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Mountainbike: Wann ist ein Weg „geeignet“?

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Eine Frage der Fahrtechnik: Wenn jemand sein Mountainbike perfekt beherrscht und er jederzeit abbremsen kann – warum sollte dann auch ein rumpliger Weg wie dieser nicht geeignet zum Befahren sein? © Ale di Lullo / Ion

Schließen Naturnutzung und Naturschutz sich gegenseitig aus? Dieses Konfliktthema flammt immer wieder auf. Besonders, wenn sich unterschiedliche Interessensgruppen im gleichen Terrain bewegen.

Aktuell im Fokus stehen die Mountainbiker – deren Rechte wurden durch ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs heuer enorm gestärkt.

Nein, es war keine Fatamorgana. Neulich, am Strand von Innamorata auf der Mittelmeerinsel Elba: Verdutzt

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Mit dem Boot geht’s zum Ausgangspunkt, auf Tour sind auch schmale Wege extra für Radfahrer ausgeschildert. © Martin Becker

beobachten die Badegäste, wie ein Schiff in der Bucht ankert, Mountainbikes in ein Motorboot verladen und diese samt Fahrern ans Ufer transportiert werden. Der Auftakt zu einer ungewöhnlichen Tour, Bike-Guide Michele hatte die Anfahrt zum Ausgangspunkt übers Meer verkürzt. Danach nahm die zwölfköpfige Gruppe die Pfade zu den ehemaligen Eisenbergwerken am Monte Calamita unter die grobstolligen Reifen. Auf manchem der als „Legend Cup“ offiziell ausgewiesenen Trails staubte es ein bisschen, das ein oder andere Steinchen flog zur Seite. Kein Problem, denn die Biker waren fast unter sich – und wenn doch mal ein Wanderer den weg kreuzte, bremsten sie halt kurz ab. Attraktive Mountainbike-Routen in herrlicher Natur: Was auf Elba ganz und gäbe ist, sorgt hierzulande immer wieder für Diskussionen. Kann und soll man schmale Pfade überhaupt mit einem Mountainbike befahren?

Mit einem im buchstäblichen Sinn wegweisenden Urteil hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in diesem Sommer die Rechte speziell von Mountainbikern gestärkt. Das wiederum versetzt auf der anderen Seite betroffene Lobbygruppen (Almbauern, Waldbesitzer, Jäger) in Sorge. Fast zeitgleich hat der Deutsche Alpenverein ein „Positionspapier Mountainbiken“ publiziert.

Die juristisch höchst komplizierte und in keinem Gesetz geregelte Kernfrage lautet: Wann ist ein Weg fürs Mountainbiken geeignet? Vor allem ums Wort „geeignet“ geht es – der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat im Fall der Marktgemeinde Ottobeuren, die im sogenannten Bannwald Wege für Radfahrer hatte sperren lassen, mit Urteil vom 3. Juli 2015 eine klare Tendenz vorgegeben.

Gerichtsurteil mit Präzedenzwirkung

Tenor, so steht es in der Überschrift der Pressemitteilung vom Verwaltungsgerichtshof: „Radfahren auf

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Unkompliziert Mountainbiken auf Elba. © Martin Becker

Waldwegen ist grundsätzlich erlaubt“. Im aktuellen Fall, der nach Einschätzung der Deutschen Initiative Mountainbike (DIMB) bundesweit Präzedenzwirkung hat, ging es um ein Radfahrverbot der Marktgemeinde zum Schutz von Fußgängern. Dieses Verbot sei nicht gerechtfertigt, urteilte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof: Ein entsprechende Gefahrenlage, die auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen sei, liege nicht vor. Überdies sei das Radfahren in freier Natur von der Bayerischen Verfassung geschützt, soweit es der Erholung und nicht kommerziellen oder rein sportlichen Zwecken diene und soweit die Radfahrer mit Natur und Landschaft pfleglich umgingen. Wichtiger Zusatz: Auch schmalere Wege seien bei angepasster Fahrweise weder zum Radfahren von vornherein ungeeignet noch bestehe auf ihnen stets eine erhöhte Gefahrenlage für Fußgänger. „Aus Sicht unseres Sports ist das von großer Bedeutung“, wertet Helmut Klawitter, Rechtsexperte der DIMB, das seit Mitte August rechtskräftige Urteil.

