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Erstes Bild eines schwarzen Lochs Und es ward Licht

"Es fühlt sich an, als blicke man auf die Tore der Hölle": Wissenschaftler weltweit sind begeistert vom ersten Foto eines schwarzen Lochs. Reicht das Bild für den Nobelpreis?
Da ist es, das schwarze Loch: Fotografen bei der Pressekonferenz in Tokio - einer von sechs Präsentationen weltweit

Da ist es, das schwarze Loch: Fotografen bei der Pressekonferenz in Tokio - einer von sechs Präsentationen weltweit

Foto: FRANCK ROBICHON/EPA-EFE/REX

Es gibt sie in Actionfilmen, in Science-Fiction-Büchern, in Comics und in Popsongs: Schwarze Löcher, die kosmischen Portale ins Nichts, haben die Fantasie der Menschen beflügelt, seit der Begriff in den Sechzigerjahren erstmals auftauchte. Fantasie war allerdings auch notwendig.

Denn von schwarzen Löchern existierten nur Illustrationen und Animationen, aber keine echte Aufnahme - bis jetzt: Am Mittwoch haben Forscher das erste Bild eines der kosmischen Vielfraße präsentiert.

"Ich habe diesen Raum nie so voll gesehen - außer bei Krisen", schwärmte EU-Forschungskommissar Carlos Moedas bei der Pressekonferenz in Brüssel, einer von mehreren Orten auf der Welt, an denen die Ergebnisse zeitgleich vorgestellt wurden. Sogar die anwesenden Astro-Wissenschaftler, sonst eher nicht für öffentlichen Überschwang bekannt, griffen zu fast schon poetischen Sätzen. "Das fühlt sich an, als blicke man auf die Tore der Hölle, auf das Ende von Raum und Zeit", sagte der deutsche Radioastronom Heino Falcke, Chef des Wissenschaftsrats des Event Horizon Telescope (EHT).

Der deutsche Radioastronom Heino Falcke in Brüssel

Der deutsche Radioastronom Heino Falcke in Brüssel

Foto: STEPHANIE LECOCQ/ EPA-EFE/ REX

Das schwarze Loch im Zentrum der Galaxie Messier 87, kurz M87, ist rund 55 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Seine Ausmaße sind wahrhaft gigantisch: Es ist 6,6 Milliarden Mal so massereich wie unsere Sonne. Das Bild zeigt nicht das schwarze Loch selbst, sondern nur seinen Schatten: einen dunklen Bereich innerhalb eines glühenden Rings mit einem Durchmesser von rund hundert Milliarden Kilometern. Dennoch war seine Abbildung eine technische Meisterleistung. Es wäre so, als würde man von Brüssel aus ein Senfkorn in der US-Hauptstadt Washington fotografieren, sagte Falcke.

Fotostrecke

Schwarzes Loch: Abschied von der Fantasie

Foto: NASA/JPL-Caltech

Der Ring entsteht dank der Verzerrung der Raumzeit durch die gewaltige Schwerkraft des Lochs.Nach Meinung der Forscher könnte es sich bei dem Ring um die innere Kante der sogenannten Akkretionsscheibe handeln, also jener rotierenden Scheibe von Materie, die um das schwarze Loch kreist. Es könnte sich aber auch um den sogenannten relativistischen Jet handeln, einen Teilchenstrahl, den supermassive schwarze Löcher mit ungeheurer Geschwindigkeit ins All schießen können.

Der nahezu perfekt runde Kreis hat die Wissenschaftler zutiefst verblüfft. "Wir wären schon zufrieden gewesen, wenn wir eine hässliche Erdnuss gesehen hätten", sagte Falcke dem SPIEGEL. Der glühende Kreis aber sei "fast unglaublich gewesen", so der Astronom. Die Wissenschaftler hatten vorher das Aussehen des schwarzen Lochs im Zentrum von M87 am Computer simuliert. Zu ihrem Erstaunen glich das echte Foto der Simulation fast wie ein Ei dem anderen.

Erstes Bild eines schwarzen Lochs

Erstes Bild eines schwarzen Lochs

Foto: EHT Collaboration

"Ich schwebte tagelang einen Meter über dem Boden", beschreibt Falcke seine Reaktion auf die ersten Messergebnisse. Umso schwerer sei es gefallen, danach etwa ein Jahr lang nüchtern die Zahlen immer wieder zu überprüfen. Er habe "Erstaunen" und "Faszination" verspürt, sagt auch Falckes Kollege Luciano Rezzolla von der Frankfurter Goethe-Universität. "Ich hätte nie gedacht, dass das Bild so gut mit den Theorien übereinstimmen würde."

"Es ist fast schon unheimlich, wie gut die Beobachtung zur Vorhersage passt"

Das Bild scheint Albert Einsteins Relativitätstheorie damit vollauf zu bestätigen. Bisher habe man in den Daten nichts gefunden, was ihr widerspräche, sagt Rezzolla. Als Theoretiker finde er es erfreulich, wenn eine Theorie anscheinend so überzeugend bestätigt werde. "Es ist fast schon unheimlich, wie gut die Beobachtung zur Vorhersage passt", findet Michael Kramer vom Bonner Max-Planck-Institut (MPI) für Radioastronomie. "Allerdings ist es auch ein bisschen schade - ein anderes Ergebnis wäre vielleicht spannender gewesen."

Simulation des schwarzen Lochs

Simulation des schwarzen Lochs

Foto: NSF

Das könnte auch einer der Gründe sein, warum es mit dem Nobelpreis womöglich nichts wird. Zwar wird das Foto vom schwarzen Loch bereits in eine Reihe mit anderen Durchbrüchen wie beispielsweise dem Nachweis von Gravitationswellen genannt, die mit der höchsten Auszeichnung der Wissenschaft geehrt wurden. Doch auch innerhalb des Event-Horizon-Teams gibt es Zweifel, ob es zum Nobelpreis reicht.

"Wenn wir Einstein widerlegt hätten, dann hätten wir ihn vielleicht bekommen", sagt Eduardo Ros vom MPI für Radioastronomie. "Aber wir haben lediglich eine bestehende Theorie bestätigt und dafür auch keine fundamental neue Technik eingesetzt, sondern eine, die schon existierte."

Im Video: schwarze Löcher - eine Zeitreise ins Universum

ZDF Enterprises

Tatsächlich sei der Nobelpreis für diese Entdeckung eigentlich schon vergeben worden - vor 45 Jahren. Im Jahr 1974 erhielten die Briten Martin Ryle und Antony Hewish die Auszeichnung für ihre Pionierarbeit in der Radioastronomie und die Entwicklung der Technik, mehrere Teleskope zu einem gigantischen virtuellen Teleskop zu verbinden. "Das hat uns unsere Entdeckung erst erlaubt", sagt Ros. Natürlich habe das internationale Team die sogenannte Interferometrie auf äußerst kreative Weise genutzt. "Aber der Nobelpreis", meint Ros, "wäre wohl zu viel."