Grasberg. Während die Grasberger Gemeindeverwaltung die Planungen für ein neues Gewerbegebiet am Ortsrand vorantreibt, regt sich drumherum Widerstand. Naturschützer haben in einer Stellungnahme an den Landkreis Osterholz ihre Ablehnung des Vorhabens bekundet. Sie sehen den Hochwasserschutz im Umfeld der Wörpe beeinträchtigt, sorgen sich um die Naherholungsmöglichkeiten der Menschen in Grasberg und stellen auch ganz generell den Bedarf für ein Gewerbegebiet an dieser Stelle infrage.
Seit mehr als einem Jahr plant die Gemeinde gemeinsam mit der Schausberger-Gruppe die Schaffung der neuen Gewerbeflächen. Am Ortseingang zwischen Wörpedorfer Straße und Wörpe sollen auf rund acht Hektar neue Ansiedelungsmöglichkeiten für Unternehmen entstehen. Im Projekt mit drin ist die Verlegung des Edeka-Markts vom Kreisel in dieses Gebiet. Obwohl das Projekt bislang lediglich auf dem Papier und in den Köpfen der Planer existiert, ist die Nachfrage nach den Flächen nach Angaben von Bürgermeisterin Marion Schorfmann schon jetzt groß. Sie machte jüngst keinen Hehl daraus, dass sie an einer schnellen Umsetzung der Pläne interessiert ist, um die Interessenten nicht zu lange hinhalten zu müssen.
Erholung hat noch Vorrang
Doch zuvor muss mit den Vorgaben des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) noch ein dicker Brocken aus dem Weg geräumt werden. Das Programm sieht in dem Großteil der Wunschfläche an der Wörpedorfer Straße ein "Vorranggebiet für ruhige Erholung in Natur und Landschaft". Das Grasberger Rathaus hat daher beim Landkreis beantragt, von dieser Vorgabe abweichen zu dürfen, um das Gewerbegebiet bauen zu können. Der Landkreis Osterholz hat daraufhin die Koordinationsstelle für naturschutzfachliche Verbandsbeteiligung (KNV), in denen unter anderen der BUND oder der Nabu vertreten sind, um Stellungnahme gebeten. In einem neunseitigen Papier führen die Naturschützer nun aus, weswegen das Gewerbegebiet an dieser Stelle aus ihrer Sicht eine schlechte Idee ist.
So ginge mit der Auflösung dieses Gebiets mit Erholungswert ein für die Anwohner wichtiger Ort verloren: Das Plangebiet stelle den einzigen siedlungsfreien Raum im Umfeld des zentralen Orts Grasberg dar, der über einen Rundweg erschlossen sei und nicht von Autos befahren werde. "Dieser siedlungsnahe Bereich entlang der Wörpe wird intensiv zur Naherholung genutzt", schreibt Jutta Kemmer, die die Antwort der KNV verfasst hat. Durch den Anblick eines Gewerbegebiets wäre es mit der Naherholung in dieser Ecke Grasbergs vorbei, ergänzt sie gegenüber unserer Redaktion und bilanziert: "Es wäre eine Farce, wenn solche Vorranggebiete nicht mehr fußläufig erreichbar wären."
Hochwassergefahr macht Sorgen
Auch die Wörpe selbst ist ein Thema für die Naturschützer. Die Versiegelung mehrerer Hektar Oberfläche im Gewerbegebiet würde dazu führen, dass das Oberflächenwasser inklusive anfallender Schadstoffe in den Fluss fließt, sagt Hans-Gerhard Kulp, der das Verfahren für den Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) beobachtet. Und es gebe noch ein Problem. Das Gebiet rund um den Wiesendamm sei schon mehrfach von Überschwemmungen betroffen gewesen. Die nun geplante weitere Versiegelung bis in Flussnähe könnte die Hochwasserproblematik drastisch verschärfen.
Die Veröffentlichung der Stellungnahme darf man auch als eine Art Hilferuf der Naturschutzverbände verstehen. Denn grundsätzlich könnte der Wunsch des Grasberger Rathauses nach einer Abweichung von den Zielen der Raumordnung auch auf Verwaltungsebene beschieden werden. Für Abstimmungen im Verborgenen sind die Kritiker aber nicht zu haben, wie KNV-Vertreterin Jutta Kemmer unterstreicht: "Dieser Vorgang soll nicht ohne öffentliche Diskussion ablaufen."
Kritiker sehen keinen Bedarf
Denn die ist aus ihrer Sicht auch bislang zu kurz gekommen. So ist aus Sicht der Naturschützer noch immer nicht erkennbar, inwiefern es überhaupt einen Bedarf für Gewerbeflächen an der Wörpedorfer Straße geben soll. Denn mit dem Wörpedorfer Ring habe es bereits ein Gebiet für die weitere Gewerbeentwicklung gegeben. Die Haltung der Gemeinde, dass das Bauen dort mit Blick auf den moorigen Boden zu teuer sei, weist Jutta Kemmer zurück: Das Wohngebiet Eickedorfer Vorweiden sei schließlich auf ähnlichem Grund entstanden.
Auch der Bedarf für eine Verlegung des Edeka-Markts leuchtet den Kritikern nicht ein: "Der Wörpedorfer Ring ist für einen Verbrauchermarkt nicht der richtige Ort. So etwas gehört in die Ortsmitte", sagt Hans-Gerhard Kulp. Es gehe darum, Flächen zu sparen und den Ort nachhaltig zu entwickeln. In ihrer Stellungnahme an den Landkreis schreibt Jutta Kemmer für die Koordinationsstelle, dass der bestehende Edeka-Markt in der Nähe des Wörpedorfer Kreisels auch in der Fläche oder Höhe erweitert und mit einem Parkdeck aufgestockt werden könnte.