Florian Weishäupl, Leiter der DIMB-Geschäftsstelle in Haar bei München, sieht im aktuellen Urteil „einen schönen Ball, den wir zugespielt bekommen haben“. Zugleich betont er, dass es der Mountainbikeszene um ein friedliches Miteinander gehe: „Unsere Philosophie ist, gemeinsam mit Wanderern auf Wegen in der Natur unterwegs zu sein. Wenn dem allerdings der Naturschutz entgegensteht, hat dort kein Mensch etwas verloren, egal ob mit oder ohne Rad.“

Alpenverein erstellt ein Positionspapier

Parallel zur präjudizierenden Entwicklung in Ottobeuren hat der Deutsche Alpenverein ein „Positionspapier Mountainbike“ erarbeitet. In seinen Grundpositionen hebt der Alpenverein die „vielfältigen positiven Wirkungen“ des Mountainbikens hervor und appelliert zugleich an „Rücksicht auf Natur und Umwelt“. Generell setzt sich der Bergsteigerverband dafür ein, „dass Wege aller Art grundsätzlich von Wanderern und Mountainbikern gemeinsam genutzt werden können“. Der Wunsch des DAV: dass sich beide Gruppen „mit Respekt, Toleranz und Rücksicht begegnen“. Mountainbiker sollen ihre Fahrweise dem Fußgängerverkehr anpassen und im Bedarfsfall Vorrang gewähren. Von pauschalen Sperrungen und Verboten (wie in Ottobeuren) hält der Alpenverein nichts – wenn eine Lenkung notwendig werde, sei „differenzierten Lösungen“ der Vorzug zu geben. Schon beim Skitourengehen und Sportklettern hat der Alpenverein vielerorts Kompromisse ausgehandelt.

Nichtsdestotrotz bleiben Reibungspunkte. Dann, wenn unterschiedliche Interessensgruppen aufeinandertreffen. So gehe es auch um Belange des Wegeerhalts für die Jagd sowie von Forst-, Land- und Almwirtschaft. Oder eben um die Wanderer.

Das typische Szenario: Ein Mountainbiker fährt einen Trail hinunter und trifft auf einen Bergwanderer, der derlei Wege für unfahrbar hält. Jenseits objektiver Kriterien (dazu gleich mehr) entscheiden oft emotionale Nuancen, wie die Begegnung verläuft. „Zumal der Mountainbiker, wenn er mit Protektoren gepflastert ist, wie ein Ritter wirkt – da sträuben sich bei manchem Wanderer die Nackenhaare“, weiß Florian Weishäupl von der DIMB. Sein Tipp: „Abbremsen, sich zurücknehmen, freundlich grüßen. Der andere soll sich gut fühlen und denken: "Das war aber eine sympathische Bekanntschaft!""

Objektiv schwierig zu beurteilen bleibt die Frage, wann ein Weg „geeignet“ ist zum Mountainbiken. Der Alpenverein sieht es so: „Die Eignung der Wege für das Mountainbiken orientiert sich an den Umständen des Einzelfalls und lässt sich aus Sicht des DAV nicht mit einer festen Wegebreite definieren. Ausschlaggebend ist eine Reihe von Faktoren, wie etwa die Beschaffenheit des Untergrunds, die Stärke der Frequentierung durch andere Naturnutzer zum jeweiligen Zeitpunkt und auch das fahrtechnische Können.“

