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Nachfolge von Evo Morales Jeanine Añez erklärt sich zur Interimspräsidentin Boliviens

Bolivien sortiert sich für die Zeit nach Evo Morales: Jeanine Añez übernimmt vorerst die Regierungsspitze - und muss Neuwahlen organisieren. Doch auch der Ex-Machthaber meldet sich zu Wort.
Jeanine Añez: "Alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um das Land zu befrieden"

Jeanine Añez: "Alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um das Land zu befrieden"

Foto: Henry Romero/ REUTERS

Boliviens langjähriger Staatschef Evo Morales ist weg - nun ist zumindest die kurzfristige Nachfolge erst einmal geklärt. Die Senatorin Jeanine Añez hat sich zur Interimspräsidentin des südamerikanischen Landes erklärt. "Ich werde alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um das Land zu befrieden", sagte sie am Dienstagabend (Ortszeit). Zuvor waren zwei Versuche des Senats und der Abgeordnetenkammer gescheitert, eine Beschlussfähigkeit festzustellen, da nicht genug Parlamentarier anwesend waren.

Die Anwältin sitzt seit 2010 für das Department Beni im Senat. Weil neben Morales auch der Vizepräsident, die Präsidentin des Senats und der Präsident der Abgeordnetenkammer zurückgetreten waren, rückte die zweite Vizepräsidenten des Senats an die Regierungsspitze. Die 52-Jährige muss nun innerhalb von 90 Tagen eine Neuwahl organisieren.

Nach massiven Protesten und auf Druck des Militärs war Morales am Sonntag nur drei Wochen nach seiner umstrittenen Wiederwahl zurückgetreten. Der Sozialist hatte sich nach der Abstimmung am 20. Oktober zum Sieger in der ersten Runde erklärt, obwohl die Opposition und internationale Beobachter erhebliche Zweifel angemeldet und ihm Wahlbetrug vorgeworfen hatten. Er ging daraufhin ins Exil nach Mexiko.

Starke Worte von Morales aus dem Exil

"Der Kampf geht weiter", sagte der 60-Jährige nach seiner Ankunft am Flughafen von Mexiko-Stadt. Er dankte Mexikos Präsidenten Andrés Manuel López Obrador, sein Leben gerettet zu haben.

Dieser sagte, er sei "sehr stolz" darauf, dass die von ihm geleitete, linksgerichtete Regierung Morales das "Recht auf Asyl" gewähre. Nach Angaben des mexikanischen Außenministers Marcelo Ebrard hatte Morales die mexikanische Regierung mündlich und schriftlich um Asyl gebeten. Dieses sei bewilligt worden, weil das Leben von Morales bedroht gewesen sei.

Auf Twitter schrieb der bolivianische Ex-Präsident: "Es bereitet mir Schmerzen, mein Land aus politischen Gründen aufgeben zu müssen." Er werde "mit größerer Stärke und mehr Energie" zurückkehren, versprach der erste indigene Staatschef Boliviens seinen Anhängern. Er hatte von einem Putsch gesprochen.

Morales taktischer Fehler brachte ihn um sein Amt

Als erster indigener Präsident hatte Morales dem Land eine lange Zeit der politischen Stabilität und der wirtschaftlichen Entwicklung beschert. In seinen fast 14 Jahren an der Regierungsspitze sorgte er dafür, dass die satten Gewinne aus der Gas- und Lithium-Förderung größtenteils im Land blieben und auch der indigenen Bevölkerungsmehrheit zugute kamen.

Um sich seinen Traum zu erfüllen und bis zur 200-Jahr-Feier der Unabhängigkeit 2025 im Amt zu bleiben, leistete sich der frühere Koka-Bauer aus einfachsten Verhältnissen allerdings eine drastische Fehleinschätzung. Im Oktober stellte er sich zum dritten Mal zur Wiederwahl, obwohl die Verfassung höchstens eine Wiederwahl vorsieht. Morales überwand diese Hürde mit Hilfe der ihm gewogenen Justiz, die die Begrenzung der Amtszeiten als Verletzung seiner Menschenrechte bezeichnete. Das löste die Massenproteste im Land aus.

jok/dpa