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Volvos "Abschied" vom Verbrenner Die Elektroauto-Revolution, die keine ist

Volvo kündigt eine Kehrtwende an: Ab 2019 soll jeder Volvo einer neuen Modellreihe einen Elektromotor an Bord haben, so das Unternehmen. Das klingt nach revolutionärem Geist. Doch ein Gutteil der angeblichen Revolution ist einer eher drögen Neuerung geschuldet.
Von Wilfried Eckl-Dorna und Nils-Viktor Sorge
Volvos Neuauflage des Kompakt-SUVs XC 60

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Schweden führt der Welt also mal wieder vor, wie es geht: Nachdem die Skandinavier gezeigt haben, dass Männer Kinder aus der Kita abholen können und Arbeitnehmer Chefs duzen dürfen, kündigt der Autobauer Volvo groß das Ende einer Ära an - jene des reinen, im Auto eingebauten Diesel- oder Benzinaggregats.

Ab 2019 wollen die Schweden nur noch neue Modelle auf die Straße bringen, bei denen ein Elektroantrieb den Verbrennungsmotor zumindest ergänzt - oder gleich ganz verdrängt. "Es ist einer der bedeutendsten Schritte, den je ein Automobilhersteller im Bereich Elektrifizierung unternommen hat", brüstet sich Volvo in einer Presseaussendung. "Über 100 Jahre nach der Erfindung des Verbrennungsmotors wird ein neues Kapitel in der Automobilgeschichte aufgeschlagen."

Klingt fortschrittlich, klingt groß, aber durchaus plausibel. Die Schweden eben. "Wir sind entschlossen, der erste Luxusautohersteller zu werden, der sein gesamtes Fahrzeugportfolio in Richtung Elektrifizierung bewegt", drückte es Volvo-Chef Hakan Samuelsson heute aus.

Dabei ist Samuelssons Ankündigung weit weniger spektakulär, als sie zunächst klingt. Im Prinzip tut das Unternehmen nämlich nur das, was derzeit praktisch alle großen Autobauer tun: Sie stellen ihre Flotte nach und nach in Richtung Elektro um - ohne den Verbrennungsmotor dafür allzu rasch aufzugeben.

Volvo hat allerdings einen sehr geschickten Dreh gefunden, eine eher dröge technische Neuerung als Elektro-Revolution zu verkaufen. Denn Volvo stellt ab 2019 - wie wohl auch zahlreiche Konkurrenten - seine Autos auf ein Bordnetz um, das mit 48 Volt läuft statt der bislang üblichen 12 Volt. Dieses Bordnetz kommt etwa bereits bei Bentleys Riesen-SUV Bentayga zum Einsatz. Auch die Neuauflage von Audis Flaggschiff A8, die Ende dieses Jahres auf den Markt kommt, hat das Hochvolt-Netz an Bord.

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Damit lassen sich ohne größeren Aufwand ein paar Spritspar- und Leistungssteigerungstricks realisieren. So werden etwa die Einschalt-Zeiten eines Motors bei Start-Stopp-Systemen viel kürzer, Turbomotoren hängen dank eines per 48-V-Technik möglichen elektronischen Kompressor besser am Gas. Eine kleine Batterie an Bord lässt sich beim Bremsen effizienter laden und kann dem Auto bei Bedarf auch etwas mehr Elektro-Schub geben.

An dieser neuen Hybridtechnik arbeitet aber längst nicht nur Volvo. Auch Audi, BMW und Co. wollen die 48-Volt-Bordnetze möglichst schnell in ihre Autos einbauen. Rechnen dürfte sich das aber eher in größeren Modellen als in Kleinwagen - und da hat Volvo als vergleichsweise kleiner Anbieter eben einen Vorteil. Denn die Schweden bauen Fahrzeuge von der Kompaktklasse aufwärts, für die sie ihrer Positionierung entsprechend auch Luxusautobauer-Preise verlangen.

Ihre Zukunft planen die Schweden mit gerade einmal drei Baureihen. Da fällt es leichter, das komplette Fahrzeugangebot auf 48 Volt-Bordnetze umzupolen. Mit enormen Emissionseinsparungen ist bei den sogenannten Mildhybriden jedoch nicht zu rechnen: Rund 0,7 Liter weniger Sprit je 100 Kilometer verbrauchen solche Hybridsysteme laut Experten. Das ist zwar schon mal was - aber kaum eine Revolution.

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Deutlich geringere Verbrauchswerte versprechen Plugin-Hybride, die ein paar Dutzend Kilometer rein per Elektroantrieb zurücklegen können - und eben rein batteriebetriebene Fahrzeuge, die bei Fahrten überhaupt kein schädliches CO2 oder Stickoxid in die Luft blasen. Auch diese alternativen Antriebe will Volvo stärken - und zwischen 2019 und 2021 fünf rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge auf den Markt bringen.

Doch festlegen wollten sich Volvo-Chef Hakan Samuelsson erstmal nicht, ab wann die Schweden mehr Plugin- oder reine Elektrofahrzeuge als die eher konventionellen Modelle mit Hochvolt-Bordnetz an Bord verkaufen.

So erscheint es durchaus möglich, dass diese Mild-Hybride auch 2025 den Großteil der verkauften Volvo-Neuwagen ausmachen. Volvo-Fahrer müssen also keinesfalls schon in zwei Jahren nervös nach einer Stromtankstelle Ausschau halten, um unterwegs nicht liegen zu bleiben. Der Großteil der Volvo-Fahrer wird wohl noch länger zur herkömmlichen Tankstelle fahren und den Stecker, falls vorhanden, nur gelegentlich ins Auto stecken.

Mit seiner Ankündigung schiebt Samuelsson Volvo durchaus in die erste Reihe der Tesla-Jäger. Doch auch die Schweden schalten nicht komplett auf Elektro um, sondern gehen weiter Schritt für Schritt vor. Die branchenübliche Vorsicht verkaufen sie jedoch sehr geschickt als Beinahe-Revolution.