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Schüler und Politiker Marten König Reifeprüfungen im Doppelpack

Jetzt das Mandat, 2023 das Abitur: Der 18-jährige Gymnasiast Marten König will im Kreistag für die grüne Sache kämpfen.
31.12.2021, 08:38 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Von Michael Schön

Ritterhude. Marten König arbeitet sich in diesen Ferien an Heinrich Manns „Der Untertan“ ab. „Die größte Leseratte bin ich nicht“, bekennt der 18-jährige Ritterhuder, aber für den Deutsch-Leistungskurs zieht er das durch. Zumal ihm die Themen Politik und Geschichte näher liegen als Fantasy-Romane. Unterm Strich läuft es gut für ihn auf dem Gymnasium Ritterhude. 2023 will er Abitur machen. Das kommende Jahr wird also für Marten König, den  Zwölftklässler,  bedeutend und zukunftsweisend. Bedeutend und zukunftsweisend  wie für Marten König, den Politiker, jüngstes Mitglied des im vergangenen September gewählten Kreistages. Dort hat der Abiturient in spe seine Reifeprüfung bereits abgelegt. Und zwar erfolgreich. In der jüngsten Sitzung des Schulausschusses, berichtete die Presse, habe der neue Vorsitzende souverän durch die Tagesordnung geführt.

Fußballschuhe an den Nagel gehängt

Kreistagssitzungen, Termine mit dem Kreisvorstand der Grünen, die im 14-tägigen Rhythmus anstehenden Zusammenkünfte der Fraktionsmitglieder, dazu die Aufgaben des Vorsitzenden im Schulausschuss, die nach einer intensiven Vorbereitung verlangen, nicht gerade en passant zu erledigen. Und die Vorbereitung aufs Abi schleifen zu lassen, ist auch keine Option. Ob er der dichten Taktung dieser  Verpflichtungen vielleicht irgendwann überdrüssig werden könnte? Marten König weicht der Frage geschickt aus, indem er darauf verweist, dass er noch nicht über genügend Erfahrungen verfüge, um das beurteilen zu können. Doch es ist ihm bewusst, dass der Spagat zwischen Schule und Politik sein Leben 2022 verändern wird. "Viel Freizeit wird's nicht geben." Der frühere Fußballer der TuSG Ritterhude und des TSV Lesumstotel hat seinem Sport schon vor zwei Jahren Lebewohl gesagt, um mehr Zeit für die Politik zu haben.  Weitere Kompromisse sind unausweichlich. Bei Terminkollisionen gibt's Unterrichtsbefreiung.   

Im Tierheim ausgeholfen

Hat der Jungpolitiker  mit dem Kreistagsmandat bereits seine Berufung gefunden, schon bevor er seine schulische Laufbahn zu Ende gebracht hat?  „Irgendwas in der Politik wäre schon schön“, gibt Marten König zu, den das viele Schulterklopfen nach der erfolgreichen Wahl aber nicht übermäßig in Euphorie versetzt hat. Zumindest nicht nachhaltig.  Beruflich sei er noch nicht festgelegt, betont er, aber er wolle auf jeden Fall was „Bodenständiges“  probieren und nicht nur auf das eine Pferd setzen.  Verwaltungsstudium mit den dort vorhandenen  Optionen für eine duale Ausbildung, Studium der Politikwissenschaften oder auch das Lehramt – das sind  die Richtungen, in die es für ihn gehen könnte. 

Letztlich war es der Wunsch, sich fürs Tierwohl zu engagieren, der ihn in die Politik geführt habe, blickt Marten König zurück  Als Grundschüler hat er Spenden für bedrohte Arten gesammelt. Er half im Tierheim aus und machte sich in einer Tierarztpraxis nützlich, in dem er beispielsweise mit frisch operierten Hunden die erste Runde durch den Garten drehte. „Eine so intensive Beschäftigung mit den Tieren war mir immer sehr wichtig.“ Folgerichtig lehnt er beispielsweise Massentierhaltung schon aus ethischen Gründen  ab. Der geweitete Blick auf die verhängnisvollen Auswirkungen industrieller  Fleischproduktion auf die Umwelt kam später. Die Eltern, Vater Jochen, Ingenieur, Mutter Tanja, Lehrerin, hätten ihn nicht politisiert, so der zwei Jahre ältere von zwei Söhnen. „Aber sie denken schon in dieselbe Richtung. Bei uns wird viel über Umweltthemen geredet.“ Inzwischen stehen im Haushalt der Königs nur noch vegetarische Gerichte auf dem Speisezettel. Allein Haushündin Mara, eine Mischung aus Terrier und Havaneser, geht bei der Ernährungsumstellung nicht mit. Es braucht dann auch einige  fleischliche Vorschuss-Belohnungshäppchen, damit sie sich – fürs Fotomotiv – zum bereits auf dem Sofa sitzenden Herrchen gesellt.

Begegnung mit Cem Özdemir

Marten König hat auch noch bei Müllsammelaktionen mitgemischt und die heimische Flora von unerwünschten Invasoren befreit, ehe er vor zwei Jahren mit Gesinnungsgenossen wie Moritz Rauch, der inzwischen erfolgreich für den Gemeinderat kandidierte, in Ritterhude die Grüne Jugend gründete. Den entscheidenden Förderimpuls erhielt der Newcomer indes von Wolfgang Goltsche. Der Sprecher der Grünen-Fraktion im Ritterhuder Gemeinderat  lud den Schüler vor einigen Jahren ein, mit ihm nach Hannover zu fahren, um dort bei einer größeren Veranstaltung mit Cem Özdemir ins Gespräch zu kommen, der damals noch Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen war. Und einen starken Eindruck auf den jungen Ritterhuder machte. Der inzwischen zum Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft im Kabinett Scholz avancierte Schwabe habe sich sehr aufgeschlossen gezeigt. „Obwohl er offensichtlich unter Zeitdruck stand, war er  sehr freundlich und um Augenhöhe bemüht.“

Talent zur freie Rede

Zweifellos hat Marten König ein Talent dafür, seine Botschaften in druckreif formulierten Sätzen an den Mann zu bringen. Das aber unaufdringlich und unprätentiös. In Hannover hat er ein Seminar der Heinrich-Böll-Stiftung besucht, um sich "Ähms" und andere Fülllautewörter und Stammelsilben abzugewöhnen und an seiner Körpersprache zu feilen. Davon abgesehen kommt er auch mit Bordmitteln gut rüber. Er interessiert sich für Mode. "Kombination von Farben, die Zusammensetzung von Kleidungsstücken - das äußere Erscheinungsbild hat ja auch immer eine Aussage."

Am Mittwoch gab es bei den Königs Flammkuchen zum Mittagstisch. Was in diesen Tagen fast zwangsläufig zum Thema Cem Özdemir führt, der für seine Forderung nach angemessenen Preisen für Lebensmittel viel Kritik hat einstecken müssen. Marten König hat dafür wenig Verständnis. "Ich habe mir den Koalitionsvertrag durchgelesen und bin von der Strategie der Grünen weiterhin überzeugt, auch was die Besetzung der Ministerien angeht." Und zu den Fleischpreisen hat er eine klare Haltung. "Die Großeltern und Urgroßeltern haben vornehmlich an Sonn- und Feiertagen Fleisch gegessen. Wäre das auch heute noch üblich, müssten wir über die Agrarwirtschaft nicht so diskutieren, wie es gerade  geschieht." 

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