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Foto: Ulrich Wagner
Foto: Ulrich Wagner

Drei Manager wollen den Augsburger Roboterbauer Kuka noch erfolgreicher und größer machen: Kuka-Chef Till Reuter (v.l.), Midea-Boss Paul Fang und sein Vize Andy Gu.

Kuka
20.01.2017

Deshalb haben die Chinesen Kuka gekauft

Von Stefan Stahl

Erstmals geben die beiden Midea-Chefs Paul Fang und Andy Gu mit Kuka-Chef Till Reuter ein Interview. Was nach der Übernahme auf die 3500 Beschäftigten in Augsburg zukommt.

Zum Interview tragen die beiden chinesischen Chefs des Haushaltsgeräte-Konzerns Midea wie Kuka-Boss Till Reuter eine orange Krawatte. Orange ist die Farbe des Unternehmens. Paul Fang und sein Vize Andy Gu sprechen in der Augsburger Zentrale des Roboterbauers über die abgeschlossene Übernahme der bayerischen Firma. Die Midea-Manager leiten einen börsennotierten Konzern mit weltweit rund 110.000 Mitarbeitern.

Sie halten jetzt rund 95 Prozent der Kuka-Aktien und haben dafür den stolzen Preis von mehr als 4,5 Milliarden Euro gezahlt. Wie sind Sie in Augsburg aufgenommen worden?

Fang : Sehr gut. Wir fühlen uns wohl in Augsburg. Es ist eine sehr schöne Stadt. Wir hatten hier ein leckeres, typisch bayerisches Abendessen und Oberbürgermeister Kurt Gribl hat uns im Rathaus empfangen. Er zeigte uns den wunderschönen Goldenen Saal. Und wir haben zu den Mitarbeitern hier am Standort gesprochen. Die Beschäftigten nahmen uns sehr freundlich auf.

Wer steckt hinter Midea? Wird das Unternehmen wie andere chinesische Konzerne staatlich beeinflusst?

Fang: Midea ist ein in China börsennotiertes, privates Unternehmen. Rund 20 Prozent unserer Aktien befinden sich sogar im Besitz ausländischer Investoren. Wir sind also nicht staatlich beeinflusst. Die chinesische Wirtschaft ist kein monolithischer Block, sondern ein vielfältig strukturiertes Gebilde. Unsere Firma, die etwa Klimaanlagen, Waschmaschinen oder Kühlschränke herstellt, ist auf allen Weltmärkten präsent. Wir verfügen außerhalb Chinas über Produktionsstätten in Vietnam, Weißrussland, Ägypten, Brasilien, Argentinien und Indien.

Kuka steht für Hochtechnologie. Wie sieht es hier bei Midea aus? Kühlschränke und Waschmaschinen sind ja nicht unbedingt High-Tech.

Fang: Aber wir haben auch mehr als 20 Leute, die im amerikanischen Silicon Valley sitzen und sich mit künstlicher Intelligenz beschäftigen. Wir arbeiten intensiv daran, Haushaltsgeräte „smart“ zu machen – stellen Sie sich beispielsweise vor, Ihr Kühlschrank sendet Ihnen eine Nachricht auf dem Weg nach Hause, dass kein Bier mehr für das Abendessen da ist. Und Sie können es sofort kaufen.

Das Geheimnis von Midea

Wer hat Midea so groß gemacht?

Fang: Es war unser Gründer Xiangjian He, der 1968 mit einer Produktion für Flaschenverschlüsse im Süden Chinas den Grundstein für den sagenhaften Aufstieg gelegt hat. Er stammt aus einer Bauernfamilie und machte Midea zu einer der erfolgreichsten privaten chinesischen Firmen. Bis heute hält seine Familie knapp 35 Prozent an Midea. Auf der berühmten Forbes-Liste der 500 weltweit größten Konzerne rangierten wir zuletzt auf Platz 402. Und die drei großen US-Ratingagenturen Standard & Poor’s, Fitch und Moody’s bewerten uns mit Top-Bonitätsnoten.

Dennoch: Warum haben sie als Haushaltsgeräte-Konzern ausgerechnet einen Roboterbauer gekauft?

Gu: Der chinesische Markt für Haushaltsgeräte ist stark gesättigt. Wir sehen hier für die Zukunft nicht so große Wachstumschancen. Deshalb wollen wir uns mit Kuka ein neues Standbein mit enormen Wachstumschancen aufbauen.

