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Menschenhandel In Nigeria boomt der Handel mit Kindern – so läuft das Geschäft der "Baby-Fabriken"

Ein funfjähriges nigerianisches Mädchen im Profil
Semilore Adebiyi, fünf Jahre alt, sitzt vor einem Haus. Semilore wurde als Zweijährige von einer Frau entführt und einen Monat später von der Polizei im 600 Kilometer entfernten Bundesstaat Abia in einer sogenannten Baby-Fabrik entdeckt
© Sam Olukoya / DPA
In Nigeria haben Kriminelle ein neues Geschäftsfeld entdeckt: Der Handel mit Kleinkindern und Babys ist lukrativ. Doch wie kommen die Verbrecher überhaupt an die Kinder?

Dieser Fall in Nigeria begann scheinbar harmlos: Eine junge Frau kam in den Schmuckladen der Geschäftsfrau Adebiyi und bewarb sich um eine Lehrstelle. Eine Woche nach ihrer Einstellung war sie verschwunden – mit Adebiyis zweijähriger Tochter. "Ich hatte keinen Grund anzunehmen, dass die Frau Teil eines kriminellen Netzwerks war", erinnert sich Adebiyi heute in Lagos. "Erst nachdem sie meine Tochter entführt hatte, entdeckte ich, dass die Details in ihrer Bewerbung gefälscht waren", berichtet sie. Einen Monat später dann entdeckte die Polizei ihre kleine Tochter im 600 Kilometer entfernten Bundesstaat Abia: sie war in einer sogenannten Baby-Fabrik gelandet.

Geraubte Kinder und neu geborene Babys

Bei dieser ungewöhnlichen Art von Menschenhandel handelt es sich um Einrichtungen, in denen kriminelle nigerianische Gruppen meist Babys zum Verkauf anbieten. Ob es sich um geraubte Kleinkinder wie in Adebiyis Fall handelt oder um frisch geborene Babys: Die Täter können mit einer hohen Nachfrage rechnen. "Der Handel mit Babys aus Nigeria boomt", hatte die Hilfsorganisation SOS-Kinderdörfer kurz vor Weihnachten gewarnt und eine schärfere strafrechtliche Verfolgung der Händler und der Käufer gefordert. Die kämen auch aus Europa.

"Menschenhändler vermitteln die Säuglinge nach der Geburt an kinderlose Paare aus der ganzen Welt", betonte Erhumwunse Eghosa, Leiter der Hilfsorganisation in Nigeria. Die meisten Babys würden zum Zweck illegaler Adoption gehandelt, es gebe aber auch Kindersklaverei, sexuellen Missbrauch und Organhandel.

Polizei in Nigeria befreit Schwangere und Säuglinge

Die Polizei des westafrikanischen Landes hatte erst im Oktober in der Wirtschaftsmetropole 19 schwangere Frauen und vier Babys aus den Händen solcher Menschenhändler gerettet. Die meisten jungen Frauen wurden aus dem armen Ostteil des Landes mit dem Versprechen auf Arbeit in die Großstadt gelockt, gekidnappt und geschwängert, um die frisch geborenen Babys dann zu verkaufen. 500.000 Naira – umgerechnet etwa 1245 Euro – kostete ein kleiner Junge, erklärt Lagos Polizeisprecher Bala Elkana. Weibliche Babys gab es dagegen schon ab 300.000 Naira.

Bei den jungen Frauen handelt es sich oft um schwangere Teenager, die von ihren Familien verstoßen wurden und die somit verwundbar sind. Nach Berichten von entkommenen Opfern wurden sie auch nach dem Verkauf ihrer Babys nicht freigelassen, sondern in heruntergekommenen Gebäuden so lange zum Sex gezwungen, bis sie erneut schwanger waren. Wie viele solcher Baby-Fabriken im Lande existieren, ist unklar. "Weil sie im Untergrund tätig sind, ist eine Schätzung ihrer Zahl sehr schwierig", sagt Arinze Orakwue von der Nationalen Agentur für das Verbot von Menschenhandel der Nachrichtenagentur DPA.

Süden Nigerias ist Hotspot des Kinderhandels

Die meisten der bisher entdeckten Baby-Fabriken befinden sich laut SOS Kinderdörfer in Südnigeria, wo seit 2006 knapp 300 Frauen befreit wurden. "Allerdings ist der Handel mit Babys nicht allein auf Nigeria beschränkt, auch aus dem Tschad, Ägypten, Äthiopien, Ghana, Kenia, Liberia, Sierra Leone, Südafrika und Uganda wurden Fälle gemeldet", so die Hilfsorganisation.

Käufer sind oft kinderlose Paare. Potenziellen "Kundinnen" wird häufig eine Substanz verabreicht, die den Bauch aufblähen und so eine Schwangerschaft vortäuschen. Der soziale Druck auf verheiratete Frauen, Kinder zu gebären, befeuert das Geschäft der Menschenhändler. "Nach unserem gesellschaftlichen Gefühl ist eine Heirat nicht erfolgreich, solange ein Paar keine Kinder hat; viele versuchen daher unter allen Umständen, Kinder zu bekommen", sagt die nigerianische Kinderrechts-Aktivistin Betty Abah. Da legale Adoptionen jedoch sehr bürokratisch und zeitaufwendig sind, greifen viele Paare auf das Angebot der Menschenhändler-Banden zurück.

Kleines entführtes Mädchen sollte wohl ins Ausland verkauft werden

Mary Ikoku ist Teil einer Kampagne gegen die Baby-Fabriken in ihrer Heimat. Nach ihren Erkenntnissen gibt es bisher keine gesicherten Erkenntnisse darüber, dass alle verkauften Babys in der Hand von kinderlosen Paaren landen. Einige gelangen wohl auch in die Hände von Pädophilen oder okkulten Zirkeln oder landen im Ausland. Das wäre auch das Schicksal der kleinen Tochter von Adebiyi gewesen, die innerhalb eines Monats viermal weiterverkauft worden war. Es habe bereits Pläne gegeben, sie außer Landes zu bringen, berichtet ihre Mutter.

Quellen: DPA, Pressemitteilung SOS-Kinderdörfer

anb DPA

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