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Erste Fahrt im neuen Opel Astra Nimm dies, Volkswagen

Den neuen Opel Astra gibt es nicht als reines E-Auto, das ist enttäuschend. Doch auch als Teil des Stellantis-Konzerns konnten die Rüsselsheimer manche gute eigene Idee im Golf-Konkurrenten umsetzen.
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Thorsten Weigl / Opel

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So eine Sache wie beim Corsa sollte sich bei Opel nicht wiederholen. Fast fertig hatten die Ingenieure den Kleinwagen entwickelt, da machte die Übernahme durch den PSA-Konzern die Entwürfe zunichte. Im Hauruckverfahren musste die neue Generation auf die Plattform der Franzosen umgestellt werden.

Immerhin gibt es den Corsa deshalb aber auch als Elektroauto. In Deutschland nehmen schon mehr als 30 Prozent der Kunden den Kleinwagen mit Batterieantrieb – wie beim technisch identischen Mokka.

Zeitlich passender lief es beim Astra. Bei ihm konnte sich Opel von Anfang an die Komponenten aus dem PSA-Baukasten zusammensuchen. Umso unverständlicher, dass der Hersteller eine Architektur wählte (intern EMP2 Version 3 genannt), die nicht für den rein batterieelektrischen, sondern maximal für den Plug-in-Hybridantrieb ausgelegt ist. Die Frage, warum sich Opel so festgelegt hat, ließ das Unternehmen unbeantwortet.

Damit verfügt Opel in der Golf-Klasse in den nächsten Jahren über keinen Vollstromer und fährt dort seinem Hauptkonkurrenten VW um eine ganze Autogeneration hinterher.

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Der neue Opel Astra

Foto: Thorsten Weigl / Opel

»Es ist ein großer Wettbewerbsnachteil, in diesem Segment kein reines E-Fahrzeug anbieten zu können«, sagt Stefan Bratzel, Direktor am Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. VW hat, neben dem Golf als Plug-in-Hybrid, den vollelektrischen ID.3 bei den Kompaktwagen im Angebot.

Mit dem Ruf, gegenüber dem Wolfsburger Widersacher »ewiger Zweiter« zu sein, lebt Opel schon lange. Wobei auch der zweite Platz in manchen Segmenten nicht zu halten ist, angesichts der Konkurrenz von deutschen Premiummarken und Hyundai. Der Astra kam in der Vergangenheit in Deutschland auf gerade einmal ein Viertel der Zulassungszahlen des Golfs.

In diesem Vergleich immerhin könnte Opel aufholen. Diesen Schluss lässt zumindest der erste Eindruck zu, der sich bei einer Fahrt mit einem Astra-Prototyp gewinnen ließ.

Klare Kanten

Schon das Äußere macht Lust auf mehr. Im Kleid der gelb-schwarzen Tarnfolie wirkt der Astra zwar ein wenig plump. Doch als Opel in einem abgesperrten Raum die enttarnte Version präsentiert – offizielle Enthüllung ist am 13. Juli –, zeigt der Wagen ein sportliches Profil mit klaren Kanten und guten Proportionen. Er wird auffallen.

Mit 4,37 Metern ist er etwa genauso lang wie sein Vorgänger, doch optisch steht er solider auf den Rädern. Denn er ist 51 Millimeter breiter geworden, das Dach ist 15 Millimeter niedriger und der Radstand 13 Millimeter länger. Der sogenannte Vizor-Grill, bei dem Scheinwerfer und Grill ein Designelement darstellen, ist bereits vom Mokka bekannt. Auffälligstes Merkmal an der Flanke ist die hintere Dachsäule (C-Säule). Sie erinnert an die Rückenflosse eines Hais und lässt zum Dach hin eine Lücke.

