FC Bayern Campus

Vorwürfe gegen Mitarbeiter des Nachwuchsleistungszentrums Rassismus auf dem FC Bayern Campus?

Stand: 11.08.2020 11:00 Uhr

Im Nachwuchsleistungszentrum des FC Bayern München gibt es einen Rassismus-Verdacht. Dabei werden schwere Vorwürfe gegen einen Mitarbeiter des Vereins erhoben, der schon lange unter anderem als Trainer in der Jugendabteilung des Rekordmeisters aktiv ist.

Von Matthias Wolf

Dokumente wie Chatverläufe und Briefe, die dem WDR-Hintergrundmagazin Sport inside vorliegen, lassen auch den Schluss zu, dass der FC Bayern bisher kaum auf die schweren Vorwürfe reagiert hat. Am Montag (10.08.2020) bestätigte der Verein dem WDR aber "interne Untersuchungen". Unter Druck gerät der Verein auch durch einen in der vergangenen Woche erschienenen Twitter-Account unter dem Namen des Mitarbeiters, den der Klub auf WDR-Anfrage als "Fake-Account" bezeichnete. In diesem wurden von Unbekannten in den vergangenen Tagen Teile eines vermeintlichen Chatverlaufs aus einer WhatsApp-Gruppe innerhalb der Jugendabteilung des Vereins veröffentlicht.

Häufig rassistische Ausdrücke

Sport inside liegen diese Chat-Protokolle bereits seit einigen Wochen vor. In den angeblichen Chats äußert sich ein Teilnehmer mit dem Namen des besagten Mitarbeiters mehrfach eindeutig rassistisch. In einem Fall postete er das Foto eines Lastwagens mit der Aufschrift "Bimbo" und schrieb darunter: "Transport. Hier werden die Neger von A nach B transportiert." Der Post wurde von weiteren Mitgliedern der Gruppe, offensichtlich anderen Trainern oder Scouts des Vereins, mit Smilies zustimmend kommentiert.

In Diskussionen um die Verpflichtung von Spielern verwendet der Mitarbeiter ebenfalls häufig rassistische Ausdrücke. In einem Fall werden Name, Größe und Gewicht eines potentiellen Neuzugangs von ihm so kommentiert: "Fette Sau. Ein Neger, oder." Einen seiner Kollegen schrieb er mit den Worten an: "Halt's Maul, Kameltreiber." Mehrfach werden Spieler als "Drecks-Türke" oder "Kanake" bezeichnet, bei Vorschlägen zu Verpflichtungen von Spielern mit offensichtlichem Migrationshintergrund kommentierte er diese mehrfach mit den Worten: "Nachname gefällt mir nicht."

Anonyme Beschwerde-Schreiben an die Klubführung

Die Chatverläufe sollen bereits zwei Jahre alt sein, geraten aber erst jetzt an die Öffentlichkeit, nachdem zuletzt mehrere Trainer den FC Bayern Campus, das Nachwuchsleistungszentrum des Klubs, verlassen haben. Teilweise laut eigener Aussage nicht freiwillig. Denn seit längerem gäbe es intern Kritik am Verhalten des Campus-Mitarbeiters, der aber eine gewaltige Hausmacht habe - und gegen Kritiker vorgehe. Kurzum, so der Tenor aus mehreren Gesprächen: Besagter Mitarbeiter werde von der Campus-Leitung geschützt.

Sport inside hat mit mehreren ehemaligen und noch aktuellen Trainern gesprochen sowie mit betroffenen Eltern, die viele der Vorwürfe bestätigten. Seit September 2018 gab es vier anonym abgefasste Schreiben an den FC Bayern. Angeblicher Absender sollen namentlich nicht genannte Eltern von Kindern im Nachwuchsleistungszentrum sein. Ob die Briefe tatsächlich aus der Elternschaft stammen, lässt sich nicht eindeutig klären. Der oder die Absender beschweren sich darin über den Umgang des Jugendtrainers mit dem ihn anvertrauten Kindern. "In unserer Hilflosigkeit…" – so beginnt der erste Brief, verbunden mit der Bitte "die Probleme ernst zu nehmen und intern sorgfältig zu prüfen".

