Grasberg. In die Grasberger Geschichte könnte 2020 als das Jahr der Straßenbäume eingehen. Der Handlungsstränge gab es zwei: Wie berichtet ließ die Gemeinde im Februar 35 Bäume im Wiesendamm fällen, und es gab Massenfällungen als Folge des Breitbandausbaus an Kreis- und Gemeindestraßen in der Kommune. Nachbarn protestierten, Baumgutachter inspizierten, der Gemeinderat diskutierte. Erste Bäume wurden bereits nachgepflanzt. Weitere Nachpflanzungen sollen im Herbst 2021 folgen.
Als die Grasberger Verwaltung im Februar 35 Bäume mit Verweis auf die Sicherheit fällen ließ, zeigten sich nicht alle Anwohner begeistert. Der Allee-Charakter der Straße sei mit den Bäumen verschwunden, hieß es, einige fühlten sich von der Fällung überrumpelt. Umso enger wurden die Wiesendammer seitens der Gemeinde in die anschließenden Gespräche zu den Nachpflanzungen einbezogen. Das Thema wurde sowohl im Bau- und Planungsausschuss als auch im Gemeinderat diskutiert. Man einigte sich darauf, dass bezüglich der Standorte und Baumarten im Sinne nachhaltiger Nachpflanzungen der Grasberger Garten- und Landschaftsbauer Karl Hannig Kommune und Anwohner beraten sollte.
Das Ergebnis nach Hannigs Ortstermin: Ein Straßenbaum braucht mindestens zwei Meter Abstand zur Straßenkante. Im Wiesendamm sei dies an keiner Stelle gegeben, sagte Bürgermeisterin Marion Schorfmann seinerzeit auf Nachfrage der WÜMME-ZEITUNG. Der Alternativvorschlag der Gemeinde lautete daher, Bäume auf privatem Grund nachzupflanzen. Einige Anwohner nahmen das Angebot an. Alle Ersatzbäume, die am Wiesendamm nicht untergebracht werden können, sollen 2021 an einer Fläche am Weg Zum Ützenbarg nahe der Wörpe platziert werden.
Eine größere Dimension der Baumfällungen sollte bald darauf der Breitbandausbau in Grasberg zur Folge haben. Fast 1300 Haushalte wurden an das Glasfasernetz angeschlossen, so der Allgemeine Stellvertreter der Bürgermeisterin, Stefan Ritthaler. Darüber spräche er lieber, aber ein „erheblicher Schatten“ liege auf dem Förderprojekt. Im Nachgang der Arbeiten wurden demnach im Huxfelder Damm 79 Bäume gefällt, in der Neu-Rautendorfer Straße sogar 157. Baumgutachter hatten festgestellt, dass deren Wurzeln durch Bagger derart beschädigt worden waren, dass die Stand- und damit Verkehrssicherheit nicht mehr gegeben war.
„Da fehlte die Überwachung“, sagt Ritthaler über die Arbeiten im Auftrag der EWE. Und: „Ich habe die Gemeinde bis dahin nicht in der Baukontroll-Verantwortung gesehen.“ Der Oldenburger Kommunikationsanbieter EWE habe die Kabel in Grasberg im Auftrag des Landkreises verlegt. Dass das funktioniere, darauf habe sich die Gemeinde verlassen. Künftig werde Grasberg dies nicht mehr tun, sondern selbst „proaktiv“ derartige Arbeiten überwachen.
Neue Birken gepflanzt
Binnen weniger Tage waren die Bäume in Huxfeld und Rautendorf ramponiert worden – von einem Subunternehmer des Subunternehmers des Subunternehmers der EWE. Seinerzeit habe die Grasberger Verwaltung nicht gewusst, wann wo gebuddelt wurde, so Ritthaler. Dieser Ablauf sei nun geändert worden. Jetzt werde von der EWE immer freitags avisiert, wo in der Folgewoche gearbeitet werde. Den beschädigten Bäumen hilft das nicht mehr. Sie wurden von zwei öffentlich bestellten Sachverständigen begutachtet, bezahlt haben das die EWE und ihre Subunternehmer, sagt Ritthaler.
An der Huxfelder Straße (K25) wurden bereits 150 Birken neu gepflanzt, teilt der Landkreis Osterholz auf Nachfrage mit. Die Begutachtung der Wurzelschäden in der Rautendorfer Straße soll Anfang 2021 abgeschlossen sein. Stefan Ritthaler geht davon aus, dass es auch dort zu Fällungen kommen wird, hauptsächlich betroffen seien Birken, aber auch massive Eichen und Linden.
Ein regionales Unternehmen fälle die Bäume im Auftrag der EWE und ihres Subunternehmers, diese bezahlen auch die Nachpflanzungen. Ritthaler spricht von einem zwischen den Firmen und der Gemeinde ausgehandelten „groben Schadensersatzmodell“, die EWE habe sich bei der Abwicklung „große Mühe“ gegeben.
Demnach erhalte Grasberg für jeden gefällten Baum 1,8 neue Straßenbäume mit jeweils rund 14 Zentimeter Stammumfang, dreimal verpflanzt und aus vergleichbaren regionalen Klimaverhältnissen. „Außerdem konnte eine fünfjährige Anwuchsgarantie mit eingehandelt werden, was bei den Klimaveränderungen der letzten Jahre eine zwingende Voraussetzung für die Einigung war", sagt Ritthaler. Die Ersatzbäume werden in den betroffenen Straßen nicht an die Stellen ihrer Vorgänger gepflanzt werden können, weil sich im Boden deren alte Wurzel befinden. Mitunter ergäben die Standorte aus heutiger Sicht auch keinen Sinn mehr, weil der Abstand zu Straße und Graben nur sehr gering sei oder weil benachbarte große Bäume einer eventuellen Nachpflanzung jede Chance auf Entwicklung nähmen, so Ritthaler. „Das ist keine Normalität“, kommentiert EWE-Sprecher Mathias Radowski die Grasberger Breitband-Baumschäden gegenüber der WÜMME-ZEITUNG. Das Unternehmen wolle seine Vertragspartner „weiter sensibilisieren, dass so etwas nicht noch einmal vorkommt“.
Baumbegutachtung
Die Gutachter haben sich einige repräsentative Bäume - etwa 15 Prozent der Gesamtzahl - herausgesucht. Das Erdreich um die Glasfaserkabel wurde dann entlang dieser Bäume auf rund fünf Meter Länge aufgegraben. Anschließend sei es möglich gewesen, die zahlreichen Wurzeln des Baumes anzuschauen und eventuelle Abrisse festzustellen, erklärt Stefan Ritthaler von der Gemeinde Grasberg. Für die Beweissicherung sei von Vorteil gewesen, dass die damals eingesetzten Baufirmen die abgerissenen Wurzeln wieder zurück in den Kabelgraben gelegt hatten. Bäume mit einer Beeinträchtigung der Standsicherung von über 30 Prozent müssten laut Empfehlung der Sachverständigen gefällt werden.
Für Bäume mit einer Standsicherheitsbeeinträchtigung von 15 bis 30 Prozent habe man sich ebenfalls auf eine Fällung verständigt. Die Alternative - massiver Kronenrückschnitt, Wurzelfreilegung zur Schadensdokumentation sowie jährliche Wurzelkontrollen - hätte einen „erheblichen organisatorischen, langfristigen und finanziellen Aufwand“ bedeutet, dessen Erfolg erst nach fünf bis zehn Jahren absehbar gewesen wäre, so Ritthaler.