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Strategien gegen Klimawandel Energiesparpotentiale sind gigantisch

Die Energiesparpotentiale sind auch im Landkreis Osterholz gigantisch, das war die mit Abstand beste Botschaft, die zwei Vertreter von Scientists For Future zum Neujahrsempfang der Kreisgrünen mitbrachten.
30.01.2023, 18:00 Uhr
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Von Jörn Hildebrandt

Ritterhude. „Mit Corona, Klimawandel, Artensterben und Ukraine-Krieg sind wir mit Krisen konfrontiert, die wir alle im Alltag zu spüren bekommen“, sagt Wolfgang Goltsche, Sprecher des Kreisvorstands Osterholz vom Bündnis 90/Die Grünen. Nach drei Jahren Coronapause fand im Hammeforum in Ritterhude erstmals wieder der Neujahrsempfang der Kreisgrünen statt, bei dem das Thema Klimawandel im Mittelpunkt stand. Als Referenten waren die Wissenschaftler Markus Brede und Gema Martinez-Méndez eingeladen. Beide gehören der Initiative Scientists For Future an, die 2019 gegründet wurde und die Fridays-For-Future-Bewegung informieren und unterstützen will.

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Markus Brede erläuterte, wie weit Treibhausgase wie Kohlendioxid, Methan oder Lachgas die Temperatur auf der Erde maßgeblich mitbestimmen: „Ohne diese Gase würde auf der Erde eisige Kälte mit durchschnittlich minus 18 Grad herrschen“, sagt er, „doch weil die Gase die Sonnenenergie teilweise auf die Erde zurückstrahlen, herrscht derzeit eine mittlere Temperatur von 15 Grad plus. Unter den Treibhausgasen spielt das Kohlendioxid eine große Rolle, weil es besonders lange in der Erdatmosphäre verbleibt“, sagt Markus Brede. Doch seit Beginn der Industrialisierung hat die Menge an Kohlendioxid in der Atmosphäre enorm zugenommen: Sie entspricht derzeit auf der Erde einer drei Meter dicken Schicht, die im Jahre 1800 nur zwei Meter dick war, so Brede.

Natürliche Klimaschwankungen

Gema Martinez-Méndez zeigt auf, dass es erhebliche natürliche Klimaschwankungen auch vor der derzeitigen Klimakrise gegeben hat, verursacht unter anderem durch Schwankungen in der Neigung der Erdachse oder durch Abweichungen der Erdbahn um die Sonne – was im Laufe der Erdgeschichte immer wieder zu Eiszeiten und Wärmephasen geführt hat. Durch Analysen von Eisbohrkernen oder erdgeschichtliche Archive in Form von Schlamm am Meeresgrund oder an Land wisse man heute recht zuverlässig, wie das Klima in vergangenen Epochen gewesen sei – und auch, dass es die heutige extrem hohe Konzentration von 410 PPM Kohlendioxid (410 Moleküle pro einer Million Moleküle trockener Luft) auch in Wärmephasen der Erde nie gegeben hat.

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Die dadurch bedingte Erderwärmung mache sich bereits heute deutlich bemerkbar: „Dabei wird im Norden die Erde wärmer als im Süden“, sagt Markus Brede, „der Jet-Stream, ein bandförmiger Strom aus westlichen Winden, bekommt Beulen und wird langsamer.“ Eine Folge sei, dass sich Wetterlagen in Europa langsamer ändern als vorher – anhaltende Trockenheit im Sommer sei eine der Folgen, und sie setze vor allem den Baumbeständen in Wäldern zu. Brede zeigte auf einem aktuellen Foto riesige Flächen abgestorbener Fichten im Harz. „Und so sieht es derzeit leider in fast allen Mittelgebirgsregionen Deutschlands aus“, sagt er.

Kipppunkte rücken näher

Die beiden Referenten beleuchten, wie das Klima auf der Erde zukünftig sein könnte: Durch die Erderwärmung drohen derzeit 15 bis 16 mögliche Kipppunkte auf lokaler wie auf globaler Ebene überschritten zu werden, was den Erwärmungsprozess unaufhaltsam verstärken würde: „Einer dieser Kipppunkte ist das Ausmaß der Eisschmelze in Grönland: Wenn Eis in einer Mächtigkeit von 1000 Metern geschmolzen ist, wäre das Abschmelzen des verbleibenden Eises nicht mehr zu stoppen“, führt Brede aus. Weitere Kipppunkte betreffen zum Beispiel den Permafrostboden im borealen Bereich Europas, Asiens und Nordamerikas, die Atlantik-Zirkulation, Gletscher in Gebirgen oder den Amazonas-Regenwald – wenn diese Systeme kippen würden, drohen verheerende Domino-Effekte. Einige der Kipppunkte könnten schon bei einer Erwärmung der Erde um zwei Grad erreicht werden. Ein Extremszenario des Klimawandels ist eine „Treibhauserde“ auf der die heimische Tier- und Pflanzenwelt nicht überleben könnte und mit einem Meeresspiegelanstieg im zweistelligen Meterbereich zu rechnen sei.

Markus Brede brach die Konsequenzen des Klimawandels auch auf den Landkreis Osterholz herunter: Nach seinen Berechnungen mache beim Energieverbrauch im Landkreis das Heizen mit Gas den bei Weitem größten Anteil aus – Mobilität oder Stromverbrauch seien demgegenüber von untergeordneter Bedeutung. Damit sei klar, dass erneuerbaren Energien eine enorme Bedeutung für den Klimaschutz zukommt. Markus Brede hat ein Einsparpotenzial von rund 300.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr allein im Landkreis Osterholz errechnet. Doch durch einen verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien würde auch ein gigantischer Bedarf an Fachkräften in Handwerk wie Industrie entstehen, der in Zukunft kaum gedeckt werden könne. Noch wirksamer als der Verzicht auf fossile Brennstoffe sei der effektive Schutz der Moore, die im Landkreis einen erheblichen Flächenanteil ausmachen. Würde die Emission von Treibhausgasen aus Mooren gestoppt, könnten jährlich sogar etwa 600.000 Tonnen Kohlendioxid eingespart werden.

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