Mysteriöser "YOG'TZE"-Tod Ein nackter Toter im Siegerland, eine rätselhafte Notiz, keine Spur

Der Mord an Günther Stoll wurde auch in der Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst behandelt - und ist dennoch bis heute ungeklärt
© Screenshot YouTube/Aktenzeichen XY... ungelöst
Der Todesfall "Günther Stoll" ist einer der mysteriösesten in der deutschen Kriminalgeschichte. Er beschäftigt die Polizei in NRW bis heute: Wusste das Opfer vorher, was es erwartet? Und was bedeutet die mysteriöse "YOG'TZE"-Notiz? Die Ermittler hoffen noch immer auf einen Durchbruch.

Ein blauer Golf mit demolierter Motorhaube in einer Böschung neben der Autobahn - das sieht ein LKW-Fahrer im Vorbeifahren im Scheinwerferlicht. Er glaubt an einen Unfall und hält auf dem Seitenstreifen an, um zu helfen. Kurz hinter ihm kommt ein Kollege zum Stehen. Gemeinsam treten Sie an den demolierten Wagen heran. Darin entdecken sie: den sterbenden Lebensmitteltechniker Günther Stoll. Nackt, am Körper kleben Laub und Schmutz.

Die grausige Szene spielte sich in der Nacht vom 25. auf den 26. Oktober 1984 ab, an der A45 bei Hagen-Süd. Und sie wird die Kripo noch lange beschäftigen, bis heute. Der Fall "Günther Stoll" ist einer der mysteriösesten Todesfälle in der Geschichte der Bundesrepublik und weiterhin nicht aufgeklärt. Doch zu sicher sollten sich der oder die Mörder nicht sein, die Polizei hat noch ein Ass im Ärmel - und wartet darauf, es spielen zu können.

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Möglicher Mord ist Thema bei "Aktenzeichen XY..."

Das eigenartige Geschehen in den Stunden, bevor Günther Stoll von den beiden LKW-Fahrern gefunden wurde, rekonstruiert die Polizei schon kurz nach dessen Tod weitestgehend - aber entscheidende Informationen fehlen. Am 12. April 1985 wenden sich die Ermittler daher via "Aktenzeichen XY… ungelöst" an Millionen Fernsehzuschauer. Der gut zehnminütige Film stellt das Geschehen am Abend des 25. Oktober 1984, einem Donnerstag, so weit wie möglich nach:

Der 34-jährige Stoll lebt mit seiner Frau zusammen in Anzhausen im Siegerland, er ist arbeitslos. Der gelernte Lebensmitteltechniker wirkt an dem Donnerstagabend wieder einmal nervös, unruhig, nachdenklich. Er sagt zu seiner Frau Sätze wie "Ich halte das nicht mehr aus", "Alle sind sie gegen mich", "Ich habe einfach Angst, dass die mir was antun". Wer sind "die"? Wurde Günther Stoll bedroht? War er paranoid? Hatte er eine Vorahnung? Darauf gibt es bis heute keine Antwort.

Im Laufe des Abends, der Fernseher läuft im Hause Stoll, sagt der 34-Jährige nach langem Grübeln: "Jetzt geht mir ein Licht auf." Er nimmt sich Stift und Papier und notiert sechs Buchstaben: "YOG'TZE". Kurz darauf streicht er seine Notiz wieder durch, wird seine Frau später aussagen. Gegen 23 Uhr zieht er sich seine Wildlederjacke an und verlässt  die Wohnung. Er hofft, dass ein Bier im "Papillon", einer Kneipe im benachbarten Ort Wilnsdorf seine Ängste ein wenig lindert. "Bis gleich", sind die letzten Worte an seine Frau.

"Es passiert etwas ganz Fürchterliches"

Wenig später kommt er im "Papillon" an, bestellt das Bier. Bevor er es trinken kann, fällt Günther Stoll vom Barhocker, zieht sich eine Wunde im Gesicht zu. Anderen Gästen der Kneipe sagt er, dass er "weg" war, einen "Aussetzer" hatte. Für den Sturz gibt es keine plausible Erklärung. Stoll verlässt kurz darauf die Kneipe, nach der Verletzung ist ihm die Lust am Bier vergangen. Er setzt sich in seinen blauen Golf und fährt davon.

Gegen ein Uhr in der Nacht taucht der 34-Jährige in seinem Heimatort Haigerseelbach auf, knapp zehn Kilometer von der Gaststätte "Papillon" entfernt. Anstatt seine Mutter zu besuchen, klingelt er zwei Häuser weiter, bei einer Rentnerin, die als sehr gläubig gilt. Sie kommt ans Fenster im ersten Stock ihres Hauses. Stoll will reden, er wirkt verwirrt, ruft ihr zu: "Die Nacht passiert noch was, etwas ganz Fürchterliches." Sie weist ihn ab, er kündigt an, zurück zu seiner Frau nach Anzhausen zu fahren, gut 15 Kilometer, und verschwindet in die Nacht.

