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Covid-19 Stiko empfiehlt AstraZeneca nur noch für über 60-Jährige

Erst hatten Berlin und München vorsichtshalber die Impfungen mit AstraZeneca bei unter 60-Jährigen ausgesetzt. Nun will die Ständige Impfkommission ihre Altersempfehlungen für das Präparat voraussichtlich ändern.
Impfstopp in Berlin: Vorsorglich wird niemand unter 60 Jahren mehr mit AstraZeneca geimpft

Impfstopp in Berlin: Vorsorglich wird niemand unter 60 Jahren mehr mit AstraZeneca geimpft

Foto: Kay Nietfeld / dpa

Die Ständige Impfkommission (Stiko) will einer Beschlussvorlage zufolge ihre Empfehlungen für den Einsatz des Corona-Impfstoffs von AstraZeneca ändern. Wie die »Augsburger Allgemeine« und die Deutsche Presseagentur übereinstimmend berichten , empfiehlt die Stiko Corona-Impfungen mit AstraZeneca nur noch für über 60-jährige Frauen und Männer in Deutschland. Der Entwurf der Stiko zur Aktualisierung der Covid-19-Impfempfehlung liegt den Medien vor.

Darin soll es heißen: »Auf Basis der derzeit verfügbaren, allerdings noch begrenzten Evidenz und unter Berücksichtigung der gegenwärtigen pandemischen Lage empfiehlt die Stiko, die Covid-19 Vaccine AstraZeneca für Personen im Alter über 60 Jahren zu verwenden.«

Und weiter: »Ihr Einsatz unterhalb dieser Altersgrenze bleibt indes nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoakzeptanz nach sorgfältiger Aufklärung möglich«, heißt es demnach in der Beschlussvorlage. »Hinsichtlich der zweiten Impfstoffdosis für jüngere Personen, die bereits eine erste Dosis der Covid-19 Vaccine AstraZeneca erhalten haben, wird die Stiko bis Ende April Stellung nehmen.« Bis dahin sollen Studien ausgewertet werden, ob eine Zweitimpfung auch mit einem mRNA-Impfstoff möglich ist.

Zuvor hatten das Land Berlin und die Stadt München die Corona-Impfungen mit dem Wirkstoff des Herstellers AstraZeneca für Menschen unter 60 Jahren vorsorglich ausgesetzt. Inzwischen zogen weitere Bundesländer nach.

Gesundheitsminister tagen am Abend

Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) bezeichnete den Impfstopp als »Vorsichtsmaßnahme«. Entsprechende Termine in Impfzentren würden Kalayci zufolge nun erst einmal abgesagt. Das Land wolle nun die Beratungen auf Bundesebene und Stellungnahmen der Fachleute wie des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) abwarten. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern wollen am Dienstagabend in einer Sondersitzung über den weiteren Umgang mit dem Impfstoff beraten.

Nach der Hauptstadt kündigte auch München an, bis auf Weiteres keine Menschen unter 60 mehr mit AstraZeneca zu impfen. »Aufgrund der aktuellen Entwicklung hat die Stadt entschieden, wie Berlin die Impfungen mit AstraZeneca für Personen unter 60 Jahren vorsorglich auszusetzen, bis die Frage möglicher Impfkomplikationen für diese Personengruppe geklärt ist«, teilte ein Sprecher der Stadt mit. Dies betreffe vor allem die geplanten Impfungen im Impfzentrum und im Isar-Klinikum. Die Impfungen in den Alten- und Service-Zentren könnten fortgesetzt werden.

Zuvor hatten die Berliner Kliniken Charité und Vivantes den Impfstopp mit Verweis auf Fälle von Hirnvenenthrombosen verkündet. Die Charité schloss zunächst nur Frauen unter 55 Jahren und nach der Entscheidung der Gesundheitssenatorin ebenfalls alle unter 60-Jährigen von der Impfung aus. »Wir werden uns der Ankündigung von Frau Kalayci anschließen«, teilte Charité-Sprecherin Manuela Zingl mit. Zuvor hatte sie zur prinzipiellen entscheidung der Charité gesagt: »Dieser Schritt ist aus Sicht der Charité notwendig, da in der Zwischenzeit weitere Hirnvenenthrombosen bei Frauen in Deutschland bekannt geworden sind.«

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Auch der Kreis Euskirchen in Nordrhein-Westfalen hatte am Montag einen Impfstopp von AstraZeneca für Frauen unter 55 Jahren verkündet. Nachdem eine geimpfte Frau (47) vergangene Woche gestorben war, sei dem Kreis nun der Verdacht auf »eine schwerwiegende Erkrankung« einer 28-Jährigen nach der Impfung mit AstraZeneca gemeldet worden, hieß es. Beide hatten laut Kreis eine Sinusvenenthrombose erlitten.

