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Spiel aus Playstation Store entfernt Was hinter dem »Cyberpunk 2077«-Debakel steckt

Playstation-Spieler können »Cyberpunk 2077« nicht mehr in Sonys Onlineshop kaufen – der Tiefpunkt eines desolaten Spiele-Launches. War der Hype um den Science-Fiction-Blockbuster zu groß?
»Cyberpunk 2077«-Spiele im Regal: Aktuell können Playstation-Spieler das Spiel nur noch auf Disc erwerben, nicht mehr als Download

»Cyberpunk 2077«-Spiele im Regal: Aktuell können Playstation-Spieler das Spiel nur noch auf Disc erwerben, nicht mehr als Download

Foto: KACPER PEMPEL / REUTERS

Schon viele Videospiele sind in desolatem Zustand auf den Markt gekommen, von »Ultima IX: Ascension« über »Battlefield 4« bis »Fallout 76«. Und auch der Gadget-Bereich birgt Geschichten blamabler Launches, man denke an Samsungs im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährliche Akkus beim Galaxy Note 7 oder an sein wegen Qualitätsproblemen zurückgezogenes erstes Falthandy.

Doch so viel im Bereich Soft- und Hardware bereits schiefging, was dieser Tage rund um »Cyberpunk 2077« passiert, wird vielen im Gedächtnis bleiben. Das Rollenspiel war der wohl meisterwartete Titel des Jahres: Spätestens seit größeren Ankündigungen auf der Spielemesse E3 in den Jahren 2018 und 2019 warteten Millionen Spielefans auf das neue Werk von CD Projekt Red, einem Studio, das mit »The Witcher 3: Wild Hunt« zuvor einen Genre-Meilenstein veröffentlicht hatte (wenngleich auch dessen erste Version zahlreiche Bugs enthielt).

Nach mehreren Terminverschiebungen, dafür mit Millionen Vorbestellungen im Rücken kam »Cyberpunk 2077« schließlich am 10. Dezember auf den Markt. Viele Tester veröffentlichten kurz vorher tendenziell sehr positive Testberichte über das Spiel, wenngleich in fast jedem Text – auch im SPIEGEL-Test – von einer beachtlichen Anzahl von Bugs die Rede war. Doch es gab noch einen Haken: Lediglich die PC-Version konnte vorab getestet werden. Dieser Umstand wurde in der Regel beiläufig erwähnt, »Cyberpunk 2077« erschien aber eben auch für Playstation 4 und Xbox One. Also für die zwar etwas in die Jahre gekommenen, aber weit verbreiteten Spielkonsolen. Über diese Versionen ließ sich vorab so gut wie nichts sagen.

Abzockvorwürfe gegen CD Projekt Red

Und so kam es am 10. Dezember online zu einem kollektiven Aufschrei von Besitzern solcher Geräte, die das Gefühl hatten, abgezockt worden zu sein: Die Versionen für die alten Konsolen fielen optisch enorm gegenüber der zuvor ausgiebig präsentierten PC-Fassung ab, auch die Framerate machte Probleme, anders als auf neueren Konsolen. Dazu kamen zahlreiche Bugs und Abstürze.

Bei CD Projekt Red zog man angesichts massiver Kritik bald die Notbremse: Das Studio entschuldigte sich dafür, vor der Veröffentlichung nicht über den Zustand des Spiels auf den beiden Konsolen aufgeklärt und jenen Fassungen generell zu wenig Zeit gewidmet zu haben. Zugleich teilte CD Projekt Red mit, unzufriedene Spieler könnten das Rückerstattungssystem des Playstation Store beziehungsweise der Xbox nutzen oder das Spiel beim Händler zurückgeben, bei dem sie es gekauft hätten. Ärgerlich nur: Offenbar waren nicht einmal die Konsolenhersteller in diesen Vorstoß eingeweiht , einigen Spieler verweigerten sie zunächst eine Rückerstattung.

Am Freitag nun zog als Erstes Sony Konsequenzen aus der Situation und nahm »Cyberpunk 2077« vorläufig ganz aus seinem Download-Shop. Playstation-Besitzer können das Spiel damit nur noch auf Disc erwerben. Aus dem aktuellen Statement von CD Projekt Red geht nicht hervor, ob das Studio jenseits einer »Diskussion« Einfluss auf den Vorgang hatte. Fürs Image der Firma und weitere Spielverkäufe rund um Weihnachten ist die Entscheidung aber Gift.