Chinesische Unternehmen kaufen sich in Firmen in Deutschland ein

Chinesische Unternehmen kaufen sich seit einigen Jahren in Firmen in Deutschland ein. Beispiele:

Chinesische Unternehmen kaufen sich in Firmen in Deutschland ein

EEW ENERGY: Die chinesische Holding Beijing Enterprises gibt Anfang Februar bekannt, den Spezialisten in der Müllverbrennung EEW Energy from Waste aus Helmstedt für rund 1,44 Milliarden Euro zu übernehmen.

Chinesische Unternehmen kaufen sich in Firmen in Deutschland ein

KRAUSSMAFFEI: Der Spezialmaschinenbauer wurde im Januar von ChemChina, dem größten Chemiekonzern Chinas, für 925 Millionen Euro gekauft. ChemChina kam unlängst erneut in die Schlagzeilen - mit einem 43-Milliarden-Dollar-Angebot für den Schweizer Agrarchemie-Anbieter Syngenta.

Chinesische Unternehmen kaufen sich in Firmen in Deutschland ein

KOKI TECHNIK TRANSMISSION SYSTEMS: Das chinesische Unternehmen Avic Electromechanical Systems übernimmt 2014 den sächsischen Autozulieferer. Ein Kaufpreis wird nicht genannt.

Chinesische Unternehmen kaufen sich in Firmen in Deutschland ein

HILITE: Avic übernimmt 2014 für 473 Millionen Euro den deutschen Autozulieferer.

Chinesische Unternehmen kaufen sich in Firmen in Deutschland ein

TAILORED BLANKS: Der Industriekonzern Thyssenkrupp schließt 2013 den Verkauf seiner Tochter an den chinesischen Stahlkonzern Wuhan Iron and Steel ab. Zum Preis machen beide Seiten keine Angaben.

Chinesische Unternehmen kaufen sich in Firmen in Deutschland ein

KION: 2012 steigt der chinesische Nutzfahrzeugproduzent Weichai Power beim Gabelstaplerhersteller Kion ein. Die Chinesen kaufen zunächst für 467 Millionen Euro 25 Prozent an Kion und steigern 2015 ihren Anteil auf 38,25 Prozent. Außerdem erhält der Investor für 271 Millionen Euro eine Mehrheitsbeteiligung von 70 Prozent an der Hydrauliksparte Kions.

Chinesische Unternehmen kaufen sich in Firmen in Deutschland ein

KION: 2012 steigt der chinesische Nutzfahrzeugproduzent Weichai Power beim Gabelstaplerhersteller Kion ein. Die Chinesen kaufen zunächst für 467 Millionen Euro 25 Prozent an Kion und steigern 2015 ihren Anteil auf 38,25 Prozent. Außerdem erhält der Investor für 271 Millionen Euro eine Mehrheitsbeteiligung von 70 Prozent an der Hydrauliksparte Kions.

Chinesische Unternehmen kaufen sich in Firmen in Deutschland ein

KIEKERT: Der Weltmarktführer für Pkw-Schließsysteme, Kiekert, ging 2012 in chinesische Hände. Der Hersteller aus Heiligenhaus bei Düsseldorf wurde vom börsennotierten chinesischen Automobilzulieferer Lingyun übernommen.

Warum wächst der chinesische Robotermarkt so rasant?

Gu: Weil es einen enormen Nachholbedarf an Automatisierungslösungen gibt. Die Arbeitskosten sind in China massiv gestiegen, vom Jahr 2000 bis heute um unglaubliche 700 Prozent. So wird zunehmend automatisiert. Und hier kommt Kuka ins Spiel. Wir sind davon überzeugt, dass wir dem bayerischen Unternehmen dank unserer Beziehungen helfen, auf dem chinesischen Roboter-Markt noch mehr als bisher Fuß zu fassen.

Reuter: An Kuka hat Midea vor allem fasziniert, dass Kuka für deutsche Hochtechnologie steht, exzellente Facharbeiter und Ingenieure hat sowie über ein gutes Management verfügt. Daneben sehen die Midea-Verantwortlichen ein großes Potenzial in unserer Firma, das es zu heben gilt. Schließlich ist China weltweit der größte Markt für Automatisierung.

Aber noch einmal: Kühlschränke und Roboter - das passt doch nicht zusammen? Wo bleiben da die berühmten Synergien?

