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Besuch in Lilienthal Kaffee mit Künast

Ein Besuch im Niels-Stensen-Haus in Worphausen und ein Kaffeetrinken mit Lilienthaler Bürgern: Von welchen Sorgen und Probleme die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast am Dienstagnachmittag erfuhr.
23.08.2022, 18:33 Uhr
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Kaffee mit Künast
Von Sandra Bischoff

Lilienthal. Dass die Auswirkungen der weltweiten Krisen mittlerweile auch im ländlichen Raum angekommen sind, wurde dem hohen Besuch aus Berlin am Dienstagnachmittag sowohl im Niels-Stensen-Haus in Worphausen als auch beim Kaffeetrinken an der Klosterstraße deutlich vor Augen geführt. Renate Künast, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, war der Einladung von Bürgermeisterkandidat Kim Fürwentsches und Mesut Ercik, dem Bewerber für den niedersächsischen Landtag, gefolgt und nach Lilienthal gekommen. Den Kontakt geknüpft hatte die Bundestagsabgeordnete Christina-Johanne Schröder, deren Wahlkreis zwar die Wesermarsch, Delmenhorst und den Landkreis Oldenburg umfasst, die aber für die Betreuung von Osterholz zuständig ist, wie sie erklärte.

Probewohnen inklusive

32 Menschen mit kognitiver und in einigen Fällen auch körperlicher Beeinträchtigung wohnen in vier Gruppen im Niels-Stensen-Haus der Stiftung Leben und Arbeiten, berichteten Heim- und Betriebsstättenleiterin Andrea Vergöhl sowie Karsten Kahlert und Nils Dreyer-Hahndrich vom Vorstand. Künast, die in den 1970er-Jahren Sozialarbeit studiert und in diesem Beruf auch gearbeitet hatte, zeigte sich beeindruckt von der Wohnform, aber auch von den angeschlossenen Betrieben wie der Utamtsi-Kaffeerösterei und der demeterzertifizierten Backstube am Mühlenberg. Rund 65 bis 70 Menschen arbeiten Andrea Vergöhl zufolge in den Werkstätten der Einrichtung. "Wie bekommt man einen Platz bei euch?", wollte Renate Künast wissen. Die Fluktuation sei niedrig, erklärte die Heimleiterin, aber wenn ein Platz frei werde, würden sich die Interessenten bewerben und kämen dann zum Probewohnen. "Es ist ja eine WG, und die Bewohner entscheiden, ob es passt."

Die ehemalige Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft hörte nicht nur zu, sondern nutzte vor allem die Gelegenheit, sich gründlich umzusehen. In der Kaffeerösterei ließ sie sich von einem Mitarbeiter erklären, wie er die verschiedenen Bohnensorten zu einer speziellen Mischung zusammenfasste, und in der Verpackungsabteilung half sie einem anderen, die Kaffeetüten mittels einer speziellen Maschine zu verschweißen. Während die Delegation mit Blick auf die Uhr versuchte, den ohnehin schon verzögerten Zeitplan nicht noch weiter auszudehnen und zum Aufbruch drängte, schien die Bundestagsabgeordnete den Kontakt zu den Menschen in der Einrichtung sichtlich zu genießen und ließ sich nur schwer zum Gehen bewegen.

Fachkräfte fehlen

Das dringlichste Problem, mit dem die gesamte Stiftung, die auch noch in Ostersode und in Quelkhorn Wohnformen unterhält, zu kämpfen habe, sei der Fachkräftemangel, erklärte Vorstand Kahlert. "Ich kann nur an alle jungen Familien appellieren, Kinder zu zeugen." Der Personalnotstand zeige sich unmittelbar, denn eigentlich sollten in dem Neubau auf dem Gelände 16 Plätze für eine Wohngruppe geschaffen werden. "Mittlerweile sind es nur noch acht, weil wir kein Personal finden", so der Vorstand. "Sie brauchen in erster Linie Zuwanderung", meinte Künast.

Mit Problemen ganz anderer Art war die Juristin im Anschluss im Lilienthaler Ortskern konfrontiert. Bei einem zwanglosen Kaffeetrinken in der Klosterstraße hatten Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, mit der Politikerin ins Gespräch zu kommen. Ein Landwirt berichtete, dass der Preis für Mineraldünger von bisher 20 Euro pro 100 Kilogramm auf nunmehr 84 Euro gestiegen sei und er nun befürchte, dass sich das Einkaufsverhalten der Verbraucher angesichts immer weiter steigender Preise ändern werde. Ein anderer kritisierte die immer neuen Hürden einer Bio-Zertifizierung und befand die Farbskala für die unterschiedlichen Haltungsformen auf tierischen Lebensmitteln für unübersichtlich. "Warum reicht nicht eine einfache Unterscheidung zwischen konventioneller Haltungsform und Bio?", wollte er wissen.

"Das ist zu wenig", widersprach Künast, denn schließlich gebe es in der konventionellen Haltung erhebliche Unterschiede. Ziel der Bundesregierung sei eine verpflichtende Kennzeichnung, "damit der Verbraucher immer sehen kann, wie das Tier gehalten wurde". Die bisherige farbliche Kennzeichnung sei ein Vorstoß des Handels, aber keine staatliche Tierwohlkennzeichnung. 

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