Bundesliga

Wolf: "Wo willst Du arbeiten? Wie willst Du leben?"

Stuttgarts Ex-Trainer erklärt sein Aus beim VfB

Wolf: "Wo willst Du arbeiten? Wie willst Du leben?"

Nach seiner Tätigkeit beim VfB freut sich Hannes Wolf über Zeit mit der Familie: Im Sommer 2018 könnte es als Trainer weitergehen.

Nach seiner Tätigkeit beim VfB freut sich Hannes Wolf über Zeit mit der Familie: Im Sommer 2018 könnte es als Trainer weitergehen. imago

kicker: Herr Wolf, wie oft haben Sie es schon bereut, beim VfB Stuttgart nicht weitergekämpft zu haben ?
Wolf: Es ging nicht um kämpfen, sondern um eine offene Einschätzung der Situation und eine Entscheidung über die weitere Vorgehensweise.

kicker: Haben Sie sich verspekuliert, als Sie Präsident Wolfgang Dietrich von seinem Wort entbunden haben, Sie in seiner Amtszeit nicht zu entlassen?
Wolf: Es geht nie um eine Person, zum Beispiel um den Trainer, sondern immer um den Klub als Ganzes. Ich wollte, dass wir gemeinsam die Situation analysieren. Offen und ehrlich. Ich habe das Thema nicht aus Berechnung auf den Tisch gebracht.

Trainersteckbrief Wolf
Wolf

Wolf Hannes

Trainersteckbrief Korkut
Korkut

Korkut Tayfun

VfB Stuttgart - Vereinsdaten
VfB Stuttgart

Gründungsdatum

09.09.1893

Vereinsfarben

Weiß-Rot

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kicker: Hatten Sie gehofft, dass er als Form eines Vertrauensbeweis Ihr Angebot, den Weg freizumachen, ablehnen würde?
Wolf: In dem Moment, in dem ich das Gespräch mit der Klubführung gesucht habe, war klar, dass es so ausgehen könnte. Diesbezüglich habe ich mir nichts vorgemacht.

kicker: Das war also keine Aktion aus der Emotion heraus nach dem enttäuschenden 0:2 gegen Schalke ?
Wolf: Nein, das war es nicht. Spätestens jetzt, nach vier Spielen und zehn Punkten unter Tayfun Korkut, ist doch alles top. Der VfB hat sich in eine gute Situation gebracht. Darüber freue ich mich.

kicker: Ihr Vorgehen und Ihr Verhalten ist für das Fußballgeschäft eher ungewöhnlich.
Wolf: Das mag sein, muss aber nicht für mich gelten. Bei dem Vertrauensverhältnis, das Wolfgang Dietrich und ich bis heute haben, ist das absolut angebracht. Wir hatten alle gemeinsam eine tolle Zeit mit einem ganz speziellen Sommer 2017. Wir haben es nicht nur geschafft aufzusteigen, sondern wir hatten auch eine besondere Verbundenheit. Wir, mein Co-Trainer Miguel Moreira und ich, sind mit uns absolut im Reinen. Wir haben die Mannschaft, den Verein in einem besseren Zustand übergeben, als wir ihn vorgefunden haben. Darauf sind wir stolz. Deswegen ist auch die Verbundenheit zum VfB weiterhin da.

Hannes Wolf und VfB-Maskottchen Fritzle

Am 28. Januar endete die Amtszeit von Hannes Wolf als Trainer des VfB Stuttgart. imago

kicker: Was hat denn letztlich den Ausschlag gegeben, die eigene Zukunft in Frage zu stellen ?
Wolf: Der Gedanke, was man tun kann, um aus dieser Situation das Beste zu machen. Für alle Beteiligten, für uns als Trainer, für die Mannschaft, für den ganzen Verein.

Da traf uns die volle Wucht des Fußballs. Da hätte alles auch ganz anders laufen können.

