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Schulöffnungen ohne Abstandsregel "Wenn das schiefgeht, tragen die Kultusminister die Verantwortung"

Kein Mindestabstand mehr, stattdessen Regelbetrieb im Klassenverband nach den Ferien: Lehrerverbände zeigen sich über diese Pläne der Kultusminister empört. "Unrealistisch" ist noch einer der harmloseren Vorwürfe.
Unterricht ohne Abstandsregel: Nach den Ferien soll der reguläre Betrieb wieder losgehen

Unterricht ohne Abstandsregel: Nach den Ferien soll der reguläre Betrieb wieder losgehen

Foto: Arne Dedert/ dpa

Die Absicht der Kultusminister, nach den Sommerferien wieder zu einem Regelbetrieb an Deutschlands Schulen zurückzukehren und die Abstandsregel aufzuheben, stößt bei Lehrerverbänden auf harsche Kritik. "Mit dieser Ansage kippen die Kultusminister den Infektionsschutz", sagte Ilka Hoffmann, Sprecherin für den Bereich Schule von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), dem SPIEGEL. "Wenn das schiefgeht, tragen die Kultusminister die Verantwortung."

Die Kultusministerkonferenz (KMK) hatte nach einer Videoschalte am Donnerstag verkündet, dass sie alle Schulen im neuen Schuljahr wieder vollständig öffnen wolle. Schüler sollen im normalen Klassenverband oder in festen Gruppen unterrichtet werden, ohne dass sie weiterhin einen Mindestabstand von 1,50 Meter einhalten müssen. Die Bildungspolitiker schränkten das Vorhaben mit dem Zusatz ein, "sofern es das Infektionsgeschehen zulässt".

In den vergangenen Wochen hatten mehrere Bundesländer wie Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen und Nordrhein-Westfalen die Abstandsregel an Grundschulen abgeschafft. Das Ansteckungsrisiko soll minimiert werden, in dem Kinder in festen Gruppen lernen, die sich möglichst wenig begegnen. Im Falle einer Ansteckung soll die Infektionskette zurückverfolgt werden können.

"Das ist unrealistisch"

"An kleineren Grundschulen mag das hier und da noch machbar sein", sagte Hoffmann. Aber an den großen weiterführenden Schulen kämen oft tausend Kinder und Jugendliche aus einer Region zusammen. Die Schüler würden morgens mit Bussen zum Unterricht fahren, "und die Busse sind voll", so Hoffmann.

Schulen mit rund tausend Schülern könnten diese bei normalem Stundenplan nicht zeitversetzt zum Unterricht kommen oder zeitversetzt Pause machen lassen. "Sie können den Schülern auch nicht sagen, dass sie sich auf dem Schulhof mal bitte nicht mischen sollen", kritisierte die Gewerkschafterin. "Wie soll das praktisch gehen? Das ist unrealistisch. Es ist gedankenlos, den Schulen nun die Verantwortung dafür aufzubürden."

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, übte ebenfalls scharfe Kritik. Es sei voreilig gewesen, das "in dieser Absolutheit anzukündigen", sagte er der "Augsburger Allgemeinen". Die KMK habe sich zu schnell und ohne eigenes Konzept dem Druck der Ministerpräsidenten, aber auch der Wirtschaft und "mit zusätzlicher Kinderbetreuung belasteten Eltern" gebeugt.

KMK will über Maskenpflicht beraten

Meidinger hatte in den vergangenen Tagen bereits gefordert, dass die Kultusminister zuerst ein komplett überarbeitetes Hygienekonzept für das nächste Schuljahr erarbeiten müssten, damit Schulen und Schulträger planen können.

Wie die Präsidentin der KMK und rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) nach den Beratungen mit ihren Länderkollegen ankündigte, solle ein solches Konzept nun in einem nächsten Schritt erarbeitet werden. Es soll noch vor dem Ende der Sommerferien vorliegen. Darin soll auch geklärt sein, ob es an den Schulen eine Maskenpflicht geben soll.

Meidinger sprach sich vor dem Hintergrund des nun drei Monate andauernden Ausnahmezustands an den Schulen für verpflichtende Leistungstests für alle Schüler nach den Sommerferien und bei gravierenden Wissenslücken für Förderunterricht aus. "Für Schüler mit starken Defiziten muss es verpflichtende Förderangebote geben, die zum Beispiel am Nachmittag stattfinden können." Um ein solches Zusatzangebot zu stemmen, bräuchten die Schulen zusätzliches Personal.

fok/dpa