Zum Inhalt springen

Kritik an Piëchs "Schreckensherrschaft" US-Autolegende Bob Lutz gibt Piëch die Schuld am Abgasskandal

Von Wilfried Eckl-Dorna
Bob Lutz: Der US-Automanager wirft Piëch vor, eine "Schreckensherrschaft" bei VW errichtet zu haben

Bob Lutz: Der US-Automanager wirft Piëch vor, eine "Schreckensherrschaft" bei VW errichtet zu haben

Foto: ? Keith Bedford / Reuters/ REUTERS

Beide haben jahrzehntelange Erfahrung in der Autobranche, einen legendären Ruf als Manager und gelten als harte Knochen. Doch Respekt zollt US-Autoveteran Bob Lutz seinen langjährigen Widerpart Ferdinand Piëch nicht. Im Gegenteil: Der bald 84-jährige Ex-Kampfjetpilot wirft Piëch vor, mit seinem harten Führungsstil bei Volkswagen  die Grundlagen für den Abgasskandal geschaffen zu haben - und gibt ihm so eine Mitschuld an der aktuellen Volkswagen-Misere.

In einer Kolumne  für das US-Automagazin "Road and Track" schlägt sich Lutz mit harten Worten auf die Seite jener Kritiker, die in der autoritären Führungskultur die Keimzelle des Abgasskandals sehen: Piëch habe bei Volkswagen eine "Schreckensherrschaft" errichtet, schreibt Lutz, der als Topmanager für GM, BMW  , Ford  und Chrysler tätig war.

Das Resultat sei eine Kultur, bei der Leistung durch "Angst und Einschüchterung" getrieben war. Damit erreiche man kurzfristige Ziele, doch diese Art der Führung sei "extrem gefährlich".

Piëch sei damit die Wurzel des VW-Skandals um manipulierte Diesel-Motoren. Es sei sogar unerheblich, ob er die Manipulationen angeordnet, still geduldet oder überhaupt davon gewusst habe - er habe die Kultur zu verantworten, in der solche Tricksereien überhaupt gedeihen konnten.

"Ich stelle mir vor, dass VW Ingenieure einmal zu Piëch gesagt haben: 'Wir haben keine Ahnung, wie wir die Abgastests mit unseren Motoren bestehen sollen'", meint Lutz in seiner Kolumne. "Die Antwort in dieser Art von Unternehmenskultur war höchstwahrscheinlich. "Sie werden sie schaffen. Das verlange ich! Oder ich finde jemanden, der es kann!". Wenn in einem Unternehmen der Rausschmiss bei Nichtbestehen der Abgastests drohe, sei es nur menschlich, dass Mitarbeiter zu Tricksereien greifen.

"Der Typ war absolut brutal"

Seine These untermauert Lutz mit einer Anekdote: Er habe in den 1990er-Jahren einmal Piëch gegenüber die perfekten Spaltmaße des damals gerade vorgestellten Golf IV gelobt. Piëch habe ihm dann erklärt, wie er das geschafft habe: Er habe alle Verantwortlichen zu sich gerufen und ihnen erklärt, dass er die lausig-weiten Abstände zwischen den Karosserieteilen satt habe. Seine Mitarbeiter hätten sechs Wochen Zeit bekommen, die Spaltmaße auf Weltklasse-Niveau zu heben - sonst werde er sie alle ersetzen. Diese Drohung habe funktioniert.

"Der Typ war absolut brutal", urteilt Lutz nun über Piëch. Dabei war auch Lutz zu seinen aktiven Zeiten - er ist schon lange aus dem operativen Geschäft raus - nicht gerade als zimperlich bekannt. Und noch ein böses Verdikt fällt Lutz in seiner Kolumne: VW könne seine Strategie, den US-Markt mit "Clean Diesel"-Fahrzeugen zu erobern, in den Wind schreiben. "Das ist Geschichte", urteilt Lutz.

Volkswagen brauche nun eine radikal neue Produktaufstellung, die sich viel stärker am amerikanischen Massengeschmack orientieren müsse.

Lutz ist Freund markiger Sprüche

In das von Lutz gezeichnete Szenario passen Meldungen vom Wochenende. VW-Mitarbeiter sollen gestanden haben, dass die von Ex-Konzernchef Winterkorn vorgegebenen CO2-Einsparziele auf legalem Weg nicht zu schaffen waren. Deshalb habe man zu Tricks gegriffen.

Ganz neu ist die Kritik von Lutz an Piëch nicht - und auch nicht ganz durchgängig. Schon in der Vergangenheit hat er den VW-Patriarchen mehrfach als Diktator bezeichnet. Allerdings hat er sich auch schon anerkennend über Piëch geäußert. Volkswagens Ex-Konzern- und Aufsichtsratschef sei ein brilliantes Produktgenie, das Mittelmäßigkeit nicht toleriere, erklärte er einmal.

Doch in der aktuellen Situation gießt Lutz wohl aus den fernen USA lieber ein bisschen Öl ins Feuer - auch aus Lust an der Provokation. Eines seiner Bücher über seine Erfahrungen als Automanager trägt den wenig subtilen Titel "Car Guys vs. Bean Counters", was sich in etwa als Benzinbrüder gegen Erbsenzähler übersetzen lässt. Ein anderes heißt "Ikonen und Idioten". Um starke Worte war Lutz noch nie verlegen.