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    "Justice League" vs. "Thor 3": Was DC aktuell besser macht als Marvel

    Im Duell der Superhelden-Studios hatte in den vergangenen Jahren stets Marvel die Nase vorn. Doch für unseren Autor Julius Vietzen hat sich das in diesem Jahr geändert – auch weil er „Justice League“ besser als „Thor 3: Tag der Entscheidung“ fand.

    Warner Bros. / The Walt Disney Company

    Achtung, der folgende Artikel enthält Spoiler zu „Thor 3: Tag der Entscheidung“ und „Justice League“!

    Hier ein Geständnis: Ich mochte „Justice League“ lieber als „Thor 3: Tag der Entscheidung“. Eigentlich bin ich kein großer Fan davon, zwei Filme direkt miteinander zu vergleichen, doch hier bietet sich ein Vergleich nicht nur an, weil es sich um zwei Superheldenfilme handelt, die im Abstand von gerade einmal 16 Tagen veröffentlicht wurden. Vor allem machen Regisseur Zack Snyder und Drehbuchautor und Ersatzregisseur Joss Whedon in „Justice League“ genau das richtig, was Regisseur Taika Waititi und MCU-Mastermind Kevin Feige in „Thor 3“ meiner Meinung nach falsch gemacht haben.

    Was mich an „Thor 3“ so gestört hat, habe ich bereits an anderer Stelle genau erklärt und will ich hier nicht noch einmal in voller Länge ausführen. Wer also meinen Artikel über die problematische Verwendung von Humor und die irritierende Figurenzeichnung im neuesten Marvel-Abenteuer noch nicht gelesen hat, kann das unter diesem Link nachholen. Auch „Justice League“ ist wahrlich kein perfekter Film, die visuellen Effekte etwa sind teilweise wenig überzeugend und Bösewicht Steppenwolf (Ciarán Hinds) bleibt komplett blass. Und dennoch geht das direkte Duell der Superheldenfilme in diesem Jahr an DC.

    Das leidige Thema Ironie

    „Thor 3“ hat mich mit seinem Gag-Dauerfeuer zwar beim ersten Kinobesuch sehr zum Lachen gebracht und mir auch beim zweiten Anschauen noch öfters ein Lachen entlockt, trotzdem gingen mir die allermeisten Gags gehörig auf die Nerven. Was mich an andauernden Ironie und dem penetranten Augenzwinkern, das hier zur Schau gestellt wird, vor allem stört: Marvel und DC drehen Superheldenfilme – und das ist nichts, für das man sich schämen müsste oder das man ständig ironisch kommentieren müsste. Angesichts der Einspielzahlen der Filme im MCU (immerhin das erfolgreichste Franchise aller Zeiten) und DCEU (trotz teilweise mauer Kritiken landeten die ersten vier Beiträge zwischen 668 und 873 Millionen Dollar) kann man wohl mit Fug und Recht behaupten, dass das Publikum gerne diese Art Filme schaut – und zwar nicht, um sich gemeinsam mit den Machern darüber zu amüsieren, wie albern Superhelden doch eigentlich sind, sondern weil es ehrlich Spaß an den Helden und ihren Taten hat.

    „Justice League“ hingegen bietet objektiv betrachtet längst nicht so viele humorvolle Momente wie „Thor 3“, doch konnte ich über die vorhandenen Gags wesentlich befreiter lachen als noch beim direkten Konkurrenzfilm von Marvel. Denn nicht nur verzichten Snyder und Whedon hier fast komplett auf ironisches Augenzwinkern, wie schon bei „Wonder Woman“ sind die Lacher bei „Justice League“ auch wesentlich besser in die Struktur des Films eingebunden. Anders als bei Marvel, wo man bisweilen das Gefühl hat, dass keine einzige Szene oder Figur mehr ohne ironische Brechung stehen bleiben darf, gibt es in „Justice League“ nämlich einzelne humorvollere Passagen (etwa das Geplänkel, wenn sich die Mitglieder der Liga erstmals zusammenfinden), ansonsten ist es vor allem eine Figur, die lustig sein darf, nämlich The Flash (Ezra Miller). Zudem gibt es einige starke Szenen, die dank Situationskomik für Lacher sorgen – etwa die für mich fraglos von Joss Whedon erdachte Szene, in der Aquaman (Jason Momoa) unwissentlich auf Wonder Womans (Gal Gadot) Lasso der Wahrheit Platz nimmt und der verdutzten Gerechtigkeitsliga daraufhin sein Herz ausschüttet.

    Problemfall Figurenzeichnung

    Und wo wir gerade schon beim Thema Figuren sind: Ebenfalls deutlich besser funktioniert in „Justice League“ die Weiterentwicklung der etablierten Figuren und die Einführung der neuen Helden. Humor ist die eine Sache, darüber kann man sich bekanntlich streiten. Was für mich aber ohnehin viel schwerer wiegt: Waititi und Feige opfern in „Thor 3“ die über vier Filme etablierte Hauptfigur (Chris Hemsworth) für ein paar maue Gags und machen aus dem ernsthaften, leicht arroganten und weltfremden Krieger mit der altmodischen Sprechweise einen albernen Spaßvogel und Wichtigtuer, der Wörter wie „cool“ verwendet, und – was fast noch viel schlimmer ist – ein teilweise erbärmliches Weichei, das sich vor einem alten Mann mit Scherenhänden (Stan Lee) und der billigen Lasershow des Grandmaster (Jeff Goldblum) fürchtet.

