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Umstrittene Äußerung von Ministerpräsident Söder Ein schlechter Scherz – oder doch eine Straftat?

Markus Söder rief CSU-Wähler dazu auf, Anhänger anderer Parteien am Sonntag hereinzulegen – sodass sie den Wahltermin versäumen. Wie ernst muss man das nehmen? Das fragt sich nun auch die Staatsanwaltschaft.
Markus Söder auf der »CSU-Stadiontour« (hier am 8. September 2021 in Nürnberg): »Fragen Sie alle: Was möchtest du denn wählen?«

Markus Söder auf der »CSU-Stadiontour« (hier am 8. September 2021 in Nürnberg): »Fragen Sie alle: Was möchtest du denn wählen?«

Foto: Daniel Karmann / dpa

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Heimspiel für den Franken Markus Söder am vergangenen Freitag im Sachs-Stadion im fränkischen Schweinfurt. Sogar die Regenwolken, frohlockt der lokale Gastgeber, habe man für den »lieben Markus« weggeschoben. Es sei der »krönende Abschluss« der »Bundestagswahl Stadiontour« der CSU, kündigt seine Parteifreundin Dorothee Bär den Ministerpräsidenten und Parteichef in Schweinfurt an.

Und der bedankt sich mit einer Rede, deren Finale eine erstaunliche Passage enthält. »Suchen Sie am Wahltag noch einmal durch im Haus, jeden den Sie finden können«, sagt Söder und zählt auf: Mann, Frau, Freundin, Opa, Oma, Onkel, Tante. »Fragen Sie alle: ›Was möchtest du denn wählen?‹ Und wenn diejenigen sagen: ›CSU‹, sagen Sie: ›Sofort mit zum Wählen!‹ Und wenn sie sagen, sie schwanken noch bei einem anderen, sagen Sie: ›Gute Idee, lass dir noch eine Woche Zeit, die Wahl ist erst nächste Woche.‹«

Es gibt ein paar Lacher, Söder geht nicht darauf ein. Mit strengem Blick sagt er: »Es ist jetzt wirklich ernst« – und fährt in seiner Rede fort.

Anderen absichtlich einen falschen Termin für die Wahl nennen, sodass sie diese verpassen? Markus Söder ist immerhin »Dr. jur.«, um so mehr muss man sich fragen, was ihn da geritten hat.

Wählertäuschung ist strafbar

»Wählertäuschung« ist strafbar, nach Paragraf 108a Strafgesetzbuch  – das gilt auch für die Variante, dass man »bewirkt«, dass jemand »gegen seinen Willen nicht wählt«. Und sogar die öffentliche Aufforderung dazu steht nach Paragraf 111  unter Strafe; sogar dann, wenn die Aufforderung »ohne Erfolg« bleibt. Und es genügt nach der Rechtsprechung, wenn derjenige, der zu einer Straftat auffordert, »billigend in Kauf nimmt, dass seine Aufforderung ernst genommen wird«.

Der Kriminalpolizeiinspektion Schweinfurt lagen bis Stand gestern Nachmittag immerhin drei Strafanzeigen gegen Söder vor, teilte die Behörde dem SPIEGEL auf Nachfrage mit. Zwar habe Söder »wohl offensichtlich« nicht selbst Wählertäuschung begangen. Jedoch nimmt die Staatsanwaltschaft immerhin Paragraf 111 Strafgesetzbuch in den Blick.

Sie verweist unter anderem auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach eine solche Aufforderung »nicht zwingend ernst gemeint sein muss«, um als solche strafbar zu sein, und dass sie auch nicht befolgt werden muss. Sondern es genüge, dass sie »zumindest den Eindruck der Ernstlichkeit machen muss«, und dass dies »vom Auffordernden gewollt« sein muss.

»Nach erster Würdigung des Ausschnitts der Rede«, so die Staatsanwaltschaft, bestünden zwar »erhebliche Zweifel, dass dieser Eindruck der Ernstlichkeit durch die ›Aufforderung‹ in der Wahlkampfrede erweckt werden sollte«. Vor einer abschließenden Prüfung, ob bereits der Anfangsverdacht einer Straftat zu verneinen ist, wolle man aber noch den Eingang der Anzeigen abwarten, »um das Vorbringen eingehend würdigen zu können«. Dazu soll es nun bereits am Mittwochvormittag kommen.

»Unterfränkische Satire«

Aus Sicht des früheren BGH-Richters und ehemaligen SPIEGEL-Kolumnisten Thomas Fischer liegt der Fall nicht ganz so einfach. In der zitierten BGH-Entscheidung  sei es um etwas ganz anderes gegangen, nämlich um reine Parolen. Das wäre so, erläutert Fischer, als wenn Söder nur gesagt hätte: »Hoffentlich vergessen alle Sozi-Anhänger, wann die Wahl ist.«

Söders Aufforderung war dagegen ziemlich konkret. »Falls jemand gern einmal von einem bayerischen Amtsgericht bestraft werden möchte«, so Fischer, »sollte er unbedingt dem Rat von Herrn Ministerpräsident Söder folgen und Nachbarn, Freunden und Verwandten, die mitteilen, vielleicht eine andere Partei wählen zu wollen, als die von Herrn Söder vorgeschlagene, weismachen, die Wahl sei erst eine Woche später.«

Dieses »kleine Armin- L.-Rettungsmanöver« nenne man »Wählertäuschung«, und da »der Gesetzgeber die Sache mit der Wahl mindestens so ernst nimmt wie Herr Söder, bestraft er es mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren«. Weil aber »der bayerische Ministerpräsident schon von Amts wegen alles sorgfältig bedenkt, nehmen wir an, dass ihm in Schweinfurt nur eine echt unterfränkische Satire entfuhr«. Jedenfalls das sei »sehr witzig«.

»Es gibt Dinge, über die scherzt man nicht«

Selbst wenn es nun – wie kaum anders zu erwarten – zu keinem Ermittlungsverfahren gegen Söder kommt, bleibt die Frage: Sollte ein Ministerpräsident und Parteichef so etwas sagen? Die Juraprofessorin Sophie Schönberger ist kritisch. »Es müssen sich in einer Demokratie alle einig sein, dass man den politischen Gegner nur mit lauteren Mitteln bekämpft und nicht mit Manipulationen«, sagt die Parteienrechtlerin aus Düsseldorf. Dies erinnere eher an die Taktik der Republikaner der USA.

Wenn Söder seine Aufforderung als Scherz gemeint haben sollte, dann war es ihrer Meinung nach ein schlechter. »Es gibt Dinge«, so Schönberger, »über die scherzt man nicht.«