In dem Bundesland sprachen sich zudem die Leiter von fünf der sechs Uni-Kliniken für einen vorläufigen Stopp von Impfungen jüngerer Frauen mit AstraZeneca aus. Das Risiko von weiteren Todesfällen sei zu hoch, heißt es laut Deutscher Presseagentur in einem gemeinsamen Brief an den Bundes- und Landesgesundheitsminister.

Die Berliner Charité-Sprecherin Zingl betonte, dass in der Charité keine Komplikationen nach Impfungen mit AstraZeneca aufgetreten seien. Diese wolle jedoch vorsorglich agieren und abschließende Bewertungen abwarten. Die Charité habe in der Pandemie bisher rund 16.000 Erst- und Zweitimpfungen an ihr Personal verabreicht. »Davon entfiel der größte Teil auf AstraZeneca«, sagte Zingl.

Lauterbach für AstraZeneca-Stopp für unter 55-Jährige

Der Impfstoffforscher Leif Erik Sander von der Charité schrieb bereits am Sonntag, die Inzidenz liege vermutlich bei mehr als einem Fall pro 100.000 und schloss daraus, dass die Impfempfehlung für Frauen unter 60 geändert werden sollte. Dem SPIEGEL sagte er: »Es gibt inzwischen noch mehr Fälle von Sinusvenenthrombosen nach der Impfung – und diese betreffen primär eine bestimmte Bevölkerungsgruppe: Frauen bis circa 60 Jahre. Wir stehen ja nicht vor der Abwägung, ob jemand mit Vaxzevria geimpft wird oder überhaupt keine Impfung bekommt, da ja mit den mRNA-Impfstoffen Alternativen zur Verfügung stehen, für die in der betroffenen Gruppe keine gehäuften Komplikationen beobachtet wurden.« Vaxzevria ist der Handelsname des AstraZeneca-Impfstoffs.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hat sich ebenfalls für einen Stopp der AstraZeneca-Impfungen für Menschen unter 55 Jahren ausgesprochen. »Es sollte aufgrund der Datenlage noch einmal geprüft werden, die Impfung mit AstraZeneca auf Menschen über 55 Jahren vorerst zu begrenzen«, sagte Lauterbach der »Rheinischen Post«. »Bislang sind wir von einem Risiko von deutlich weniger als eins zu 100.000 Fällen ausgegangen, bei denen eine oft tödliche Hirnvenenthrombose auftreten kann. Dieses Risiko scheint nach aktuellen Erkenntnissen für Jüngere, insbesondere Frauen, etwas höher zu sein. Ich plädiere deswegen dafür, die AstraZeneca-Impfungen nicht wie gehabt laufen zu lassen, bis der Impfstoff womöglich angepasst wurde«, sagte er. Eine Dosisveränderung könne eine Lösung sein.

Bislang 31 Fälle von Sinusvenenthrombosen

Deutschland – und zahlreiche andere Staaten – hatten die Impfung mit dem AstraZeneca-Stoff im März vorübergehend ausgesetzt, weil mehrere Fälle mit Thrombosen (Blutgerinnseln) in den Hirnvenen in zeitlichem Zusammenhang zur Impfung gemeldet wurden. Mittlerweile wird der Impfstoff wieder verabreicht. Die Europäische Arzneimittel-Agentur Ema hatte die Sicherheit der Vakzine bekräftigt, auch die Ständige Impfkommission in Deutschland hatte sich für einen weiteren Einsatz des Mittels ausgesprochen.

In Deutschland sind bislang 31 Fälle einer Sinusvenenthrombose nach Impfung mit dem Impfstoff von AstraZeneca bekannt, wie das PEI am Dienstag berichtete. Bis Montagmittag (29. März) waren dem Institut 31 Fälle gemeldet worden, in 19 Fällen wurde zusätzlich eine Thrombozytopenie gemeldet. In neun Fällen war der Ausgang tödlich, wie das für die Sicherheit von Impfstoffen zuständige Institut in Langen berichtete.

Mit Ausnahme von zwei Fällen betrafen laut PEI alle Meldungen Frauen im Alter von 20 bis 63 Jahren. Die beiden Männer waren 36 und 57 Jahre alt. Laut Impfquotenmonitoring des Robert Koch-Instituts wurden bis einschließlich Montag 2,7 Millionen Erstdosen und 767 Zweitdosen von AstraZeneca verimpft.

kry/AFP/dpa