Gegen drei Uhr morgens halten die beiden Lastwagenfahrer auf dem Seitenstreifen der A45 bei Hagen-Süd an und machen ihre furchtbare Entdeckung, fast 100 Kilometer von Stolls Wohnort entfernt. Sie sehen kurz vorher im Dunkeln noch eine Person in heller Kleidung um das Auto herumhuschen. Als sie am Wagen ankommen, ist sie aber verschwunden. Günther Stoll, unbekleidet, stöhnt noch, als die beiden LKW-Fahrer an dem demolierten Golf ankommen, mit letzter Kraft teilt er seinen Helfern mit, dass es vier Männer gewesen seien. "Nicht meine Freunde. Sie sind abgehauen, weg. Ich will auch weg", sagt Stoll noch mit letzter Kraft. Was er damit meint, bleibt ungewiss. Auf dem Weg ins Krankenhaus stirbt Günther Stoll wenig später an seinen schweren Verletzungen.

Die "YOG'TZE"-Notiz beschäftigt die Polizei - bis heute

Ein Unfall? Vielleicht auch, aber nicht nur: Rechtsmediziner stellen später fest, dass Stoll nicht an der Fundstelle verletzt wurde. Er wurde zuvor an einem anderen Ort von einem anderen Fahrzeug überrollt, auch zu dem Zeitpunkt war er schon unbekleidet. Dann wurde er auf den Beifahresitz seines Wagens gesetzt und zum späteren Fundort gefahren, so die Untersuchungsergebnisse.

Die Ermittler stehen vor einem Rätsel, die Zeugensuche beginnt - erfolglos. Ein Anhalter, den Autofahrer in der Nähe des Fundortes bemerkten, meldet sich nicht bei der Polizei. Die Beamten ermitteln auch in der niederländischen Drogenszene, Günther Stoll hatte offenbar Kontakte dorthin - die Untersuchungen bleiben ebenfalls erfolglos. Sie setzen 3000 D-Mark Belohnung für Hinweise aus - ohne Erfolg. Auch die Suche bei "Aktenzeichen XY… ungelöst" verhilft nicht zur Aufklärung - trotz rund 170 Hinweisen. Die Person, die um den Golf herumschlich, wird nie gefunden. Und wie gelangte das Opfer an den Fundort, kilometerweit weg von seinem Zuhause?

Auffällig an dem Fall sind sind vor allem die scheinbaren Vorahnungen von Günther Stoll - aber auch hier kommen die Ermittler nicht voran. Und dann ist da noch die mysteriöse Notiz des 34-Jährigen: "YOG'TZE". Der Zettel allerdings ist verschwunden, seine Frau habe ihn in der Todesnacht weggeworfen, berichtet die "Siegener Zeitung". Hat es die Notiz überhaupt gegeben?

Der Fall des Günther Stoll kommt nicht zu den Akten

Die Ermittler gehen davon aus und recherchieren. Heraus kommt: Das Wort existiert in keiner Sprache der Welt. Aber es schießen Spekulationen ins Kraut - bis heute: "YO6'TZE" soll ein rumänisches Funkzeichen sein. Wurde die "6" für ein "G" gehalten? Auch diese Vermutung hilft nicht weiter. Steht "YOG" für einen Joghurt mit dem Namen "TZE"? Alles Spekulation. Oder handelt es sich bei "YOG'TZE" um eine verschlüsselte Botschaft? Dann können die Ermittler sie zumindest nicht dechiffrieren.

So bleibt der "YOG'TZE"-Fall bis heute vor allem Eines: einer der mysteriösesten ungeklärten Todesfälle Deutschlands.

Die Ermittler hoffen, das Rätsel um die Vorahnungen Günther Stolls, seine eigenartige Notiz und den bizarren Tod noch irgendwann klären zu können. In dem blauen VW-Golf wurde DNA-Material sichergestellt. Nachdem es zunächst als verschollen galt, sei es doch in der Asservatenkammer entdeckt worden, erzählt Ulrich Kayser von der Mordkommission Hagen laut "Siegener Zeitung". Neue Hoffnung für die Kripo: Vielleicht taucht die DNA irgendwann, irgendwo noch einmal bei anderen Ermittlungen auf. Bis dahin wird bei der Mordkommission in Hagen auch weiterhin regelmäßig das Telefon klingeln, weil Anrufer glauben, das "YOG'TZE"-Rätsel gelöst zu haben.

Zu den Akten gelegt wird der Tod Günther Stolls jedenfalls nicht. Mord verjährt nie, und so wird auch der "YOG'TZE"-Fall turnusmäßig immer wieder hervorgeholt.

Der mysteriöse Mordfall JonBenét

02:46 min

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