Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Werders Gegner Köln in der Analyse Der Gisdol-Fußball schimmert durch

Laufstark, kampfstark, schnell im Umschalten: Der 1. FC Köln lässt sich immer mehr auf die Ideen seines neuen Trainers ein und ist damit erfolgreich. Die alten Probleme bleiben aber trotzdem.
21.12.2019, 12:00 Uhr
Lesedauer: 4 Min
Zur Merkliste
Von Stefan Rommel

Das sind Kölns Stärken:

In einer einmal mehr wilden und bisweilen chaotischen Saison mit vielen Irrungen und Wirrungen abseits des Platzes stand in Köln mal wieder ein Trainerwechsel an - was für die Partie gegen Werder aber ein klarer Vorteil sein sollte: Während die Kölner so einigermaßen wussten dürften, was gegen Bremen auf sie zukommt, ist der FC für Werder nun der dritte Gegner in Folge, der mit einem neuen Trainer und damit anderen inhaltlichen Akzenten aufwarten wird, was die Spielvorbereitung immer auch ein bisschen vage und weniger greifbar macht.

Markus Gisdol hat nach einem stotternden Start offenbar eine gute Mischung gefunden und nach zwei wichtigen Siegen in schweren Spielen in Folge eine kleine Euphorie entfacht und vor allen Dingen: Das ramponierte Binnenklima in der Mannschaft deutlich verbessert. Geschafft hat er das mit einigen interessanten personellen Veränderungen und jenem Fußball, den man von Gisdol-Mannschaften erwarten kann: Mit Lauf- und Zweikampfstärke, Leidenschaft und Intensität, einem griffigen Gegenpressing sowie schnellen Umschaltmomenten in beide Richtungen.

Kölns Zentrum ist kompakt verstellt

Nach einem etwas nassforschen Versuch in seinem ersten Spiel in Leipzig, als Köln im 4-3-3 ins Verderben rannte, formiert Gisdol seine Mannschaft seitdem mit einer Doppel-Sechs in der Mittelfeldzentrale. Als klarer Verfechter der Viererkette ergeben sich daraus dann 4-4-2- oder 4-2-3-1-Anordnungen. Köln geht dabei gegen den Ball nicht wie in früheren Gisdol-Zeiten zu viel ins Angriffspressing über, sondern bleibt eine Spur tiefer und verstrickt den Gegner dann rund um die Mittellinie in viele Zweikämpfe, was ein signifikantes Merkmal des Kölner Spiels darstellt.

Köln verteidigt mit recht klassischen Kettenmechanismen und immer genug Absicherung in den letzten beiden Linien. Das Zentrum ist kompakt verstellt, die robusten Sechser räumen mittlerweile ganz ordentlich auf. Sehr besonders und auch mutig war Gisdols Entscheidung, nach dem schwachen Spiel bei Union der Jugend eine Chance zu geben. Die Unerfahrenheit machen Spieler wie Ismail Jakobs, Noah Katterbach oder der erst 17-jährige Jan Thielmann mit einer Essenz des Gisdol-Fußballs aber derzeit wett: Diese Spieler sind lauf- und zweikampfstark, haben genug Tempo und Durchsetzungsvermögen und können 90 Minuten lang marschieren. Dazu hat Gisdol den zuvor verschmähten Ellyes Shkiri wieder aus der Versenkung geholt. Der FC entwickelt dadurch wieder deutlich mehr Biss und Mentalität - zwei Dinge, die Werder in den letzten Wochen fast gänzlich abhanden gekommen waren.

Nicht zu viel Ruhe und Kontrolle

Über die Flügel machen die Pärchen ordentlichen Druck nach vorne, durchs Zentrum hat Dominik Drexler einige Freiheiten. Drexler ist die wichtige Anlaufstelle im Ballbesitzspiel, kaum ein Angriff läuft an ihm vorbei. Deutlich gefährlicher als aus dem geordneten Spielaufbau ist Köln aber in seinen Umschaltmomenten. Mit Jhon Cordoba ist zumindest eine sehr schnell und körperlich starke Spitze gesetzt, die Bälle gut festmachen und ablegen kann. Der erste Impuls nach einem Ballgewinn ist in die Tiefe gerichtet, Köln mag sich nicht zu lange mit Ball- und Spielkontrolle aufhalten und - auch das ein Gisdol-Merkmal - gerne ein paar wildere Sequenzen ins Spiel einstreuen. Zu viel Ruhe und Kontrolle passt nicht, stattdessen darf es gerne hin und her gehen.

