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Landkreis Calw rechnet Corona-Zahlen schön – und macht auf


"Rechtlich schon sehr seltsam"
Irritation über neue Corona-Regeln in Baden-Württemberg


Aktualisiert am 10.03.2021Lesedauer: 2 Min.
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Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne): "Diffusität des Infektionsgeschehens berücksichtigen".Vergrößern des Bildes
Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne): "Diffusität des Infektionsgeschehens berücksichtigen". (Quelle: Sebastian Gollnow/dpa)

Im Landkreis Calw fiel die Corona-Inzidenz an einem Tag von 55 auf 39, nach einer "Bereinigung der Infektionszahlen". Die Behörden berufen sich auf neue Regeln im Land – und machen weit auf.

Ein gemeinsames Vorgehen der Landesregierungen scheint auch nach dem jüngsten Corona-Gipfel nicht in Sicht. Zuerst ist Brandenburg ausgeschert und will die "Notbremse" erst bei 200 statt bei 100 Fällen pro Woche und 100.000 Einwohnern ziehen, wie am 3. März verabredet. Jetzt irritiert Baden-Württemberg – mit einer Art Blankoscheck für lokale Öffnungen.

"Bei der Bewertung der Inzidenzwerte kann das Gesundheitsamt die Diffusität des Infektionsgeschehens angemessen berücksichtigen", heißt es in der jüngsten Corona-Verordnung des Landes. Mit anderen Worten: Die Gesundheitsämter in Baden-Württemberg müssen nicht mehr jeden Corona-Fall einzeln zählen. In den Beschlüssen des Corona-Gipfels vom 3. März ist davon keine Rede. Was der Satz konkret bedeutet, zeigt sich im Landkreis Calw.

Rechnet der Kreis Calw die Corona-Zahlen "schön"?

Dort lag die Zahl der wöchentlichen Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner am Montag bei 55,1 – zu hoch für weitgehende Öffnungen im Einzelhandel. Nach einer "Bereinigung der Infektionszahlen" meldete die Kreisverwaltung am Dienstag nur noch eine Inzidenz von 39 – und ließ Öffnungen zu, die laut der gemeinsamen Beschlüsse erst bei einer dauerhaften Inzidenz von unter 50 möglich wären. "Das Infektionsgeschehen im Landkreis ist in maßgeblichen Teilen eingrenzbar und somit nicht diffus", heißt es in der Mitteilung. Hat die Kreisverwaltung die Zahlen also "schöngerechnet"?

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"Wenn das Gesundheitsamt die Infektionskette bei einem lokalen Ausbruch klar abgrenzen kann, zählt der gesamte Cluster als ein Fall", erklärt Kreissprecherin Janina Müssle auf t-online-Nachfrage. "Wir haben uns fachlich eng mit dem Gesundheitsamt abgesprochen und berufen uns auf die neue Corona-Verordnung des Landes." Aber lässt sich ein Corona-Ausbruch klar abgrenzen? "Es kann natürlich passieren, dass Menschen falsche Angaben machen oder eine verordnete Quarantäne nicht einhalten", sagt Müssle. "Aber das sind dann Rechtsbrüche. Wir haben die Entscheidung nicht willkürlich oder leichtfertig getroffen und bewerten die Lage jeden Tag neu."

Schlechtes Beispiel Kreis Segeberg

"Das ist rechtlich schon sehr seltsam", schreibt auf Twitter der Jurist Peter Nagel zum Vorgehen der Kreisverwaltung in Calw. "Da versucht die Verwaltung tatsächlich, rechnerisch eindeutige Ergebnisse nachträglich zu korrigieren. Das wird nicht halten." Riskant sei das Vorgehen auf jeden Fall, mahnen auch die Datenexperten der Initiative "Risklayer" und verweisen auf den Landkreis Segeberg in Schleswig-Holstein.

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Bei einem Corona-Ausbruch in einem Seniorenheim im Oktober ging die Verwaltung dort ähnlich vor: Das Gesundheitsamt stufte das Infektionsgeschehen in dem Heim als "gut eingrenzbares Ereignis" ein und rechnete die Fälle aus der Inzidenz heraus. "In dem Pflegeheim sind mehrere Menschen gestorben", schreibt "Risklayer" auf Twitter. "Es kam in den darauffolgenden Wochen zu weiteren Ausbrüchen in der Umgebung."

Auf Nachfrage von t-online, wie der Satz mit der "Diffusität des Infektionsgeschehens" in die Verordnung kam, erklärte die Landesregierung in Stuttgart: "Regelungen, die den Behörden eine flexiblere Handhabe im Hinblick auf Infektionsgeschehen in den Stadt- und Landkreisen ermöglichen, bleiben den Ländern unbenommen, da die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz rechtlich nicht bindend sind."

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