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Ungewöhnliche Ortsnamen: Zum Nordpol nach Niedersachsen

Foto: dapd

Deutschland-Reise absurd In 24 Stunden nach Brasilien, Rom und Grönland

Amerika liegt neben Rußland, nach Ägypten sind es auch nur ein paar Kilometer: Viele Orte in Deutschland heißen wie weit entfernte Länder - und ermöglichen eine "Weltreise" innerhalb kürzester Zeit. Bei der Post allerdings sorgen die verwirrenden Namen für Ärger.

Berlin - In 24 Stunden um die Welt: Wer sich innerhalb eines Wochenendes Philadelphia, Rom und Brasilien anschauen möchte, muss sich dafür nur ins Auto setzen und durch Deutschland fahren. Hier liegen zahlreiche Dörfer und Ortsteile mit international bekannten Namen.

Start der Weltreise ist Bethlehem in Bayern. Bethlehem (in Lengenwang) hieß bis ins 19. Jahrhundert Bettelheim. Hier haben einst besonders arme Menschen gewohnt, erzählt man sich.

Von dort aus geht es weiter in die Türkei (in Crailsheim in Baden-Württemberg). Der Name entstand bereits im Jahr 1894, als türkische Gastarbeiter für den Bau einer Eisenbahnverbindung in die Stadt kamen. In Baden-Württemberg liegt auch Straßburg (in Kißlegg): Hier sprechen die Menschen zwar kein Französisch, aber dafür ist der Bodensee ganz in der Nähe.

Von Rom über die Alpen nach Kanada

Viele Wege führen nach Rom - und dahin geht die Reise weiter. In Rom (bei Morsbach in Nordrhein-Westfalen) gibt es sogar einen Trevi-Brunnen. Ein kleiner Wermutstropfen: Rom wurde weder von den Römern gegründet noch von ihnen bewohnt. "Rom" soll stattdessen ein alter Ausdruck für Erz und Metall gewesen sein.

Weiter geht es über den Ort Alpen am Niederrhein bis nach Kanada. Die kleine Siedlung (bei Münchenbernsdorf in Thüringen) entstand in der Zeit um 1930. Damals rodeten die Bewohner Wald und bauten sich kleine Holzhäuser. "Dort sieht es ja aus wie in Kanada!", sagten Passanten - und schon war der neue Name für die Siedlung geboren. Das löst noch heute Verwechslungen aus: Schon oft nahm die Post nach Kanada einen Umweg von Tausenden Kilometern über Nordamerika.

Von Kanada aus erreicht der Deutschland-Reisende übrigens nach etwa fünf Stunden Autofahrt Amerika (bei Friedeburg in Niedersachsen). Seinen Namen hat das kleine Amerika von den Kolonisten, die hier im 19. Jahrhundert ansiedelten - zu einer Zeit, als viele andere Menschen wirklich über den großen Ozean reisen mussten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Neben Amerika liegt Rußland. Eine Geschichte besagt, dass dort vor mehr als 100 Jahren ein armer Bauer wohnte, der wegen seines rauen Auftretens "Russe" genannt wurde. Vielleicht rührte der Name aber auch daher, dass der Boden in dem Ortsteil karg und unwegsam war und den Leuten wie Russland vorkam. Amerika und Rußland sind übrigens mit einem Wanderweg verbunden. Wer die Strecke auf sich nimmt, erhält eine Urkunde mit dem Einreisestempel "Amerika."

Möglich sind kurze Abstecher nach Ägypten (in Neuenkirchen) und Texas (in Groß Oesingen) - diese liegen ebenfalls in Niedersachsen. Oder der Weltreisende fährt direkt weiter nach Krakau (in Coswig, Sachsen-Anhalt) und von dort aus ins brandenburgische Philadelphia.

Philadelphia klingt besser als Häufchen

Den Name Philadelphia (bei Storkow in Brandenburg) hat der preußische König Friedrich II. ausgesucht. Im 18. Jahrhundert ließ er brachliegende Landschaften in Brandenburg besiedeln, unter anderem die Plätzchen Hammelstalle und Häufchen. Man erzählt sich, dass die armen Kolonisten für die Ortsnamen verhöhnt wurden und sich mit einer Petition an ihren König wandten. Dieser benannte die Dörfer um, in Neu Philadelphia und Neu Boston. Schließlich war er ein Sympathisant des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges.

Wer noch etwas Zeit übrig hat, kann sich die brandenburgischen Plätzchen Kamerun und Afrika anschauen. Oder er fährt direkt nach Waterloo (Gemeinde Karstädt in Brandenburg). Seinen Namen erhielt das Plätzchen übrigens von einem Grafen, der 1815 an der Schlacht gegen Napoleon im belgischen Original teilgenommen hatte.

Von Waterloo geht es weiter an die Strände von Kalifornien und Brasilien (Ostseebad Schöneberg, Schleswig-Holstein). Der Legende nach sank einst ein Schiff namens "California" vor der Küste. Ein Bewohner fand am Strand eine Planke mit dem Schiffsnamen und hängte sie bei sich auf. Daraufhin wurde ein Nachbar neidisch und stellte ein Schild mit dem Namen "Brasilien" auf.

Zum Abschluss der Reise geht es nach England (Nordseeheilbad Nordstrand, Schleswig-Holstein). Der Name stammt aus dem Plattdeutschen: Einst hieß der Fleck "Enges Land" und bezeichnete den kleinen Hafen. Da das Ortsschild in der Vergangenheit gerne geklaut wurde, ist es mittlerweile extra fest montiert.

Die Weltreise ist nun zu Ende, sie führte quer durch sieben Bundesländer. Aber es geht noch schneller: In Schleswig-Holstein liegt der Ort "Welt". Den kann man zu Fuß umrunden.

Merle Schmalenbach, dapd