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VW-Stammaktie steigt um fast 30 Prozent: Wer treibt den Kurs in den Himmel?

Hannover: Das Volkswagen-Logo leuchtet auf dem VW-Tower vor dunklem Himmel.

Seit Monaten zieht VW-Chef Herbert Diess wie ein Prediger durch die Lande: Die Aktie des Autobauers sei völlig unterbewertet, die Anleger sähen nicht den Technologiekonzern im Autohersteller. Diess‘ großes Leitbild ist der extrem hoch bewertete Konkurrent Tesla.

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Jetzt ist der Konzernchef offenbar erhört worden. Nach mehreren Strategiepräsentationen, in denen Diess und seine Kollegen den Weg zu Elektromobilität und Vernetzung beschrieben, kletterte der VW-Kurs am Dienstag und Mittwoch so stark, wie es bei Dax-Werten selten vorkommt. Die Vorzugsaktien kletterten am Dienstag um 9 und am Mittwoch um 11 Prozent auf rund 230 Euro, die selteneren Stammaktien sprangen am Dienstag zeitweise um fast 30 Prozent und legten am Mittwoch 13 Prozent auf 308 Euro nach. „Wir freuen uns natürlich“, sagte ein VW-Manager, fand aber keine Erklärung für das Ausmaß der Kurssprünge. „Ich höre hier überall Rätselraten“, sagte ein anderer.

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Die Erklärung könnte eine Kettenreaktion sein, bei der die Strategie-Shows eine Rolle spielen, ein paar Besonderheiten der VW-Aktien – und die Hobbyzocker im Internetforum Reddit, die schon die Gamestop-Aktie in Turbulenzen gebracht hatten.

„Power Day“: VW geht in die PR-Offensive

Es begann wohl tatsächlich mit VWs PR-Offensive: In mehreren großen Auftritten hat der Konzern in den vergangenen Tagen seine Strategie für die Autozukunft erklärt und seine Ziele noch einmal höher gesetzt. Eigene Batteriefabriken, kostensparende Einheitsakkus, Ausbau eines Schnellladenetzes, massenhafte Vernetzung der Fahrzeuge und darauf aufbauende neue Services – all das wurde als geballte Ladung beim „Power Day“ und anderen Veranstaltungen präsentiert. Nicht alles neu, aber alles größer und noch ein bisschen lauter als sonst.

Nun hat man es wohl auch in den USA gehört. VW, eben noch in den Dieselskandal verstrickt, werde zunehmend als E-Autobauer mit Zukunft wahrgenommen, sagt Frank Schwope, Autoanalyst der Nord/LB – und damit als günstigere Alternative zur extrem teuren Tesla-Aktie.

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Schon vor einigen Wochen hat der Analyst Daniel Ives Volkswagen zum logischen Apple-Partner bei einem möglichen Autoprojekt des iPhone-Herstellers erklärt. Das wiederum brachte auch Kleinanleger in Fahrt. Bei Wallstreetbets, dem Subreddit für Hobbyzocker in den USA, wurde plötzlich die VW-Aktie diskutiert. So wuchs jenseits des Atlantiks der Handel mit VW-Papieren innerhalb weniger Tage rapide.

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Das allein würde allerdings nicht genügen, um ein Schwergewicht wie die VW-Aktie zum Springen zu bringen. Dafür braucht es eine Spezialität dieser Papiere: Es gibt zwei Sorten VW-Aktien und in den USA außerdem ADRs – American Depositary Receipts. In Deutschland achtet man normalerweise auf die Vorzüge, weil sie breit gestreut sind und viel gehandelt werden.

Sie haben kein Stimmrecht in der Hauptversammlung, aber das ist dem durchschnittlichen Geldanleger egal. Mit Stimmrecht sind dagegen die Stammaktien ausgestattet, die aber kaum gehandelt werden, weil sie zu 95 Prozent den VW-Großaktionären gehören: den Familien Porsche und Piech, dem Land Niedersachsen und dem Emirat Katar. Nur 5 Prozent dieser Stämme sind tagtäglich an der Börse unterwegs – ein enger, schwankungsanfälliger Markt.

An den aber sind die meisten ADRs gekoppelt – Zertifikate, die bei einer Börsennotierung in den USA die eigentliche Aktie abbilden. Werden viele ADRs gekauft, hat das Einfluss auf den Kurs der Stammaktien. Und weil davon wenige verfügbar sind, ist der Einfluss relativ groß.

Parallelen zur Gamestop-Aktie oder doch nur ein Zufall?

Aber auch das hätte allein wohl nicht genügt. Wahrscheinlich kamen noch Hedgefonds hinzu, die auf Veränderungen der Kursdifferenz zwischen Stamm- und Vorzugsaktien wetten. Als die Stämme plötzlich stark stiegen, dürfte sie das auf dem falschen Fuß erwischt haben. „Vielleicht mussten sich einige eindecken“, sagt Schwope. Das wäre ein sogenannter Short Squeeze: Spekulanten verkaufen Papiere, die sie noch gar nicht besitzen.

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Steigt deren Kurs unerwartet, müssen sie schnell die echten Papiere beschaffen, bevor die Differenz zwischen Plan und Wirklichkeit immer größer wird. Dadurch steigt der Kurs noch stärker – Pech für alle Shortseller, die sich zu spät eindecken müssen. So könnte es am Dienstag kurzfristig bei den VW-Stammaktien gewesen sein. „Irgendwer hat vermutlich ein Problem“, sagte ein Marktteilnehmer.

Bei der Gamestop-Aktie und anderen kleineren Werten versuchen Kleinanleger seit Wochen immer wieder, die Hedgefonds auszutricksen und einen solchen Short Squeeze systematisch zu erzeugen. Bei Wallstreetbets ist das immer noch ein großes Thema. Bei VW dürfte der Effekt aber eher zufällig gewesen sein – jedenfalls sieht es nach den ersten Tagen so aus.

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