Hannes Wolf über die letzten Wochen seiner Amtszeit beim VfB

kicker: Fürchten Sie nicht, sich damit auch in der Wahrnehmung als Trainer geschadet zu haben?
Wolf: Das wird man sehen. Ich kann nur wiederholen, dass es nicht um meine Person ging, sondern um den Klub. Ich hätte auch weitergearbeitet, hätte weiter alles gegeben für den VfB. Aber ich wollte nicht, dass das Ganze nur deswegen weiter Bestand gehabt hätte, weil wir gemeinsam aufgestiegen sind und daraus ein besonderes Verhältnis entstand. So, wie es abgelaufen ist, ist es eine saubere Sache.

kicker: Was, wenn Dietrich darauf bestanden hätte, dass Sie weitermachen?
Wolf: Das ist hypothetisch. Wir hätten weiterhin alles reingelegt, um mit der Mannschaft in der Liga zu bleiben. Mit ganzem Herzen und vollem Einsatz. Nach unserem offenen Gespräch wurde anders entschieden, das ist völlig in Ordnung. Ich bin da ganz pragmatisch. Wir hatten fantastische eineinhalb Jahre in Stuttgart. Auch wenn die letzten Wochen etwas schwierig waren. Da traf uns die volle Wucht des Fußballs. Zum Beispiel mit dem völlig unnötigen 1:1 in Hannover , dem unglücklichen 0:1 in Hoffenheim oder gegen Bayern (0:1) , als wir in der Nachspielzeit den Elfmeter verschießen. Da hätte alles auch ganz anders laufen können.

Ich würde es heute mit dem Blick zurück wahrscheinlich etwas anders machen.

Hannes Wolf

kicker: Was hätten Sie anders machen sollen bzw. wollen, damit es nicht soweit gekommen wäre?
Wolf: Uns hat in den letzten fünf Spielen der Hinrunde schon auch das nötige Quäntchen Glück gefehlt, außer gegen Leverkusen (0:2) . Wir hatten nach dem FC Bayern die zweitwenigsten Gegentore aus dem Spiel heraus kassiert. Auf der Suche nach offensiven Lösungen haben wir in unserem Spiel die nötige Schärfe und Konsequenz im Verteidigen verloren. Da hätten wir die Schwerpunkte in der Wintervorbereitung anders akzentuieren können. Allerdings war es angebracht, sich zu überlegen, wie wir offensiv gefährlich sein könnten. Dennoch würde ich es heute mit dem Blick zurück wahrscheinlich etwas anders machen.

kicker: Unter Tayfun Korkut schießt der VfB weiterhin nicht viele Tore, in vier Spielen nur vier Stück. Aber er kassierte dafür auch nur eins.
Wolf: Die Mannschaft hat die defensive Stabilität verinnerlicht. Es ist cool, das zu sehen.

Hannes Wolf

Offen und selbstkritisch: Rückblickend würde Hannes Wolf einiges anders machen. imago

kicker: Fühlten Sie sich von der Klubführung im Stich gelassen?
Wolf: Nein. Ich habe insgesamt immer die Unterstützung gespürt. Vom Präsidenten sowieso und auch nach dem Sportvorstand-Wechsel von Jan Schindelmeiser, der maßgeblich dafür verantwortlich war, dass wir zum VfB gekommen sind, zu Michael Reschke. Dazu in einer heiklen Saisonphase zum Ende der Transferperiode.

kicker: Verspürten Sie auch die Unterstützung von Reschke, dessen Erklärung nach dem 2:3 in Mainz die Lunte zum spätere Aus entzündet hat? Als er meinte: 'Wir müssen uns in der Woche noch mal zusammensetzen, um uns taktische und spielerische Alternativen zu überlegen.'
Wolf: Ich glaube ihm, dass er das anders gemeint hat, nämlich, dass wir im Rahmen unserer gewohnten Gespräche darüber reden würden. Dennoch war die Sache unglücklich und anschließend medial schwierig wieder einzufangen.

kicker: Wäre mit Jan Schindelmeiser so eine Situation überhaupt entstanden?
Wolf: Das kann niemand sicher sagen.

kicker: Dietrich und Reschke wiederholten, dass Sie erklärt hätten, nicht mehr jeden in der Mannschaft erreichen zu können. Können Sie das konkretisieren?
Wolf: Mir ging es noch um etwas anderes.

kicker: Dann bringen Sie bitte Licht in dieses dunkle Eck.
Wolf: Wenn man lange mit einer Mannschaft zusammenarbeitet, gibt es Rollen, in denen sich Menschen befinden. Wir haben Dinge verändert, wollten offensiver agieren und mussten dadurch auch den einen oder anderen Spieler enttäuschen.

kicker: Meinen Sie Spieler wie Takuma Asano, Emiliano Insua oder Andreas Beck, die plötzlich außen vor waren?
Wolf: Ganz unabhängig von Namen: Wenn Rollen aufgebrochen werden, das sieht man jetzt auch unter Tayfun Korkut, dann setzt das Energie frei. Weil jeder eine neue Chance bekommt, sich neue Perspektiven eröffnen. Darin steckt eine Kraft, die man nutzen kann. Da geht es nicht nur um besser oder schlechter - da geht es auch um etwas anderes. Und in dieser Frage war ich mir nicht im Klaren, was das Beste für das Team ist.

