Angeklagte Christiane K. weint, als sie die Stimme ihrer Mutter hört

Prozess um tote Kinder in Solingen: Aufgelöster Notruf der Großmutter wird vor Gericht vorgespielt

Christiane K. soll fünf ihrer sechs Kinder getötet haben
Die Angeklagte Christiane K. muss sich wegen Mordes vor Gericht in Wuppertal verantworten.
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Von Christina Warnat

Fast lautlos huscht Christiane K. in den Sitzungsssaal J12EG des Landgerichts Wuppertal. Als sie sich setzt, verschwindet die kleine Person fast hinter dem wuchtigen Tisch, von dem aus sie den Prozess verfolgt. Interessiert, aber reglos wie eine Zuschauerin. Erst, als der Notruf vorgespielt wird, den ihre Mutter an dem Tag absetzte, an dem Christiane K. ihre Kinder Melina (1), Leonie (2), Sophie (3), Timo (6) und Luca (8) mit Medikamenten ruhiggestellt und dann in einer Badewanne erwürgt, erstickt, oder ertränkt haben soll, weint die Angeklagte, atmet schwer. Genau, wie ihre Mutter, die am Telefon schluchzt und sagt: „Die wären alle tot, sagt sie die ganze Zeit.“

Mutter von Christiane K. rief aufgelöst bei der Polizei an

Es ist ein quälend langer Notruf, der am 03. September 2020 in der Leitstelle Mönchengladbach einging und dann an die zuständigen Kollegen in Wuppertal weitergeleitet wurde. Der Stimme der Mutter von Christiane K. ist am Telefon anzuhören, dass sie völlig aufgelöst ist, nicht fassen kann, was ihr ältester Enkelsohn Marcel soeben erzählt hat. Gegen 13:35 Uhr habe der Elfjährige sie angerufen. Er sei im Zug in Düsseldorf, seine Mutter sei gerade ausgestiegen. „Der ist total am Ende, der war nur am Weinen“, sagt seine Großmutter. „Sie ist einfach gegangen und hat nur zu Marcel gesagt, sie wären alle tot.“

Erst später kam heraus, dass sich ihre Tochter vor einen einfahrenden Zug im Hauptbahnhof warf, um ihrem Leben ein Ende zu setzen. Sie überlebte. Zuvor habe Christiane ihr noch geschrieben und gefragt, ob sie Marcel in einer Stunde am Bahnhof in Mönchengladbach abholen könne, wo die Mutter der Angeklagten lebt. „Ich kann nicht mehr“, soll es in der WhatsApp-Nachricht geheißen haben.

Am Tag zuvor wurde vor Gericht bereits das WhatsApp-Protokoll zwischen Christiane K. und ihrem Ex am Tag der Tat verlesen.

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Betroffenes Schweigen im Gerichtssaal, als die Notruf-Aufnahme vorgespielt wird

Als die Mutter verneinte und fragte, „was mit morgen ist“, weil sie am nächsten Tag die Kinder hüten sollte, habe ihre Tochter nur geschrieben: „Du brauchst nicht kommen.“ Die Großmutter habe daraufhin wissen wollen, wo denn ihre Enkelkinder seien. Christiane K. habe geantwortet: „Da, wo ich auch gleich sein werde.“ Eine Pause in der Aufzeichnung des Anrufs. „Und dann hat sie geschrieben, dass die Kinder tot sind.“ Es sei zu spät, ihre Mutter solle die Polizei in die Wohnung schicken.

Im Gerichtssaal herrscht betroffenes Schweigen. Es ist vollkommen still. Nur das Schluchzen der Großmutter ist aus den Lautsprechern zu hören, die zum Zeitpunkt der Aufnahme daheim in Mönchengladbach saß und nicht wusste, was in Solingen los ist, ob wirklich stimmt, was Marcel ihr da erzählt hat. „Ich hoffe nur, die hat gelogen!“ Marcel ist inzwischen auf dem Weg zu ihr, genau wie Polizeibeamte, die von der Leitstelle zu ihr und in die Wohnung von Christiane K. geschickt wurden. Immer wieder fragt die Großmutter nach, will wissen, ob es denn schon Neuigkeiten gebe, was mit ihren Enkeln sei. Die Telefonistin hält sie in der Leitung, stellt Fragen und verweist ansonsten auf die Polizei, die bald eintreffen werde.

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Mutter sprach am Morgen vor der Tat noch mit ihrer Tochter

Christiane K. reagierte zu diesem Zeipunkt nicht mehr, ihr letztes Lebenszeichen sei um 13:42 Uhr per WhatsApp gekommen. „Es tut mir leid“, habe in der Nachricht gestanden. Dann kam nichts mehr. „Wieso dauert das denn alles so lange?“, hört man die Großmutter verzweifelt fragen.

Am Morgen habe sie mit „Chrissi“ gesprochen, da sei noch alles gut gewesen. „Die war nur schlecht drauf gewesen, wegen ihrem Mann, was ich ja verstehen kann.“ Der habe nach der Trennung ein Statusbild von sich und einer anderen Frau bei WhatsApp gepostet, seiner neuen Freundin. Dabei habe er in der Woche zuvor noch darüber gesprochen, dass er ein weiteres Kind wolle. Dann ist die Polizei da, ein Beamter übernimmt, die Notrufaufzeichnung endet.

Christiane K. steht wegen fünffachen Mordes vor Gericht

Die Leichen der fünf Kinder waren am 3. September vergangenen Jahres entdeckt worden. Nun muss sich die 28 Jahre alte Mutter wegen fünffachen heimtückischen Mordes verantworten. Die Angeklagte schweigt zu den Vorwürfen. Zwischenzeitlich hatte sie sogar behauptet, ein maskierter Unbekannter sei in ihre Wohnung eingedrungen und habe ihre Kinder umgebracht. Für die Polizei ist das eine Schutzbehauptung. Im Falle einer Verurteilung droht Christiane K. lebenslange Haft.

Hilfe bei Suizidgedanken

Haben Sie suizidale Gedanken oder haben Sie diese bei einem Angehörigen/Bekannten festgestellt? Hilfe bietet die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung erhält man rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222. Auch eine Beratung über das Internet ist möglich unter http://www.telefonseelsorge.de.