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Was Banker so alles reden und was andere schreiben

Führende Manager der Anglo Irish Bank haben im Herbst 2008 trotz des desaströsen Zustands ihres Instituts offenbar richtig viel Spaß gehabt. Damit ist es nun vorbei. Seit Protokolle von Telefonaten auftauchten, in denen sie sich darüber lustig machen, wie sie Politik und Notenbank mit falschen Zahlen in die Irre führten, die sich ein gewisser John Bowe aus dem Arsch gezogen hat, haben die Herren selbst den Allerwertesten offen. Denn man erinnert sich, dass die Anglo Irish Bank mit 30 Mrd. Euro vom Staat aufgefangen werden musste, was diesen selbst an den Rand des finanziellen Kollapses brachte und letztlich dazu zwang, unter den Eurorettungsschirm zu schlüpfen.

Die Empörung über die gewissenlosen Banker mit dem losen Mundwerk ist nachvollziehbar groß. Aber Skrupellosigkeit ist in der Branche leider kein neuartiges Phänomen. Auf den Tag genau vor 150 Jahren ging ein Schreiben der Gebrüder Rothschild in London an einen Geschäftspartner in den USA: "Die wenigen, die das System verstehen, werden dermaßen an seinen Profiten interessiert oder so abhängig von seinen Vorzügen sein, dass aus ihren Reihen niemals eine Opposition hervorgehen wird. Die große Masse der Leute aber, geistig unfähig zu begreifen, wird seine Last ohne Murren tragen, vielleicht sogar ohne je Verdacht zu schöpfen, dass das System ihnen feindlich ist." Man sieht, wenn es ums Geschäft ging, wurde im Gewerbe der Geldverleiher auch früher schon auf die Moral gepfiffen - so auch im Deutschland der 1920er-Jahre. 1923 erschien das Buch "Vom Gelde", eine Sammlung von Briefen eines Bankdirektors an seinen Sohn, in denen er ihn in die Geheimnisse des Berufs einweiht. Der Autor nannte sich Argentarius, hinter dem Pseudonym verbarg sich Alfred Lansburgh, Bankier, Ökonom und Publizist. Er schrieb: "Ich habe Sehnsucht nach jenen harmlosen Tagen, in denen es zu den größten Verbrechen zählte, wenn eine Bank einmal einen erlittenen Verlust in ihrer Bilanz verschwinden ließ oder die Beschlüsse einer Generalversammlung zu ihrem eigenen Nutzen beeinflusst. Wie wichtig nahm man den Kleinkram! Heute vollziehen sich wirtschaftliche Verbrechen von unermesslicher Tragweite, unerkannt und ungesühnt, begleitet von einem melodischen Redestrom einschläfernden Unsinns."

Der Text ist neunzig Jahre alt, aber er liest sich so, als würde die aktuelle Situation beschrieben. Es gibt Gott sei Dank aber auch Silberstreifen am düsteren Horizont der Bankenlandschaft. Selbst von den Rothschilds sind mehrere Generationen später ganz andere Töne zu vernehmen. In der "Financial Times" schrieb Evelyn de Rothschild dieser Tage einen bemerkenswerten Kommentar unter dem Titel "Banken müssen nach dem heiligen Gral des Vertrauens streben". Darin nimmt sich der Bankier bei der Kritik seiner Zunft kein Blatt vor den Mund. "Zu lange wurde die Gesellschaft von einem Maß an Inkompetenz und moralischer Mehrdeutigkeit in den Banken in Geiselhaft genommen." Und weiter: "Es sollte Konsequenzen für jene geben, die zu viel Risiko eingehen, nicht geeignete Produkte an bestimmte Kundengruppen verkaufen, und jene, die Zinsen manipulieren." Nur wenn sich die Branche grundlegend ändere und es eine kompetente und beherzt agierende Aufsicht gebe, schreibt Rothschild, "werden wir das Herz der Öffentlichkeit zurückgewinnen und das Vertrauen in das System wiederbeleben können". Da wartet sehr viel Arbeit.

Richard wiens

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