Vorwurf: Sadistische Straftrainings

Auch diese anonymen Schreiben liegen dem WDR vor. Sie waren an Campus-Leiter Jochen Sauer, aber auch an den Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, den damaligen Vereins-Präsidenten Uli Hoeneß, Sportdirektor Hasan Salihamidzic sowie den sportlichen Leiter des Nachwuchleistungsentrums und Co-Trainer des Profiteams, Hermann Gerland, adressiert. Der letzte Brief, datiert vom 28. Oktober 2019, ging an den stellvertretenden sportlichen Leiter des FC Bayern Campus Holger Seitz und ist unterzeichnet mit "die immer besorgter werdende, aber ängstliche Elternschaft".

In den Briefen wird der Jugendtrainer nicht nur für seinen Umgang mit Kindern und Jugendlichen sowie seinen teilweise homophoben und rassistischen Umgangston kritisiert - sondern auch für seine Trainingsmethoden. Es ist die Rede von sadistischen Straftrainings, die teilweise gesundheitsgefährdenden Charakter hätten. In einem der Briefe wird ausführlich der Fall eines Spielers beschrieben, der kollabiert sei. "Solche Menschen", schreiben der oder die Verfasser, "dürfen nicht mit Kindern arbeiten."

Außerdem fühlten sich Eltern, laut diesen Briefen, genötigt, ihre Kinder von einem bestimmten Spielerberater vertreten zu lassen, mit dem der beschuldigte Mitarbeiter enge Kontakte pflegen soll. Wie eng die Kontakte zu dem genannten Berater sind, geht teilweise auch aus den dem WDR vorliegenden Chat-Verläufen hervor.

FC Bayern sieht "eine Art Privat-Fehde"

Der Verein bestätigte die Existenz von drei Briefen und teilte dem WDR auf Anfrage mit, diese würden "offensichtlich von ein und demselben Absender stammen". Man habe diese Briefe damals gleichwohl zum Anlass genommen, die Eltern der Spieler der Mannschaften, die von dem Mitarbeiter betreut worden seien, in Einzel-Gesprächen zu befragen. Ergebnis: Besagter Trainer sei bei den Eltern der Spieler gut beleumundet.

"Die in den anonymen Briefen erhobenen Vorwürfe haben sich nicht bestätigt", teilt der FC Bayern mit. Darüber seien alle Spieler über den Sportpsychologen des Campuses turnusmäßig gebeten worden, ihren Trainern anonym ein Zeugnis auszustellen. Auch hier habe der genannte Trainer im Vergleich mit allen anderen Trainern überdurchschnittlich gute Bewertungen erhalten. Bei den anonymen Vorwürfen handle es sich nach Ansicht des Vereins deshalb um "eine Art Privat-Fehde". Nach den Recherche-Erkenntnissen von Sport inside gibt es jedoch zahlreiche Kritiker und nicht nur einzelne. Sowohl Eltern als auch Trainer. Einige von ihnen gehören immer noch dem Trainerstab des Nachwuchsleistungszentrums an.

Klub bestätigt interne Untersuchung

Auf die konkreten rassistischen Inhalte der Chat-Nachrichten ging der FC Bayern nicht ein, teilte auf Anfrage durch Sport inside aber mit: "Die Inhalte, die sie uns zur Kenntnis gebracht haben, sind Gegenstand einer internen Untersuchung. Wir werden mit unseren zuständigen Stellen Echtheit und Sachverhalt aufklären und anschließend bewerten. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt dazu keine Aussage in der Öffentlichkeit abgeben können", schreibt der Klub. 

Zuletzt hatte der FC Bayern München mehrfach öffentlich betont, wie sehr ihm Toleranz und Vielfalt am Herzen liegen, sich mit der Aktion "Rot gegen Rassismus" zur Black-lives-matter-Bewegung bekannt. "Der FC Bayern steht mit all seinen Mannschaften, all seinen Spielern und Spielerinnen aus den unterschiedlichsten Nationen, mit all seinen Mitgliedern, Partnern und Freunden für eine Welt, in der Rassismus, Diskriminierung, Hass, Ungerechtigkeit und Gewalt keinen Platz haben", erklärte Präsident Herbert Hainer noch im Juni. Nun beschäftigt ausgerechnet die multikulturelle Nachwuchsabteilung ein Rassismus-Verdacht.