Dazu passt auch das neu entwickelte Vertrauen in diese eigenen Stärken. Gegen spielerisch teilweise deutlich überlegen Gegner wie Leverkusen und Frankfurt spulte der FC sein Pensum ab, sah gepaart mit ein wenig Spielglück stets die Chance auf den Sieg und drehte in Frankfurt (gegen einen komplett platten Gegner) sogar einen 0:2-Rückstand noch in einen Sieg. In Frankfurt waren es die Standards, die den FC zurück ins Spiel holten. Ecken und Freistöße sind plötzlich wieder deutlich gefährlicher für den Gegner. Für Werder mit seiner traditionellen Schwäche bei ruhenden Bällen keine besonders schöne Erkenntnis.

Das sind Kölns Schwächen:

Die vielen kleinen und großen Fortschritte in den letzten beiden Spielen sollten aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mannschaft noch einige Probleme mit sich herumschleppt. Die Mannschaft hat immer noch große Schwierigkeiten, wenn sie das Spiel selbst gestalten soll.

Gegen tiefer stehende Gegner stockt dann das Angriffsspiel schnell beziehungsweise werden viele lange Bälle in die Spitze geschlagen, um das Mittelfeld überhaupt fehlerfrei zu überbrücken. Entsprechend mies ist die Passquote, so richtig die Kontrolle über eine Partie mit dem nötigen Druck nach vorne kann der FC nicht gewinnen. Fußballerisch gehört Köln weiter zu den schwächsten Teams der Liga, was Werder vielleicht dazu veranlassen könnte, zunächst selbst eher tiefer und kompakter zu stehen. Nicht umsonst stellt Köln mit nur 18 Toren aus 16 Spielen die zweitschwächste Offensive der Liga.

Kaum Einzelspieler, die herausragen

Eine steter Begleiter sind dagegen die vielen Gegentore in dieser Saison. 32 sind es bereits, zwar immer noch weniger als Werder, auf Dauer aber ein viel zu hoher Mittelwert. Neben den natürlich noch nicht gefestigten Abläufen sind es die vielen individuellen Fehler, die Köln regelmäßig Punkte kosten. Was unweigerlich zur Qualität des Kaders führt: Die ist weder besonders hoch, noch auf das ausgelegt, was Gisdol spielen lässt. Das ließ sich in den letzten Spielen einigermaßen kaschieren, wird auf Dauer aber noch zu einem Problem werden - spätestens dann, wenn selbsternannte Stammspieler sich dauerhaft auf der Bank wiederfinden.

Der FC hat kaum Einzelspieler, die herausragen und eine Partie auch mal ganz alleine entscheiden könnten. Tore nach Einzelaktionen sind selten, es muss über das Kollektiv gehen - was dann aber wieder die Probleme im Ballbesitzspiel befeuert und die Mannschaft auch ziemlich ausrechenbar macht: Sind die Umschaltmomente und neuerdings auch die Standards zu kontrollieren, hat Köln ein veritables Problem. Andererseits: Genau in diesen Teilaspekten hatte Werder zuletzt massivste Probleme...

Das ist der Schlüsselspieler:

Köln benötigte nach einem schlimmen Start von und mit Gisdol einen Aha-Effekt, der der Mannschaft mit dem Sieg im Derby gegen Leverkusen gelang. Jonas Hector war dabei die entscheidende Figur im Kölner Spiel, spulte ein unglaubliches Pensum ab, war endlich wieder der Anführer eine zaudernden Mannschaft und fühlt sich als ein Teil der Doppel-Sechs im Zentrum des Spiels wieder pudelwohl. Der Kapitän geht voran, er reißt die Mannschaft mit und ist als zentraler Spieler neben Shkiri im zentralen Mittelfeld der Motor des Kölner Spiels und derjenige, an dem sich die Mannschaft auch in schwierigen Phasen aufrichten kann.

Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+! Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)