    Whedon und Snyder hingegen respektieren die Mitglieder der Liga und zeichnen sie so, wie sie in den bisherigen Filmen etabliert wurden und wie man sie aus den Comics kennt. Batman (Ben Affleck) etwa ist eine ähnlich ernsthafte Figur wie Thor, bleibt jedoch anders als der Donnergott in „Thor 3“ stets als Batman zu erkennen – auch wenn er insgesamt optimistischer als noch in „Batman V Superman: Dawn Of Justice“ wirkt und den einen oder anderen spöttischen Spruch in Richtung Aquaman schießt. Wonder Woman ist weiterhin ebenso gutmütig wie mächtig und bildet das Herz der Gruppe, Superman (Henry Cavill) zeichnet sich trotz seiner gottgleichen Fähigkeiten vor allem durch seine Menschlichkeit aus – nicht umsonst gehört ihm die schönste Szene des Films, bei der er mit seiner großen Liebe Lois Lane (Amy Adams) und seiner Mutter (Diane Lane) wiedervereint wird.

    Bei den neuen Figuren halten sich Snyder und Whedon hingegen an die Comicvorlage: Dementsprechend wird Flash als nerdiger Scherzkeks und Cyborg (Ray Fisher) als mit seinem Schicksal hadernder Grübler etabliert. Die einzige Ausnahme hiervon ist Aquaman. Doch auch das ist kein Grund zum Meckern – stattdessen dürfte Momoas wesentlich coolerer Aquaman endlich dafür sorgen, dass sich der König von Atlantis seines Rufs als der Superheld, der mit Fischen sprechen kann, entledigen kann. Selbst wenn sich die Macher von „Justice League“ also von der Comicvorlage lösen, dann treffen sie mit ihrer Figurenzeichnung trotzdem ins Schwarze.

    Ein Erzähluniversum verpflichtet

    Ähnlich wie bei der Figurenzeichnung trägt DC auch hinsichtlich der Einbettung in ein zusammenhängendes Erzähluniversum klar den Sieg davon. Denn „Thor 3“ wirkt für mich wie ein Fremdkörper im MCU. Das liegt zum einen daran, dass es keine filmische Erklärung für den plötzlich völlig veränderten Donnergott gibt. Zwar werden wir den neuen Thor wohl immerhin auch in Zukunft sehen, das versprach zumindest „Thor 3“-Autor Eric Pearson, der an den Drehbüchern zu „Avengers 3: Infinity War“ und „Avengers 4“ mitschreibt. Ungeklärt bleibt jedoch trotzdem die Frage, wie sich Thor dann in die Gruppendynamik der Avengers einfügen soll.

    Zum anderen ist der Tonfall selbst für Marvel-Verhältnisse unangebracht heiter, was nicht nur angesichts der eigentlich ziemlich ernsten Thematik völlig bizarr wirkt – in „Thor 3: Ragnarok“ (so der ungleich apokalyptischere Originaltitel) wird schließlich Asgard zerstört, es werden bekannte Figuren ohne mit der Wimper zu zucken ermordet und der Donnergott selbst verliert ein Auge. Doch was noch viel schwerer wiegt: Da all diese dramatischen Entwicklungen im Gag-Dauerfeuer beinahe komplett untergehen, bleibt „Thor 3“ als nette, aber harmlose Komödie in Erinnerung. Und darauf soll nach einem kurzen Intermezzo („Black Panther“) nun „Infinity War“ folgen? Die alles entscheidende und aller Voraussicht nach sehr verlustreiche Schlacht gegen den Titanen Thanos (Josh Brolin), nach der im MCU nichts mehr sein wird wie vorher? Das passt einfach nicht.

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    In „Justice League“ hingegen beweisen Snyder und Whedon ein glücklicheres Händchen bei der Fortführung von „Man Of Steel“, „Batman V Superman“ & Co. – und bei der Weichenstellung für zukünftige Filme. Denn sämtliche Änderungen und Entwicklungen wirken durch und durch organisch, egal ob es um den insgesamt lockereren Tonfall oder die Zeichnung einzelner Figuren (Stichwort: Batman) geht. In unserer FILMSTARTS-Kritik zu „Justice League“ bringt Autor Björn Becher das mit den folgenden Worten auf den Punkt: „Die Linie, die von „Man Of Steel“ über „Batman V Superman“ zu „Justice League“ führt, wird nun ganz deutlich und auch die schrittweise Veränderung des Erzähltons findet eine schlüssige Fortsetzung.“ Und mit der starken Montage am Ende, die die verschiedenen Figuren bei ihrem Heldenalltag zeigt, unterstreichen die beiden Filmemacher, dass der in „Justice League“ deutlich gewordene, optimistischere und heldenhaftere Weg auch in Zukunft konsequent fortgesetzt wird.

    Deswegen hat mir „Justice League“ besser gefallen als „Thor 3“. Und deswegen hat DC im Duell der Superhelden-Studios aktuell die Nase vorn.

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