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Ein »Ach-du-Scheiße-Moment«

Spieler, die »Cyberpunk 2077« direkt bei Sony gekauft haben, können es der Ankündigung zufolge weiter spielen oder aber sich ihr Geld zurückzahlen lassen. »The Verge«-Autor Nick Statt sprach am Freitag von einem »Ach-du-Scheiße-Moment« für »Cyberpunk 2077« : »Soweit ich weiß, hat Sony so etwas noch nie gemacht, zumindest nicht bei einem großen Drittanbieter wie diesem.« Und »Waypoint«-Reporter Patrick Klepek schreibt: »Kann mich nicht an ein ähnliches Ereignis erinnern. Kann mir nicht vorstellen, wie die Telefongespräche zwischen CD Projekt Red und Sony hinter den Kulissen aussahen.«

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CD Projekt Red hatte bereits vor Sonys Entschluss angekündigt, die Playstation-4- wie auch die Xbox-One-Version mit Patches bald in einen besseren Zustand bringen zu wollen. Wie viele der Technikprobleme des Spiels sich aber tatsächlich befriedigend lösen lassen und wie gut »Cyberpunk 2077« auf den alten Konsolen überhaupt laufen kann, wird man wohl erst Anfang 2021 in Gänze beurteilen können.

Aus dem Launch-Desaster des Spiels lassen sich vier Lektionen mitnehmen:

  • Auch ein Branchenmessias kann einem Wasser statt Wein andrehen.
    Durch geschicktes Marketing hatte sich CD Projekt Red unter Gamern den Ruf erarbeitet, eins »der guten« Studios zu sein, denen es weniger ums Geld geht, sondern darum, möglichst perfekte Spiele abzuliefern. Zahlreiche Vorbestellungen für Playstation 4 und Xbox One basierten wohl auf nahezu blindem Vertrauen in den polnischen Hersteller und dessen Versprechungen. Da es aber vorab nicht einmal Videomaterial der Playstation-4-Fassung gab, kaufte man hier letztlich die Katze im Sack – in diesem Fall ohne Happy End. Am Ende könnte CD Projekt Red die Veröffentlichung des Spiels im Jahr 2020 wichtiger als ein überall gut spielbares Spiel gewesen sein.

  • Journalisten sollten Warnzeichen klarer benennen.
    Wenn es rund läuft, ist »Cyberpunk 2077« ein hervorragendes Spiel, darin sind sich fast alle Tester einig, bis heute. Medien, das gilt auch für den SPIEGEL, hätten wohl noch stärker betonen sollen, dass sie vor Release ausschließlich auf dem PC und keine einzige Sekunde auf der Konsole spielen konnten – und dass die Chance eher hoch als niedrig ist, dass das Spiel auf leistungsschwächerer Hardware noch problemanfälliger sein könnte. Viele Tests der PC-Version klangen zu sehr nach uneingeschränkten Kaufempfehlungen für »Cyberpunk 2077«.

  • Hype ist oft nichts Gutes.
    Die bisherigen Terminverschiebungen von »Cyberpunk 2077« hatten sogar zu Morddrohungen gegen die Entwickler  geführt. Einmal mehr zeigt sich so, dass zu viel Hype ambitionierten Projekten oft auch schaden kann. Die Erwartungen steigen schnell ins Unermessliche, wenn Termine zu früh kommuniziert werden. Zugleich erhöht sich der Druck auf ein Studio mit jedem Fantraum von irgendwelchen Features, dem es nicht explizit widerspricht. »Cyberpunk 2077« hätte, darauf deutet einiges hin, mindestens noch einmal verschoben, vielleicht sogar ausschließlich für die neueren Konsolen veröffentlicht werden müssen. Fehlte dem Studio am Ende auch der Mut, seine Fans im Zweifel noch einmal zu vertrösten?

  • »Cyberpunk 2077« ist und bleibt ein Videospiel.
    Kritiker von CD Project Reds Vorgehen sprechen teils von einem »Raubzug«, von groß angelegtem Betrug. Auch das ist Übertreibung. Denn natürlich ist ein Videospiel, das 60 oder 70 Euro kostet und dann schlechter läuft als viele andere, ein Ärgernis. Aber ist das der Untergang des Game-Marktes? Wohl nicht, zumal auch in der Playstation-4-Version grundsätzlich alle Inhalte stecken, die das Spiel faszinierend machen. Inhalte, für die viele Mitarbeiter sicher sehr viel, vielleicht zu viel gearbeitet haben.

Bleibt zu hoffen, dass andere Hersteller das »Cyberpunk 2077«-Debakel zur Kenntnis nehmen und ihre Schlüsse ziehen, etwa, was Transparenz beim Marketing betrifft. Vielleicht führt der Ärger um »Cyberpunk 2077« zu einem Schritt zurück in Richtung sauberer Release-Versionen, die auch ohne Riesenpatch von Tag eins an vernünftig spielbar sind. Denn angesichts der Negativschlagzeilen, die auch ihre Konsolen und Spielfreigabe-Praktiken nicht gut dastehen lassen, dürften auch Sony und Microsoft von solchen Release-Katastrophen erst einmal genug haben.