Elektroautos im Mythen-Check: Sieben angebliche Fakten geprüft

Elektroautos mit erschreckender Ökobilanz
Sauber, ressourcenschonend, wartungsfrei - Elektroautos werden von vielen Seiten beklatscht. Kritiker sehen in den Stromern nur eine vorübergehende Erscheinung. Zusammen mit Focus Online prüfen wir sieben populäre Totschlag-Argumente auf ihren Wahrheitsgehalt, mit denen entweder für oder gegen Stromer gearbeitet wird.

1. Elektro-Autos verursachen keine Emissionen

Der CO2-Ausstoß hängt vom Antrieb ab - selbst beim Elektroauto liegt er weit über Null.

Der CO2-Ausstoß hängt vom Antrieb ab - selbst beim Elektroauto liegt er weit über Null.

Arthur D. Little

Das beliebteste Argument der Elektro-Lobby, dass von Stromern keinerlei Umwelteinwirkungen ausgehen, ist schlichtweg falsch. Natürlich verursachen die Autos selbst - abgesehen von Reifenabrieb und Bremsstaub - keine Emissionen. Doch die Stromproduktion, die zwingend für den Betrieb der "Zukunftsautos" nötig ist, darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden. Ein Elektroauto ist nur so sauber, wie der Strom, den es tankt. Hier schneidet beispielsweise das Stromer-Vorzeigeland China besonders schlecht ab, wie eine Untersuchung des Strategie-Beratungsunternehmens Arthur D Little zeigt. Je nach Strommischung des jeweiligen Fahrzeugs (Anteil der Kohle, Atomkraft, regenerativer Energien, etc.) ergeben sich dabei völlig unterschiedliche CO2-Ausstöße:

  • BMW X5xDrive30d: 225 Gramm CO2 / km
  • BMW316d: 130 g/km
  • Tesla ModelS (deutscher Strommix): 128 g/km
  • Audi A21.2 TDI: 93 g/km
  • Elektroauto in Ost-China: 167 g/km
  • Elektroauto in den USA: 122 g/km
  • Elektroauto in Deutschland (deutscher Strommix): 91 g/km
  • Elektroauto in Frankreich(französischer Strommix): 12 g/km
  • Elektroauto mit erneuerbaren Energien (Deutschland): 7 g/km

Trotz dieser Werte haben Stromer natürlich dennoch das Potenzial zur wirklich schadstoffarmen Mobilität beim Betrieb. Das gilt vor allem dann, wenn Atomkraft oder regenerative Energien bei der Stromproduktion zum Einsatz kommen. Im Moment sollte man mit solchen pauschalen Aussagen aber besser vorsichtig sein.

2. Wenn alle Elektro-Autos fahren, bricht das Stromnetz zusammen

Wie viele ladenden Elektro-Autos hält unser Stromnetz wirklich aus?

Wie viele ladenden Elektro-Autos hält unser Stromnetz wirklich aus?

innogy

Dieses hartnäckige Gerücht unter Elektro-Gegnern stimmt ebenfalls nicht, wie eine Studie der deutschen Forschungsstelle für Energiewirtschaft aus dem Jahr 2016 beweist. Wissenschaftler errechneten als Leistungsbedarf für einen hypothetischen Bestand von 3,3 Millionen Elektrofahrzeugen im Jahr 2030 eine Maximallast von 1,5 Gigawatt. Diesem auf den ersten Blick enormen Wert steht die Gesamtlast in Deutschland von 60 bis 80 Gigawatt gegenüber. Die Stromer würden also nur einen leicht zu bewältigenden Anstieg von rund zwei Prozent bedeuten.

Anders sieht das nur in sogenannten Niederspannungs-Verteilnetzen aus: Sollten hier alle Stromkunden nach Feierabend ihr Auto gleichzeitig aufladen, dann würde die Last für örtliche Trafostationen zu groß werden. Um einen solchen Fall zu vermeiden, setzen Autobauer bereits jetzt auf intelligente Ladesysteme. Die sollen den Zeitpunkt des Ladens je nach Netzlast dynamisch steuern und somit Überlastungen verhindern. Wird das konsequent umgesetzt, führen die Elektroautos sogar zu einer Steigerung der Netz-Effizienz. Dann könnten nämlich die Fahrzeug-Akkus als Puffer für das Netz eingesetzt werden, wodurch die Energie, die die Akkus zu Niedriglast-Zeiten aufgenommen haben, zu Hochlast-Zeiten teilweise zurückgespeist werden kann.

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3. Stromer sind nachhaltiger als Verbrenner

Nachhaltigkeit beim Nissan Leaf: Einziger Schwachpunkt ist der Akku.