Reuter: Kuka-Roboter sind nun eine starke Sparte innerhalb der Midea-Familie. Unser Ziel ist es, dass die Marke Kuka mit dem starken Partner Midea im Rücken die Nummer eins auf dem chinesischen Roboter- und Automatisierungsmarkt wird.

Wie kann das gelingen?

Reuter: Indem wir mehr kleine Roboter verkaufen, also zunehmend auch in Branchen außerhalb der Autoindustrie vordringen. Natürlich wollen wir mit der Hilfe von Midea gerade im Logistikbereich, wo in China noch viel manuell gearbeitet wird, unsere Automatisierungslösungen durchsetzen. Wir sind auch bislang schon auf dem chinesischen Markt gut unterwegs. Dank Midea geht es jetzt aber deutlich schneller voran. Midea und Kuka haben zwar eine andere „DNA“, aber wir ergänzen uns.

Kuka-Roboter in Krankenhäusern

Wie soll das konkret aussehen?

Reuter: Wir wollen unsere Roboter etwa in die Krankenhäuser bringen.

Gu: Das wollen wir mit Kuka vorantreiben. Wie Deutschland ist China ein stark alterndes Land. Und die menschliche Arbeitskraft in China wird weniger und noch teurer. Deshalb wollen wir die Entwicklung von Pflegerobotern vorantreiben, die etwa in Krankenhäusern, Altenheimen, aber auch in den Haushalten gebrechlichen Menschen zum Beispiel beim Aufstehen helfen.

Reuter: Hier kann uns Midea helfen und so entstehen Synergien. Denn wir verstehen etwas vom Industriegeschäft. Midea kennt als Haushaltsgerätehersteller die Bedürfnisse der Konsumenten. Das ergänzt sich prima. So verhelfen wir dem Roboter zum Siegeszug im Privatleben. Hier können sich ältere Bürger dank eines Pflegeroboters selbst versorgen und sind nicht auf die Hilfe ihrer Kinder angewiesen. Wenn wir diesen Markt erobern, nützt das Beschäftigten in Augsburg und China.

Das klingt nach enormen Wachstumschancen für die Robotik.

Fang: Wir glauben, dass die Robotik eine ähnliche Entwicklung wie das Computergeschäft nehmen könnte. Hier gab es ja am Anfang auch große Apparate für Geschäftskunden. Schließlich wurden die Computer immer kleiner und zogen in die Haushalte, ja als Smartphone in die Jackentasche ein.

Bei allen Wachstumschancen haben Sie mit 115 Euro pro Aktie einen zu hohen Preis für Kuka bezahlt. Experten sprechen von einem fairen Preis von 70 bis 80 Euro. Haben Sie zu viel Geld?

Gu: Uns wurde schon einmal bei einem von uns in China übernommenen Unternehmen gesagt, wir hätten einen zu hohen Preis gezahlt. Im Rückblick war das eine der besten Investments, die wir je gemacht haben. Und Kuka ist eine sehr gute Firma, dafür haben wir gerne einen sehr guten Preis gezahlt.

Reuter: Wir können aus Kuka noch viel mehr machen. Wir sollten nicht ängstlich in die Zukunft schauen, sondern die Zukunft gestalten.

Trotzdem haben manche Beschäftigte in Augsburg Angst. Arbeiten schon Midea-Spezialisten für Kuka in der Stadt?

Fang: Noch nicht. Das wird erst geschehen, wenn wir gemeinsame Projekte aufsetzen. Und es steht auch noch nicht fest, welche und wie viele Midea-Vertreter in den Kuka-Aufsichtsrat einziehen.

Wie sicher sind denn die rund 3500 Kuka-Arbeitsplätze in Augsburg?

Gu: Wir hätten nicht so viel Geld in die Firma investiert, wenn wir negativ in die Zukunft schauen würden. Wir sind als langfristige Investoren gekommen, die Arbeitsplätze in Augsburg heute und morgen sichern wollen. Auch wollen wir den Sitz von Kuka in Augsburg belassen. Kuka bleibt ein deutsches Unternehmen. Wir wollen mit Kuka eine ebenso positive Geschichte schreiben, wie das deutsche Konzerne wie Volkswagen, BMW und Daimler in China mit ihren dortigen Investments geschrieben haben. Wir wollen ein vorbildhaftes Beispiel für die deutsch-chinesische Zusammenarbeit sein.

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