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Moor- und Klimaschutz Kraftakt wie beim Kohleausstieg

Der Kreisverband des Osterholzer Landvolks fordert einen Gesellschaftsvertrag für den Klimaschutz auf Moorböden. Die vorgesehenen Hilfen des Bundes seien nicht langfristig und nicht umfangreich genug.
21.01.2022, 19:00 Uhr
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Kraftakt wie beim Kohleausstieg
Von Bernhard Komesker

Landkreis Osterholz. Höhere Wasserstände auf den landwirtschaftlichen Flächen sind aus Sicht der Bauern in Landkreis Osterholz nicht nur ein Chance für den Klimaschutz, sondern in erster Linie ein handfestes unternehmerisches Problem. Rund 100 Mitglieder des Kreislandvolks waren bei einer Online-Konferenz zugeschaltet, bei der zwei Experten vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie über die geologischen Besonderheiten der Region informierten. Demnach bestehen im Kreisgebiet 50 Prozent der Landfläche aus organischen Böden. Werden sie für Bewirtschaftung oder Besiedlung entwässert und bearbeitet, dann entweichen aus den Moorböden klimaschädliches Co2 sowie Methan und Lachgas. Ausbleibende Niederschläge, Stichwort Sommerdürre, tun ein Übriges.

Es gebe viele Möglichkeiten, der Austrocknung und Ausgasung entgegenzuwirken, erklärten die LBEG-Experten Heinrich Höper und Nico Herrmann: vom Grabeneinstau über die Unterflurbewässerung bis hin zur Vollvernässung. Doch was davon ist überhaupt praktisch umsetzbar? Und wer soll diese Maßnahmen bezahlen und die Grundbesitzer entschädigen? Die Landwirte haben da einige Fragen und Bedenken.

Weidetierhaltung sei bereits bei Grabeneinstauungen kaum noch möglich, hieß es. Bei einer Unterflurbewässerung wären die Flächen nur noch mit angepassten Fahrzeugen und Maschinen bewirtschaftbar. Und bei Vollvernässung sei nur noch der Anbau von Paludi- und Torfmooskulturen mit teurer, spezieller Landtechnik möglich; dies würde zudem riesige Wasserspeicher erfordern.

Schilf und Torfmoos

„Das Thema Wasserverfügbarkeit ist sehr komplex und von den regionalen Gegebenheiten abhängig", sagte Höper und betonte: "Da gibt es keine einfache Lösung." Für Bernhard Osterburg vom Thünen-Institut ist der Anbau von Paludikulturen, wie er sagte, durchaus realistisch. Aus Schilf und Röhricht ließen sich zum Beispiel Dämmmaterialien für den Bau herstellen, wo aktuell ein Ersatz für das wenig klimafreundliche Styropor gesucht wird. "Das wird so kommen“, zeigte sich Osterburg überzeugt. Problem dabei: Technik und Vermarktungskonzepte fristen bisher ein Nischendasein und fehlen im Nahbereich noch völlig.

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Mit Agri-Fotovoltaik und neuen Windkraftanlagen könnte sich ein weiteres Standbein bieten, damit wiedervernässte Flächen etwas abwerfen. Nötig seien aber in jedem Fall weitere Machbarkeitsstudien für konkrete Gebiete und eine standortangepasste Nutzung, so Osterburg. "Für die Landeigentümer muss es verlässliche Ausgleichszahlungen über einen langen Zeitraum geben", betonte er. Es dürfe nicht nur projektbezogen in Zehn-Jahres-Zeiträumen geplant werden.

Mehr Unterstützung nötig

Klimaschutz auf Moorböden sei damit letztlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, unterstrich der Osterholzer Kreislandwirt Stephan Warnken. „Wir brauchen dafür einen Gesellschaftsvertrag." Warnken erklärte, für eine Wiedervernässung der Moore sei mehr nötig als eine Anschubfinanzierung von 330 Millionen Euro, wie sie das Bundesprogramm "Klimaschutz durch Moorbodenschutz" vorsieht. Bis zum Jahr 2025 sollen damit Moorschutz-Modellprojekte finanziert werden.

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Das entsprechende Ziel einer Bund-Länder-Vereinbarung vom Oktober lautet: Reduktion der Treibhausgas-Emissionen aus Moorböden um ein Zehntel bis zum Jahr 2030. Derzeit entweichen auf diesen Flächen rund 50 Millionen Tonnen Co2-Äquivalente pro Jahr. 330 Millionen Euro sind aus Sicht von Stephan Warnken für so ein ambitioniertes Vorhaben völlig unzureichend. Er verweist darauf, dass der Bund für den Kohleausstieg 40 Milliarden Euro einplane, um den Strukturwandel in den Kohleregionen zu unterstützen.

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"In nächster Zeit muss klar werden, wie es mit den Moorböden weitergehen soll", fordert der Kreisvorsitzende des Landvolkverbands und mahnt: "Wir Landwirte brauchen Planungssicherheit, sonst werden noch mehr Betriebe schließen.“ Ein Link zum Videomitschnitt der Online-Konferenz ist auf der Homepage des Landvolkverbands www.landvolk-ohz.de unter „Aktuelles“ zu finden.

Zur Sache

Ein Trend mit Tücken

Mitten im Strukturwandel der Landwirtschaft erhöhen die Projektierer von Fotovoltaik-Anlagen den Druck auf die Flächeneigentümer. Harald Wedemeyer, Experte für Energierecht beim Landesbauernverband in Hannover, habe den Landwirten aus dem Landkreis Osterholz bei einem Vortrag zur Vorsicht geraten, so eine Sprecherin. 

Gerade für unrentable Moorflächen scheine die Installation der Solarmodule eine reizvolle Sache. Manche Pachtangebote von 5000 Euro pro Jahr und Hektar belaufen sich bereits auf das Zehnfache des Landesdurchschnitts - Tendenz steigend. Wird die darunter liegende Fläche zuvor vernässt, schlagen Freiflächensolaranlagen mehrere Fliegen mit einer Klappe.

Problem: In Naturschutzgebieten ist das nicht möglich. In den regionalen Raumordnungsprogrammen fehlen Wedemeyer zufolge die Regelungen und die Kommunen müssten zunächst Sondergebiete ausweisen. Dadurch sowie durch das unabgestimmte Vorgehen der Planungsträger entstünden meist lange Genehmigungsfristen.

Für den Juristen hat der Trend weitere Tücken. Es dürften nicht zu viele Hochertragsflächen aus der Bewirtschaftung fallen, sonst schwinde die Existenzgrundlage. Nicht selten hat ein Bauer 50 bis 70 Prozent seiner Acker- und Grünlandflächen nur gepachtet. Unbedingt sei vor Vertragsunterschrift ein Steuerberater einzuschalten. Idealerweise orientiere sich die Pacht am Ertrag der Anlage. Geregelt werden müssten auch der Rückbau sowie etwaige Sonderkündigungsrechte, wenn das Projekt nicht binnen 24 Monaten realisiert werde.

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