Weishäupl wertet das DAV-Positionspapier als „guten Vorschlag“. Auch dem Fachmann von der Mountainbike-Initiative ist bewusst: Das Wort „geeignet“ lässt sich in diesem Kontext kaum fassen. Eine wichtige Rolle spiele das fahrtechnische Können des Einzelnen: „Wenn jemand sein Rad absolut sicher beherrscht und er jederzeit abbremsen kann, warum sollte ein Weg dann nicht geeignet sein?“

Im Kern sind sich DIMB und Alpenverein einig: Rücksicht auf den Schwächeren nehmen (aufgrund der Konstellation ist das meist der Fußgänger), respektvoll miteinander umgehen. Auch umgekehrt. Für ein gutes Miteinander sei es wichtig, „dass alle Naturnutzer die Bedürfnisse und Belange der anderen Seite wahrnehmen und respektieren“.

Neulich auf Elba. Am Ende der Tour gibt’s tatsächlich Gegenverkehr. Die Mountainbikergruppe bremst geschlossen, grüßt höflich die Wanderer. Die wiederum bitten, die Fahrt doch fortzusetzen – das sei ein schönes Fotomotiv. Buon giorno!

Von Martin Becker

Sechs unverzichtbare Regeln

Die Deutsche Initiative Mountainbike rät dazu,sich an ihre sechs sogenannten Trail-Rules zu halten:

1. Fahre nur auf Wegen! Fahre nie querfeldein, du schädigst sonst die Natur! Respektiere lokale Wegesperrungen! Forstwirtschaft, Viehtrieb und Belange des Naturschutzes rechtfertigen dies. Auch in Naherholungsgebieten können lokale Sperrungen berechtigt sein. Die Art und Weise in der du fährst bestimmt das Handeln der Behörden und Verwaltungen. Auf Privatgrund bist du oft nur geduldet! 

2. Hinterlasse keine Spuren! Bremse nicht mit blockierenden Rädern! (Ausnahme in Notsituationen) Blockierbremsungen begünstigen die Bodenerosion und verursachen Wegeschäden. Stelle deine Fahrweise auf den Untergrund und die Wegebeschaffenheit ein. Nicht jeder Weg verträgt jedes Bremsmanöver und jede Fahrweise.

3. Halte dein Mountainbike unter Kontrolle! Unachtsamkeit, auch nur für wenige Sekunden, kann einen Unfall verursachen. Passe deine Geschwindigkeit der jeweiligen Situation an. In nicht einsehbaren Passagen können jederzeit Fußgänger, Hindernisse oder anderer Biker auftauchen. Du musst in Sichtweite anhalten können! Zu deiner eigenen Sicherheit und derer anderer Menschen. 

4. Respektiere andere Naturnutzer! Kündige deine Vorbeifahrt frühzeitig an. Erschrecke keine anderen Wegenutzer! Vermindere deine Geschwindigkeit beim Passieren auf Schrittgeschwindigkeit oder halte an. Bedenke, dass andere Wegenutzer dich zu spät wahrnehmen können. Fahre, wenn möglich, nur in kleinen Gruppen!

5. Nimm Rücksicht auf Tiere! Weidetiere und alle anderen Tiere in Wald und Flur bedürfen besonderer Rücksichtnahme! Schließe Weidezäune, nachdem du sie passiert hast. Verlasse rechtzeitig zur Dämmerung den Wald, um die Tiere bei ihrer Nahrungsaufnahme nicht zu stören.

6. Plane im Voraus! Beginne deine Tour möglichst direkt vor deiner Haustüre. Prüfe deine Ausrüstung, schätze deine Fähigkeiten richtig ein und wähle die Gegend, in der du fahren willst, entsprechend aus. Schlechtes Wetter oder eine Panne kann deine Tour deutlich verlängern. Sei auch für unvorhersehbare Situationen gerüstet: Denke an Werkzeug, Proviant und Erste-Hilfe-Set. Trage eine Sicherheitsausrüstung! Ein Helm kann schützen, ist aber keine Lebensversicherung.

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