Wirklich etwas zu staunen gibt es im Cockpit. Dort zeigt Opel eine digitale Welt, die viele dem Volumenhersteller nicht zugetraut hätten. Puristisch, clean und hochwertig wirken Anzeigen und Display, so würde man es eher in einem Audi vermuten. Hinter dem Lenkrad spannt sich ein riesiges, dünnes Display bis über die Mitte der Armaturentafel. Ganz am linken Rand nimmt es sogar die Lüftungsklappen mit auf. Das ist bislang einmalig im Automobilbau.

Dazu debütiert eine Sonnenschutzfolie hinter der Glasabdeckung des Displays, dort soll sie wie eine Jalousie wirken. So konnten Opels Designer das oft hässliche Dach über den Anzeigen weglassen, was dem Ganzen noch mehr Hightech-Charakter verleiht.

Praktisch für den Alltag: Unterhalb des Bildschirms gibt es Schalter und Taster für Funktionen, die der Fahrer mit einem Klick anstatt über die Menüführung des Displays aktivieren möchte. Selbst der klassische Drehregler für die Lautstärke ist noch da – anders als beim VW Golf.

Opel überspielt den fehlenden reinen E-Antrieb also mit viel Komfort und guten Ideen. Anspruch der Entwickler war aber auch, dass sich der Astra besser fährt als viele Autos der Wettbewerber.

»Unterscheiden wollen wir uns auch zu den anderen Modellen innerhalb des Stellantis-Konzerns«, sagt der Chefingenieur Entwicklung, Rainer Bachen, »Ziel ist es, unsere DNA in den Astra zu bringen.« Bachen meint damit eine gute Mischung aus Sportlichkeit und Komfort.

Um die zu erreichen, haben die Entwickler unter anderem die Karosserie um 14 Prozent steifer ausgelegt als beim Vorgängermodell. So soll sich das Auto präziser steuern lassen. »Auch die Stabilität bei hohem Tempo, hohe Sicherheitsreserven und möglichst viel Ruhe im Innenraum standen bei der Konzeption des Astra im Vordergrund«, erklärt Bachen.

Lenkung könnte mehr Widerstand vertragen

Die Ruhe fiel auf der Testtour besonders auf. Der Astra fährt sich so leise, als gehöre er der Oberklasse an. Auch die Abrollgeräusche aus den Radhäusern sind kaum wahrnehmbar. Fahrwerk und Bremsen wirken bereits optimal abgestimmt. Lediglich die Lenkung könnte mehr Widerstand vertragen. »Wir haben hier noch diverse Stellschrauben bei der Softwareabstimmung«, sagt Bachen, »bis zum Serienanlauf ist das gelöst«.

Der wird im Herbst sein, der Marktstart ist für Ende Januar geplant. Dann wird es den Astra – vermutlich für ab etwa 23.000 Euro – als Einstiegsvariante mit einem 1,2-Liter-Dreizylinder-Benziner und 110 sowie 130 PS geben. Der einzig verbaute Dieselmotor hat 1,5 Liter, vier Zylinder und 130 PS.

Alle Motoren stammen aus dem PSA-Konzern. Gefahren sind wir den Plug-in-Hybrid, der einen 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner mit einem Elektromotor kombiniert. Beide zusammen bringen es auf 180 PS, so kommt man souverän voran. Der E-Motor allein kann 110 PS beisteuern und gibt dem Astra-Fahrer schon mal einen Einblick in die Welt der Elektromobilität – wenigstens für 59 Kilometer. Dies zumindest zeigte das Display bei voller Batterie an.

Die Strategie bei Stellantis sieht vor, dass die leistungsstärksten Modelle immer Plug-in-Hybride sind. Eine weitere Variante mit diesem Antrieb wird Opel im nächsten Jahr nachreichen. Sie kommt auf eine Systemleistung von 225 PS. Und auch eine 300-PS-Performance-Allrad-Version dürfte für den Astra sicher sein, analog zum Opel Grandland, der mit diesem Paket bereits zu haben ist.

Michael Specht ist freier Autor und wurde bei seiner Recherche von Opel unterstützt. Die Berichterstattung erfolgt davon unabhängig.