Nachhaltigkeit beim Nissan Leaf: Einziger Schwachpunkt ist der Akku.

ADAC

Diese pauschale Aussage stimmt zum Teil - je nachdem, wie man Nachhaltigkeit definiert. Sieht man es als nachhaltig an, wenn ein einmal produziertes Auto jahrzehntelang gefahren und repariert wird, haben Stromer die besseren Chancen. Derzeit beträgt die durchschnittliche Lebensdauer eines Autos in Deutschland 18 Jahre. Ob das auch für Elektroautos zutrifft, lässt sich zwar noch nicht sagen, jedoch zeigt ein aktueller ADAC-Test des Nissan Leaf, dass Elektro-Boliden einen langen Atem haben. So verlor der Nissan in dem 5-Jahres-Test zwar rund 10 Prozent seiner Batteriekapazität und Reichweite, zeigte sich aber ansonsten robust und zuverlässig. Insbesondere droht beim Stromer anders als bei Verbrenner-Autos seltener ein frühzeitiger, kapitaler Motorschaden.

Ein ernst zu nehmendes Problem ist jedoch die Akku-Produktion für Elektroautos. Wie schon oben bei der Stromerzeugung wird auch die CO2-Bilanz der aufwändigen Batterie-Herstellung unterschätzt, wie eine erschreckende Studie aus Schweden zeigt. Ganz unangreifbar sind die Aussagen der Wissenschaftler aber nicht: So werden beispielsweise weder die Vorkette der Treibstoff-Produktion, noch die Ersatzteile in die Gesamtbilanz einberechnet, die ein Verbrenner benötigt. Ob Elektroautos bei einem fairen Vergleich nicht doch nachhaltiger sind, wird die Zukunft zeigen.

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4. E-Autos lohnen sich finanziell nicht

BMW i3: Der Besteller unter den Stromer gehört mit zu den teuersten Autos im aktuellen ADAC-Ranking.

BMW i3: Der Besteller unter den Stromer gehört mit zu den teuersten Autos im aktuellen ADAC-Ranking.

Chip

Auch hier lässt sich keine allgemeingültige Antwort finden. Ob sich ein Stromer wirklich lohnt, hängt primär vom eigenen Nutzungsprofil ab. Laut des Autokosten-Reports 2017 des ADAC fahren Sie derzeit mit französischen Dieselmodellen und Hybriden am günstigsten.

So kostet beispielsweise der Plug-in-Hybride VW Golf GTE bei fünfjähriger Haltedauer und 15.000 Kilometern jährlicher Fahrleistung 48,9 Cent pro Kilometer. Sowohl der vergleichbare Diesel als auch der entsprechende Benziner kommen mit 51,1 Cent beziehungsweise 54,8 Cent teurer. In seiner Berechnung berücksichtigt der ADAC insbesondere Kaufpreis, Wertverlust, Betriebskosten sowie Steuern und Versicherung des jeweiligen Autos.

Bei reinen Elektrofahrzeugen sieht es hingegen anders aus. Trotz der Elektro-Prämie von 4.000 Euro drückt allem voran der hohe Kaufpreis die Kostenbilanz nach unten. In den 27 Vergleichsgruppen des ADAC fuhr das E-Auto dennoch sechs Mal als Kostensieger auf das Treppchen. Das galt etwa für den Kia Soul EV, der mit 42,1 Cent pro Kilometer zu Buche schlägt. Zum Vergleich: der Benziner kostet 42,3 Cent, der Diesel 43,1 Cent. Bei den anderen Stromern müssen Sie hingegen tief in die Tasche greifen: Der BMW i3 kommt zum Beispiel auf 47,8 Cent, der Renault Zoe auf 46,4 Cent und der Nissan Leaf auf 50,6 Cent pro Kilometer. Alle Modelle sind damit teurer als vergleichbare Benziner.

Doch das könnte sich in naher Zukunft ändern. Neben den sinkenden Verkaufspreisen verschönern vor allem regionale Vorteile die Kosten-Nutzen-Bilanz der Stromer. So lässt sich mit einem E-Kennzeichen etwa kostenlos an Ladestationen parken. Auch über Diesel-Fahrverbote, teure Umweltplaketten und City-Mauts können Elektroauto-Besitzer nur müde lächeln.

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5. Elektro-Autos sind günstiger in der Wartung

Geringer Wartungsbedarf bei Stromern: Vorteil für die Autofahrer, Nachteil für die Autoindustrie.

Geringer Wartungsbedarf bei Stromern: Vorteil für die Autofahrer, Nachteil für die Autoindustrie.

