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Streit um Fahrradstraße am Bad Nauheimer Südpark

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Der kombinierte Fuß- und Radweg entlang der Zanderstraße erfüllt seinen Zweck nur ungenügend. Weil er zu schmal ist, kommt es immer wieder zu Konflikten. Die Freien Wähler wollen Radfahrern auf einem Teilstück der Zanderstraße deshalb Vorrang vor dem Autoverkehr einräumen. © Nicole Merz

Unechte Fahrradstraße - was ist das denn? Die Freien Wähler in Bad Nauheim und Erster Stadtrat Peter Krank halten dieses Konstrukt für sinnvoll, zumal nur geringer finanzieller Aufwand nötig ist.

Bad Nauheim - Seit etlichen Monaten geht das so: Kaum ist im Bad Nauheimer Stadtparlament ein verkehrspolitischer Antrag begründet worden, wird der Vorstoß jäh gestoppt. Stets wird auf die in Arbeit befindliche große Verkehrswende in der Kurstadt verwiesen, Einzelentscheidungen dürften nicht vorweggenommen werden. In der Regel schließt sich diesem Argument auch Erster Stadtrat Peter Krank an, der als Verkehrsdezernent Planer der Wende ist. Ergebnis: Das neuen Mobilitätskonzept lässt auf sich warten, in Sachen Verkehr tut sich derzeit nichts.

In der jüngsten Parlamentssitzung war eine Variante des gewohnten Ablaufs zu sehen. Markus Philipp von den Freien Wählern trug die Idee vor, den Zanderstraßen-Abschnitt zwischen Schwalheimer Straße und Eleonorenring in eine unechte Fahrradstraße umzuwidmen - und Krank sprach sich etwas überraschend dafür aus, dieses Pilotprojekt ohne Rücksicht auf die Verkehrswende sofort umzusetzen.

Unechte Fahrradstraße in Bad Nauheim: Ziel ist mehr Sicherheit für Schüler

Freie Wähler und Dezernent hatten dabei die Rechnung allerdings ohne die Kenia-Koalition gemacht. Von CDU, Grünen und SPD kam die erwartete Begründung: Das Mobilitätskonzept, das auch den Radverkehr behandeln werde, liege noch nicht vor. Deshalb sei es nicht sinnvoll, sich bereits auf eine Möglichkeit zu beschränken. Stattdessen beschlossen die Koalitionäre gegen die Stimmen von FW und FDP ihren Änderungsantrag. Neben der Fahrradstraße sollen ein Ausbau des bestehenden Rad- und Fußwegs entlang der Zanderstraße sowie eine Fahrradbrücke mit einer Routenführung durch den Südpark geprüft werden.

Markus Philipp von den Freien Wählern appellierte eindringlich an die Koalition, dem Vorschlag zu folgen. »Mit einfachen Mitteln und einem Kostenaufwand von nur 3000 bis 5000 Euro kann eine große positive Wirkung für Radfahrer erzielt werden«, sagte Philipp. Insbesondere werde etwas für die Sicherheit von Kindern und Jugendlichen getan, die über die Zanderstraße das Schulzentrum ansteuern. In einer unechten Fahrradstraße sei Autoverkehr erlaubt, Radler hätten aber Vorrang. Laut Philipp kein Problem, weil in der Zanderstraße ohnehin Tempo 30 gelte.

Unechte Fahrradstraße in Bad Nauheim: Verkehrsdezernent unterstützt Antrag

»In vielen Städten wird diese Variante bereits praktiziert, alle haben nur positive Erfahrungen gemacht«, betonte der FW-Sprecher, der für dieses Pilotprojekt eine Probezeit von 24 Monaten anregte. Aus dem gemeinsamen Fuß- und Radweg auf der Südpark-Seite könne ein reiner Fußweg werden. »Dort kommt es immer wieder zu Konflikten, weil er zu schmal ist.«

Von einem »nachvollziehbaren Vorschlag« sprach Erster Stadtrat Krank. »Es geht darum, auf einer Hauptachse des Schülerverkehrs etwas auszuprobieren. Wir schauen , ob es funktioniert.« In vielen Straßen Bad Nauheims könnten aus Platzmangel keine Radwege angelegt werden, Fahrradstraßen könnten deshalb eine sinnvolle Alternative sein. Der Aufforderung von Philipp, die unechte Fahrradstraße einfach einzuführen, was ein Verkehrsdezernent ohne Parlamentsbeschluss tun könne, möchte Krank nicht folgen. In Sachen Verkehrswende sei ein Konsens wichtig.

Unechte Fahrradstraße in Bad Nauheim: CDU sieht »Effekthascherei«

Benjamin Pizarro signalisierte die Zustimmung der FDP. Er sprach von einem »nervigen Warten aufs Gesamtverkehrskonzept«, das Fortschritte verhindere. CDU-Fraktionschef Manfred Jordis bezeichnete den FW-Vorschlag dagegen als »Effekthascherei«. Eigentlich herrsche doch Konsens darüber, bis zum Vorliegen eines Entwurfs für die Mobilitätswende auf solche Anträge zu verzichten. Jordis schlug im Namen der Koalition vor, mehrere Varianten zur Verbesserung des Radverkehrs in diesem Zanderstraßen-Abschnitt zu prüfen.

Dem schlossen sich die Sprecher der Koalitionspartner an. Die Grünen befürchten bei Einführung der unechten Fahrradstraße in der Zanderstraße eine Verdrängung des Autoverkehrs in die Kurstraße. Die Sozialdemokraten bezweifeln nach den Worten von Fraktionschef Sinan Sert, ob eine Umwidmung der Zanderstraße wirklich mehr Sicherheit für Radfahrer bringt. Sert charakterisierte den FW-Antrag als »quick and dirty« (»schnell und schmutzig«). So werden Lösungen bezeichnet, die zwar zweckmäßig und wirksam sein können, aber Mängel oder unerwünschte Nebenwirkungen beinhalten. Eine Äußerung, die ihm einen empörten Zwischenruf Philipps einbrachte.

Unechte Fahrradstraße in Bad Nauheim: Fahrradstraße oder Fahrradzone?

Die Möglichkeit, Fahrradstraße auszuweisen, wurde 1997 in die Straßenverkehrsordnung (StVO) aufgenommen. In solchen Straßen dürfen nur Räder und E-Scooter fahren. In sogenannten unechten Fahrradstraßen sind außerdem Autos und Motorräder zugelassen, was durch Zusatzschilder kenntlich gemacht wird. Ob mit oder ohne Autos - prinzipiell gilt Tempo 30, wobei auf Radfahrer, die in solchen Straßen auch nebeneinander fahren dürfen, besondere Rücksicht genommen werden muss. Autofahrer dürfen also nicht drängeln, sondern müssen sich dem Tempo des Radverkehrs anpassen.

Nach ADAC-Angaben ist die Stadt München bundesweiter Vorreiter bei der Ausweisung von Fahrradstraßen, wobei in den meisten Fällen auch Autos und Motorräder zugelassen sind. Dort gibt es 84 solcher Straßen mit einer Gesamtlänge von 39 Kilometern. Weitere Fahrradstraßen sind geplant. Im vergangenen Jahr wurde die StVO durch Fahrradzonen erweitert. In solchen Zonen gelten dieselben Regeln wie in Fahrradstraßen. Laut ADAC spielt Bremen diesbezüglich eine Vorreiterrolle und hat eine solche Zone eingerichtet, die sich über 2,5 Kilometer erstreckt und zwölf Straßen umfasst. (bk)

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