Hannes Wolf

Ein Adieu im Guten: Hannes Wolf hat sich von jedem VfB-Profi persönlich verabschiedet. imago

kicker: Hatten Sie Selbstzweifel?
Wolf: Nein, ganz und gar nicht. Ich war nur nicht mehr sicher, ob es besser oder schlechter ist, diese Rollen weiter aufzubrechen. Solche Gedanken zu äußern und diese mit der Klubführung zu besprechen, empfinde ich als völlig normal.

kicker: Auffällig war, dass junge Spieler wie Benjamin Pavard oder Berkay Özcan sich über die sozialen Medien noch einmal persönlich verabschiedet haben. Von den Älteren war hingegen nichts zu lesen. Was sagt das aus?
Wolf: Ich habe mich von allen persönlich verabschiedet und hatte das Gefühl, dass alles okay ist.

kicker: Und nicht, dass zumindest ein paar von den Älteren froh waren, dass Sie weg sind?
Wolf: Es gibt für mich keinen Grund, das zu glauben.

kicker: Hätten Sie Korkuts Serie ebenfalls hinbekommen?
Wolf: Auch das kann ich nicht sagen. Ich freue mich für den VfB, dass es so gekommen ist, und man sich Luft nach unten verschafft hat. Man ist noch lange nicht durch, aber ein erster Schritt ist gemacht. Die defensive Stabilität ist zurück, die Mannschaft spielt sehr griffig, Daniel Ginczek bekommt seinen Rhythmus. Das ist schön zu sehen.

Daniel Ginczek und Hannes Wolf

Weggefährten: Daniel Ginczek und Hannes Wolf. imago

kicker: Sie haben Ginczek sehr vorsichtig eingebaut, Korkut setzt voll auf ihn. Hätten Sie mutiger bzw. risikobereiter sein und sofort auf ihn neben Mario Gomez als Doppelspitze bauen sollen?
Wolf: Das ist das Einzige, was mich derzeit ein wenig in der öffentlichen Diskussion stört: Leider musste 'Ginni' immer wieder verletzt pausieren. Wir haben ihn jedes Mal aufgebaut und anschließend in die Startelf geholt. Nach seiner letzten Verletzung hatte er im Januar nur eine zehntägige Vorbereitung. Wir wollten noch etwas warten und noch mehr Substanz aufbauen - und haben ihn deswegen noch nicht von Beginn an gebracht. Mit dem nötigen Rhythmus und der Fitness hätten wir ihn natürlich von Anfang an gebracht. Daniel ist immer ein Spieler für die Startelf.

kicker: Die VfB-Anhänger träumen wieder. Wo landet der VfB am Ende der Spielzeit?
Wolf: Ich hoffe, dass der VfB die Klasse hält, dass er sich in der Bundesliga etabliert - und freue mich, dass wir dazu einen Teil beigetragen haben.

Ich kann mir grundsätzlich vieles vorstellen.

Hannes Wolf über seine Zukunft

kicker: Und wo landet Hannes Wolf?
Wolf: Das weiß ich nicht. Nach der langen Zeit als Trainer, ich habe mit 23 angefangen und übe diesen Beruf seit neun Jahren aus, ist gerade eine gute Möglichkeit, sich etwas mehr der Familie zu widmen. Etwas Abstand zu bekommen ist sicher nicht schädlich. Im Sommer wird man sehen, was passiert.

Hannes Wolf

Wie geht es weiter? Hannes Wolf kann sich in er Zukunft vieles vorstellen. imago

kicker: Gab es schon Anfragen?
Wolf: Damit beschäftige ich mich im Moment nicht. Es ist klar, dass bis Sommer Pause ist. Dann sehen wir, was passiert.

kicker: Bevorzugen Sie das In- oder das Ausland?
Wolf: Ich würde mich ungern von vornherein in meinen Möglichkeiten einschränken.

kicker: Ist auch eine Rückkehr in den Jugendbereich möglich?
Wolf: Ich kann mir grundsätzlich vieles vorstellen. Mit einer Mannschaft einen Weg zu gehen, wie wir das in Stuttgart gemacht haben, ist großartig - und auch im Jugendbereich ähnlich möglich. Wenn auch ohne die große öffentliche Aufmerksamkeit. Es geht ja nicht nur um die Frage 'Wo willst Du arbeiten?', sondern auch darum 'Wie willst Du leben?'

Interview: Georgios Moissidis