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Urlaubsfahrt in den Tod

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Truus (61) und Harry Langendonk (63) wurden 1997 im Chiemgau ermordet.
Truus (61) und Harry Langendonk (63) wurden 1997 im Chiemgau ermordet. © Polizei

München - Mit diesem Fahrgast stimmte etwas nicht – dieses Gefühl wurde der Taxifahrer auf der ganzen, 350 Kilometer langen Fahrt von Nürnberg in den Chiemgau nicht mehr los.

Dieser Bulgare wurde damals als Zeuge gesucht, er war in Tatortnähe.
Dieser Bulgare wurde damals als Zeuge gesucht, er war in Tatortnähe. © Polizei

Zwar trug der Fremde Anzug und Krawatte. Doch er roch so abstoßend nach Schweiß, dass es den Taxler grauste. Und außerdem hatte er unsäglich schmutzige Fingernägel. Weit nach Mitternacht war der schweigsame Fremde in jener Nacht zum 8. Juni 1997 am Nürnberger Hauptbahnhof zugestiegen. Erst wollte er nach München gebracht werden. Dann aber änderte er seine Reisepläne und ließ sich um 5.10 Uhr auf der Bundesstraße 304 bei Matzing (Kreis Traunstein) absetzen. Er zahlte anstandslos den Preis von knapp 500 Mark – allerdings in französischen Francs und österreichischen Schillingen. Dann stieg er aus.

Erleichtert fuhr der Taxifahrer wieder heim. Tage später überflog er die Schlagzeilen der Nürnberger Zeitungen. Dabei traf ihn fast der Schlag: Die Polizei suchte Zeugen für einen extrem grausamen Doppelmord an einem holländischen Urlauber-Ehepaar. Truus (61) und Harry Langendonk (63) waren am Abend des 7. Juni 1997 im Chiemgau ermordet und in der selben Nacht nahe Nürnberg in ihrem eigenen Wohnmobil verbrannt worden! Der Taxifahrer wählte sofort die Nummer der ermittelnden Traunsteiner Polizei. Mit seinem Anruf kam Bewegung in die Ermittlungen eines Verbrechen, dass im Juni 1997 ganz Deutschland schockte.

Von dem Verdächtigen aus dem Taxi gibt es dieses Phantombild.
Von dem Verdächtigen aus dem Taxi gibt es dieses Phantombild. © Polizei

Die dramatische Geschichte des sympathischen Rentner-Ehepaares Langendonk beginnt am 29. Mai 1997 in der holländischen Kleinstadt Delden bei Enschede. Dort starten die beiden morgens mit ihrem Mercedes-Wohnmobil in einen mehrwöchigen Camping-Urlaub. Die beiden haben Zeit, gondeln gemütlich südwärts. Die Langendonks sind einfache Leute. Sie haben drei Töchter, leben bescheiden und sparsam und sind auf Reisen stets auf Sicherheit bedacht. Der einzig wertvollere Gegenstand an Bord ist eine antike Geige, die sie unterwegs in Mittenwald schätzen ließen.

Am 6. Juni erreichen sie den Chiemsee, sehen sich um in Prien, Übersee, Marquartstein. Das letzte Lebenszeichen der beiden ist ein Telefonat mit einer der Töchter am Samstag, den 7. Juni gegen 14.30 Uhr – also nur wenige Stunden vor ihrem Tod. Die beiden sind bester Stimmung. Sie freuen sich über das schöne Wetter und planen, über die Deutsche Alpenstraße weiterzufahren ins Berchtesgadener Land.

Am frühen Abend wird das Ehepaar zum letzten Mal lebend am Waldrand des sogenannten Litzlwalchner Hölzl bei Nußdorf nahe der B 304 gesehen. Da sitzen sie neben dem Wohnmobil in ihren Campingstühlen und genießen die Abendstimmung. Gegen 18 Uhr hören zwei Zeugen unabhängig voneinander Schüsse und Schreie, wissen aber nicht so genau, was sie davon halten sollen. Um 20 Uhr sieht ein weiterer Zeuge das Wohnmobil aus dem Waldweg auf die Bundesstraße einfahren. Danach verliert sich die Spur.

Fast fünf Stunden später rufen mehrere Autofahrer die Nürnberger Feuerwehr an. Auf dem Waldparkplatz zwischen Nürnberg-Altenfurt und Feucht steht gegen 1 Uhr ein Wohnmobil in hellen Flammen. Ganz in der Nähe des Brandorts steigt um 2 Uhr früh ein Mann in ein Taxi und lässt sich zum Nürnberger Bahnhof fahren. Dort steigt er in ein anderes Taxi um, mit dem er dann in den Chiemgau fährt …

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Nach den Löscharbeiten machen Feuerwehrleute eine schockierende Entdeckung. Im Brandschutt liegen zwei bis zur Unkenntlichkeit verkohlte, achtlos übereinander geworfene Leichen. Die Rechtsmediziner stellen später fest: Die beiden wurden erschossen! Truus Langendonk starb an einem Schuss in die Brust. Ihren Mann trafen drei Projektile, eines davon in den Kopf. Der Mörder hat beiden zusätzlich die Kehlen durchgeschnitten – ein unvorstellbarer Gewaltexzess.

Im Litzlwalchener Hölzl werden später Projektile und Hülsen gefunden. Damit wird die Tatwaffe bestimmt: Eine Tokarew-Pistole, Kaliber 7.62. Diese Waffe wird in Osteuropa von Armee und Polizei verwendet. Die Munition stammt aus bulgarischer, bzw. jugoslawischer Fertigung.

Nach Sichtung aller Fakten weist vieles darauf hin, dass die Langendonks einem Raubüberfall zum Opfer fielen. Dafür spricht, dass im Wohnmobil kein Pfennig Geld und kein einziges Schmuckstück gefunden wurde. Der Täter war offenbar nur auf schnelles Geld aus. Denn die Geige rührte er nicht an. Verkohlte Teile des Instruments wurden im Wohnwagen gefunden.

Im fernen Delden pflegen drei Schwestern seither das Grab ihrer Eltern – der einzige Ort, an dem sie ihnen noch nahe sein können. Die Töchter haben bereits vor elf Jahren den größten Teil der Belohnung von insgesamt 51 129 Euro auf den Mörder ihrer Eltern ausgesetzt – bis heute ohne Erfolg.

Quelle: tz

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