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Nordkorea-Flüchtling mit Wurmbefall "So etwas habe ich bisher nur in Lehrbüchern gesehen"

Einen 27 Zentimeter langen Wurm haben Ärzte im Darm eines nordkoreanischen Flüchtlings entdeckt. Viele Menschen in dem Land leiden an Parasiten - Grund ist eine sehr spezielle Düngemethode.

"In meiner 20-jährigen Laufbahn als Chirurg habe ich so etwas nur in Lehrbüchern gesehen", sagt Lee Cook Jong. Der südkoreanische Arzt hat den nordkoreanischen Soldaten betreut, der vergangene Woche über die Grenze geflohen ist und mehrmals angeschossen wurde.

Video: Soldat flieht unter Beschuss aus Nordkorea

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Im Darm des Mannes entdeckte der Chirurg während der OP Dutzende Würmer. Einer der Parasiten war 27 Zentimeter lang.

Experten vermuteten schon länger, dass Parasitenbefall in Nordkorea häufig vorkommt, sagt Cho Min Ho vom Seoul National University College of Medicine. Dass der Soldat befallen sei, sei deshalb nicht überraschend. Verlässliche Zahlen aus Nordkorea liegen nicht vor.

Gedüngt wird mit menschlichen Exkrementen

Ein nordkoreanischer Agrarwissenschaftler, der in den Neunzigern aus dem Land geflohen ist und heute in Südkorea lebt, beschreibt, warum Wurminfektionen wahrscheinlich so verbreitet sind. In den Siebzigern habe der Staat Landwirten ausreichend chemischen Dünger zur Verfügung gestellt, doch seit Beginn der Achtziger habe die Produktion stetig abgenommen, erzählt Lee Min Bok. "In den Neunzigern konnte der Staat die Bauern nicht mehr versorgen, also begannen sie, mit Fäkalien zu düngen."

Weil die Zahl der Nutztiere im Land gering ist, stammen die Fäkalien meist von Menschen. In Nordkorea würden menschliche Exkremente sogar als der beste Dünger überhaupt angepriesen. Die Regierung ruft dazu auf, mit Kot zu düngen.

Für bestimmte parasitäre Würmer sind das optimale Bedingungen - darunter all jene Arten, die den Darm besiedeln und deren Eier dann im Kot stecken. Wird dieser dann als Dünger benutzt, haften die Eier zum Beispiel an Gemüse. Wird dies nicht geschält, gründlich gewaschen oder ausreichend gekocht, infiziert man sich beim Verzehr mit den Würmern. Kinder stecken sich zum Teil an, wenn sie auf kontaminiertem Boden spielen und dann die Hände in den Mund stecken.

Ein globales Problem

In Deutschland sind Wurminfektionen selten, global gesehen sind sie jedoch ein gravierendes Gesundheitsproblem. Etwa 1,5 Milliarden Menschen weltweit sind von Würmern befallen, die sich über Fäkalien und damit verunreinigte Böden verbreiten, berichtet die Weltgesundheitsorganisation WHO. Dazu kommen noch weitere Wurmkrankheiten, deren Erreger andere Verbreitungswege haben, wie etwa die Bilharziose.

Die meisten Infektionen mit Würmern, die sich über Böden verbreiten, gibt es laut WHO  in afrikanischen Staaten südlich der Sahara, auf dem amerikanischen Kontinent, in China und Ostasien. Mehr als 880 Millionen Kinder bräuchten demnach jährlich oder halbjährlich eine Wurmkur, weil sie in Gegenden mit sehr hohem Befall leben.

Wie stark eine Wurminfektion die Betroffenen beeinträchtigt, hängt von der Anzahl der Parasiten ab, ein leichter Befall kann auch ohne Beschwerden verlaufen. Eine größere Anzahl Würmer kann dagegen zu einer Mangelernährung führen, weil die Parasiten auch wichtige Nährstoffe wie Vitamine aufnehmen oder Durchfall auslösen. Darüber hinaus können sie im Magen-Darm-Trakt Blutungen oder andere Schäden verursachen, die zum Teil Operationen notwendig machen. Betroffene sind müde und fühlen sich schwach, bei Kindern wird das Wachstum gehemmt.

Vom Darm in die Lunge und zurück in den Darm

Bei dem Wurm, der im Darm des nordkoreanischen Flüchtlings auf 27 Zentimeter Länge anwuchs, handelt es sich laut einem Medienbericht  um einen Spulwurm (Ascaris lumbricoides). Dessen Eier können lange im Boden überleben. Werden sie verzehrt, schlüpfen die Larven im Darm und wandern über die Blutbahn in die Lunge. Dort entwickeln sie sich weiter und lösen Hustenanfälle aus, so dass sie hochgehustet und dann zum Teil wieder verschluckt werden.

Gelangen sie durch Verschlucken erneut in den Darm, siedeln sie sich dort an. Die Weibchen können mehr als 30 Zentimeter lang werden.

Die WHO schätzt, dass jedes Jahr etwa 60.000 Menschen - vor allem Kinder - an den Folgen eines Spulwurm-Befalls sterben.

wbr/Reuters