenz: Wolfgang Ischinger im Zwielicht

Wolfgang Ischinger, scheidender Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz.

Berlin. Wolfgang Ischinger wusste schon am Montag, was auf ihn zukommt. Bei der Vorstellung des Programms der Münchner Sicherheitskonferenz sagte deren Leiter in Berlin, das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ habe ihm Dutzende von Fragen zukommen lassen. Dabei sei er „für totale Transparenz“. Im Notfall, so der 75-Jährige, wolle er alle nötigen Informationen online stellen. In jedem Fall will sich Ischinger stets große Mühe gegeben haben, die Vermischung von privaten Interessen mit Interessen der Konferenz zu vermeiden.

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Seit Donnerstagabend ist klar, worum es geht. Wie „Der Spiegel“ berichtet, soll der frühere Staatssekretär im Auswärtigen Amt und deutsche Botschafter in Washington, der die Konferenz seit 2008 leitet und am Sonntag ausscheidet, über eine von ihm im Jahr 2015 mitgegründete Beratungsfirma namens Agora Strategy Group an der Sicherheitskonferenz verdient haben.

Die Firma habe Termine und Kontakte auf der Konferenz zum Verkauf angeboten, schreibt das Magazin. Beispielsweise habe sie einem Rüstungsunternehmen schmackhaft gemacht, gegen Honorar Personen aus dem Teilnehmerkreis der Konferenz für ein sogenanntes Side Event auszuwählen sowie bilaterale Gesprächstermine zu vereinbaren.

Münchener Sicherheitskonferenz: Baerbock kündigt deutliche Sanktionen gegen Russland an

Außenministerin Annalena Baerbock hat Russland mit „präzedenzlosen Sanktionen“ im Falle eines Angriffes auf die Ukraine gedroht.

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Der weltgewandte Ischinger behauptet: „Ich habe ein absolut reines Gewissen. Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen.“ Doch auf seiner Abschiedsvorstellung in München liegt nun ein doppelter Schatten.

Der Schatten des Ukraine-Konflikts

Da ist zum einen der Schatten eines möglicherweise großen Krieges in der Ukraine. In München sind zwar rund 30 Staats- und Regierungschefs vertreten sowie mehr als 80 Minister. Nur: Die russische Seite fehlt. Dabei hatte der russische Präsident Wladimir Putin, der heute die Weltpolitik in Atem hält, bei eben jener Konferenz 2007 einen Auftritt, der wie eine Erklärung des Ukraine-Konflikts 15 Jahre später wirkt.

Seinerzeit unterstellte er den USA das Streben zu „monopolarer Weltherrschaft“, sie hätten „ihre Grenzen in fast allen Bereichen überschritten“. Die Nato-Osterweiterung kritisierte Putin massiv, weil deren militärische Infrastruktur „bis an unsere Grenzen“ heranreiche.

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Ischinger sagte am Montag: „Ich hoffe, dass wir nicht nur über Russland, sondern auch mit Russland sprechen können.“ Freilich zeigte der Leiter der traditionellen Konferenz im Hotel Bayerischer Hof Verständnis dafür, dass etwa der russische Außenminister Sergei Lawrow nicht in die bayerische Landeshauptstadt kommen werde. Sonst würden dort wohl andere Teilnehmer versuchen, ihn „zu grillen“.

Im Übrigen sagte Ischinger noch, Verständigung falle immer leichter, wenn Streithähne auch mal zugäben, dass sie „einen Bock geschossen“ hätten. Die Formulierung scheint nun ein bisschen wie ein Kommentar in eigener Sache.

Ischinger: Habe Eindruck eines möglichen Interessenkonflikts vermeiden wollen

Wohl betonte Ischinger mit Blick die Agora Strategy Group, er habe jeden Eindruck eines möglichen Interessenkonflikts vermeiden wollen und dies durch die Übergabe von Anteilen an einen Treuhänder sichergestellt. Ferner habe er „keinerlei Einfluss auf die Aktivitäten von Agora“.

Nur: Dass Ischinger, wenn auch über den besagten Treuhänder, 30 Prozent der Anteile an dem Unternehmen hält, bleibt ebenso unbestritten wie die Tatsache, dass dieses Unternehmen am Rande der Sicherheitskonferenz Geschäfte mit Side Events machte. Auch räumt Ischinger selbst ein, dass er gelegentlich Agora-Veranstaltungen fördere, indem er Einladungen an bestimmte internationale Persönlichkeiten unterstütze.

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Ischingers Treuhänder ist übrigens ein Mann namens Kurt Lauk, der lange Chef des sogenannten CDU-Wirtschaftsrates war. Dabei fungierte der Wirtschaftsrat nie als offizielle Gliederung der CDU. Lauk wiederum fungiert als „Special Advisor“ der Sicherheitskonferenz.

Verschachtelte Strukturen

Mit anderen Worten: Es entsteht der Eindruck, die geschäftlichen Beziehungen Ischingers mit der Münchner Sicherheitskonferenz, deren Etat bei rund 10 Millionen Euro liegt, seien bewusst so konstruiert worden, dass er von der Konferenz indirekt profitierte, ohne dass man ihm dies direkt nachweisen konnte. Offiziell will er für sein „Ehrenamt“ als Chef der Veranstaltung lediglich eine Aufwandsentschädigung in unbekannter Höhe erhalten haben.

Würde der Karrierediplomat nicht jetzt abtreten, würde vermutlich die Frage diskutiert werden, ob er die Sicherheitskonferenz, die früher Wehrkundetagung hieß, weiterhin leiten kann. Stattdessen verlässt Wolfgang Ischinger die große Bühne unter einem doppelten Schatten, wobei er für einen Schatten selbst gesorgt hat.

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