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Im Interview: Vorsitzende Lisa Kück "Grasbergs Jugendparlament hat keine Zukunft"

Lisa Kück ist Vorsitzende des Grasberger Jugendparlaments. Das Gremium hat in ihren Augen keine Zukunft mehr, ihre Bilanz fällt ernüchternd aus. Sie spricht sich für das Ende aus.
04.01.2022, 20:00 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Von Irene Niehaus

Frau Kück, Sie sind seit zwei Jahren Vorsitzende des Grasberger Jugendparlaments. Wie geht es Ihnen in Ihrem Amt?

Lisa Kück: Sagen wir so, selbst wenn ich mich neu aufstellen lassen könnte, würde ich dies nicht tun. Klar gab es eine Zeit, in der es Spaß gemacht hat, mitzuwirken, doch die ist längst verblüht.

Wie meinen Sie das?

Das Jugendparlament hat für mich keine Zukunft, so wie es derzeit „funktioniert“ wird es bei den neuen Wahlen im Winter 2022 scheitern.

Es galt doch lange Zeit als ambitionierte Plattform für Jugendliche?

Es funktioniert nicht mehr. Das zeigte sich schon bei der letzten Wahl. Da gab es nur wenige Bewerber und eine geringe Wahlbeteiligung. Auch für die nächste Wahl wird es schwer werden, Jugendliche zu motivieren, sich aufstellen zu lassen. Das hat mit Corona wenig zu tun.

Was sind die Gründe?

Das Jugendparlament hat lange von den Schülern der Findorffschule Grasberg gelebt, seitdem diese geschlossen ist, ist es schwerer, die Jugendlichen aus Grasberg zu erreichen. Zudem sind viele Jugendliche in Vereinen oder in der Kirchenarbeit aktiv und haben keine Zeit mehr für etwas anderes. Ein weiterer Punkt ist, dass kaum jemand in Grasberg das Jugendparlament kennt.

Liegt es auch daran, dass sich nur wenige Jugendliche für Kommunalpolitik interessieren?

Das kann gut sein. Jugendliche wollen sich engagieren, aber die parlamentarische Form mit den ganzen Formalien schreckt sie ab, also Anträge stellen, Protokoll führen, geleitete Sitzungen. Welche Zwölfjährige wissen schon, wie man Anträge stellt? Vieles, was Jugendliche interessiert, hat nichts mit Politik zu tun, auch ich habe eigentlich mit Politik nichts am Hut.

Das jetzige Jugendparlament hat doch noch genug Bewerber zusammenbekommen.

Schon, aber erst nach dem zweiten Anlauf, zudem weiß ich nicht, warum manche überhaupt in dem Gremium sitzen. Sie steuern nichts oder wenig bei oder fehlen unentschuldigt. Mir kommt es vor, als hätten von den neun Mitgliedern nur drei Leute Lust, etwas zu verändern. Ich war deshalb lange Zeit ziemlich verärgert und frustriert, mittlerweile ist es mir ziemlich egal. Ich bin einfach froh, wenn meine Amtszeit Ende 2022 vorbei ist. Es kostet zu viel Energie und Kraft, mit nur wenigen Leuten etwas zu organisieren.

Wie soll es weitergehen mit dem Jugendparlament?

Ich bin dafür, es aufzulösen. Die Gemeinde sollte eine andere Form wählen, um junge Grasberger einzubinden.

Was schwebt Ihnen vor?

Ein Jugendforum. Es ist eine Art Tagung. An einem oder zwei Tagen im Jahr werden alle Jugendlichen von der Gemeinde eingeladen, ihre Anliegen und Ideen vorzubringen. Mit dabei sind dann Politiker und die Verwaltung. Gemeinsam wird nach Lösungs- und gegebenenfalls nach Umsetzungsmöglichkeiten gesucht, auch entstehen kleine Projektgruppen. Auf diese Form der Beteiligung haben die Jugendlichen mehr Lust als auf ein Parlament, schon der Begriff schreckt viele ab. Das Forum spricht mehr Jugendliche an, die wirklich engagiert sind und hinter ihrem Ziel stehen.

Was konnte das Jugendparlament bislang bewirken?

Es hat politisch ja nur begrenzt Einfluss. Es kann Empfehlungen aussprechen und dem Gemeinderat über Anträge Themen nahelegen, bei der Umsetzung scheiterte es dann aber.

Woran denken Sie?

Wir hatten zum Beispiel einen Antrag gestellt für einen neuen Standort des Jugendzentrums, weil die bisherigen Räumlichkeiten nicht ideal sind. Das Thema wurde dann vertagt. Wir wissen, dass vieles nicht von heute auf morgen geht, dennoch erscheint uns vieles zu langsam. Vielleicht liegt es aber auch an der Corona-Pandemie.

Meinen Sie, dass sich die Gemeinde vom Jugendparlament verabschieden wird?

Ich weiß es nicht, es wird den Politikern sicher schwerfallen. Sie verbinden mit ihm ja auch die Hoffnung, junge Leute für die Lokalpolitik zu gewinnen. Und die Gemeinde schmückt sich damit, ein Jugendparlament zu haben.

Hatten Sie genug Unterstützung von der Gemeinde?

Wir haben jemanden in der Verwaltung, der für uns da ist, vielleicht wäre aber manchmal mehr Hilfe notwendig gewesen, zum Beispiel bei Antragstellungen. Der neue Gemeinderat zeigte sich sehr interessiert an unserer Arbeit, was er daraus macht, ist schwer einzuschätzen.

Wie wichtig ist denn eine Interessenvertretung für Jugendliche?

Einerseits bringen sie als Betroffene in vielen Bereichen ihre Erfahrung ein und finden, wenn sie ihre Anliegen selbst vortragen, schneller Gehör. Andererseits ziehen immer mehr Familien in den Speckgürtel von Bremen, wozu auch Grasberg gehört. Für sie braucht man attraktive Angebote jenseits von Kirche und Vereinen, um sie in der Gemeinde halten zu können. Dafür setzen wir uns weiter ein.

Planen Sie denn als Jugendparlament noch etwas für 2022?

Ja, wir wollen im Frühjahr Jugendliche ehren, die sich in der Gemeinde engagieren. Vereine und Organisationen können Vorschläge machen, die Ehrung soll im März stattfinden. Wünschenswert wäre außerdem, wenn noch ein paar Aktionen wie ein Lasertag, Kanufahrten und Grillabende stattfinden könnten, vorausgesetzt, die Pandemie lässt es zu. Es braucht auch genug Motivation im Jugendparlament, die Veranstaltungen zu organisieren.

Zur Person

Lisa Kück (21) engagiert sich seit fünf Jahren im Grasberger Jugendparlament, seit zwei Jahren wirkt die Erzieherin als Vorsitzende.

Zur Sache

Das ist das Jugendparlament

Im Jahr 2007 beschließt der Grasberger Gemeinderat, ein Jugendparlament einzuführen, im selben Jahr nimmt das Sprachrohr der Jugendlichen seine Arbeit auf. Auf seiner Agenda ganz oben stehen damals jugendfreundliche Tarife für Bus und Bahn und eigene Räumlichkeiten für die Jugendlichen. Dem unparteiischen Parlament steht ein jährliches Budget von 1500 Euro zur Verfügung. Die neun Mitglieder werden für eine Dauer von drei Jahren gewählt. Mitmachen kann jeder Grasberger vom 12. bis zum vollendeten 21. Lebensjahr.

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