Focus Online

Hier können wir ausnahmsweise uneingeschränkt zustimmen. Da Elektro-Autos weit weniger komplex aufgebaut sind als Benziner, fallen die Wartungskosten spürbar geringer aus. Der BMW-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Manfred Schoch erklärt das eindrucksvoll an einem Beispiel: "Ein Achtzylindermotor hat 1.200 Teile, die montiert werden müssen, ein Elektromotor nur 17 Teile." Ähnlich sieht es beim Getriebe aus, das mangels Abgasanlage bei den Stromern vergleichsweise wenige Einzelteile umfasst - und wo wenig ist, kann nur wenig kaputt gehen. Lediglich bei den Reifen ist der durchschnittliche Verschleiß höher als bei einem Benziner. Der Grund: Die schmalen Reifen der Stromer müssen ein höheres Drehmoment aushalten und daher meist schon nach ca. 25.000 Kilometern getauscht werden. Das entspricht nur in etwa der halben Lebensdauer von Verbrenner-Reifen.

6. Stromer sind leicht entflammbar

Vor kurzem sorgte das Video eines brennenden Tesla Model S für Aufruhr im Netz und fachte die Diskussion um Elektroautos neu an. Lauthals wurden die Stromer als gefährlich und leicht entflammbar verschrien. Tatsächlich stimmen diese Behauptungen nur im Grundsatz, wie Batterie-Experte Werner Tillmetz vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung in Ulm erklärt: "Wenn ein Akku bei einem Unfall aufgerissen wird, kann es zu einem Brand oder zu einer Explosion kommen. Deshalb sind die Zellen beim Elektrofahrzeug in einem Crash-sicheren Gehäuse untergebracht. Bei einem konventionell betriebenen Auto wird der Benzintank analog der Benzintank ja auch besonders geschützt“.

Die Gefahr ist also da - doch wie groß ist sie wirklich? Immerhin gibt es auch bei Benzin-Fahrzeugen tödliche Unfälle, weil die Autos nach einem Unfall in Flammen aufgehen. Das ist mittlerweile jedoch schon so alltäglich geworden, dass es solche Fälle meist nur in regionalen Medien schaffen, während ein brennender Tesla schnell auf den Titelseiten im ganzen Land landet. Um das tatsächliche Risiko realistisch einschätzen zu können, müsste man es im Verhältnis zum Anteil der Stromer am gesamten Fahrzeugmarkt sehen. Bislang ist die Feuergefahr noch nicht statistisch erfasst, sodass sich hier keine klaren Aussagen treffen lassen.

Möglicherweise gehört diese Diskussion aber bereits in wenigen Jahren der Vergangenheit an. Die Lithium-Feststoffbatterie, die mangels Flüssigkeit selbst bei hohen Temperaturen noch sicher arbeitet, steht nämlich kurz vor dem Marktstart. Toyota ist Pionier auf diesem Gebiet und könnte den neuen Akku schon 2020 in seine Autos einbauen.

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7. Elektroautos sind nicht fit für Vollgas

Auch unser letzter Mythos ist nicht völlig aus der Luft gegriffen. So kann bei Elektroautos die Spitzenleistung anders als bei klassischen Benzinern nicht dauerhaft abgerufen werden. Schuld daran sind die Elektromotoren, die weitgehend unabhängig von der Last mit einem Wirkungsgrad über 90 Prozent arbeiten. Je höher die Geschwindigkeit ausfällt, desto stärker steigt auch der primäre Energiebedarf. Als Folge hitzen Motor und Akku stark auf. Dem wirken die die Fahrzeuge automatisch entgegen, indem Sie die Leistung herunter regeln, anstatt weiter zu kühlen.

Anders ist das bei klassischen Benzinern: Die fahren beispielsweise bei Tempo 100 mit einer derart geringen Last, dass der Wirkungsgrad weit vom theoretischen Optimum (etwa 35 Prozent) entfernt ist. Je schneller man hier fährt, desto höher werden Last und Wirkungsgrad. Eine Drosselung wie bei einem Stromer bedarf es daher nicht. Ganz abschreiben sollte man die Elektroautos aber nicht, wie der NextEV Nio EP9 zeigt.

Weitere Einschätzungen zu den gängigsten Mythen rund um Elektroautos erhalten Sie bei unseren Kollegen von Focus Online.

Elektroautos: Stromer-Mythen bei Focus Online im Check

NextEV presents: Nio EP9

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Wer noch mit einem üblichen Benziner fährt, dem empfehlen wir die ADAC-Tankkarte, bei der Sie bei jedem Tanken weltweit sparen.

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