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Medienberichte Ist unser Trinkwasser wirklich voller Mikroplastik?

Es klingt alarmierend: Weltweit sollen 83 Prozent des Trinkwassers mit Mikroplastik verunreinigt sein. Doch die Untersuchung eines Journalistenverbundes wird kritisiert.
Foto: Jens Büttner/ dpa

"Tests zeigen, dass Milliarden Menschen weltweit Wasser trinken, das mit Plastikteilchen verunreinigt ist", schreibt  der britische "Guardian". "In Berlin war nur eine einzige Probe - die aus dem Deutschen Bundestag - unbelastet", berichtet  die "Bild"-Zeitung.

Sie beide beziehen sich, wie zahlreiche andere über das Thema berichtende Medien, auf eine Untersuchung , die der Journalistenverbund "Orb Media" veröffentlicht hat. "Bild" hat zusätzlich sechs Trinkwasserproben aus Deutschland analysieren lassen.

Mehr als 150 Proben von fünf Kontinenten habe man analysiert, berichtet Orb Media auf seiner Webseite. 83 Prozent enthielten Mikroplastik - in den USA waren es sogar 94 Prozent der Proben, in Europa 72 Prozent. Die winzigen Plastikteilchen, die bis zu einem Zehntel Millimeter klein sind, zählten Forscher im Labor in Wasserproben aus. Welche Größe Mikroplastik-Partikel haben, ist nicht eindeutig definiert. In der Studie aber wurden kleinere Teilchen nicht ausgewertet.

Was Mikroplastik bewirkt, wenn Menschen es aufnehmen, ist noch nicht hinreichend untersucht. Förderlich für die Gesundheit ist es aber höchstwahrscheinlich nicht. Bestenfalls richten die Partikel keinen Schaden an.

Für die Umwelt sind die Kunststoffstückchen auf jeden Fall ein Problem.

Mikroplastik kann zum Beispiel ins Wasser gelangen, wenn sich von Kunstfasern beim Waschen kleinste Teilchen lösen. Größere Plastikgebilde, Tüten etwa, werden in den Meeren nach und nach mechanisch zerrieben. Das Plastik wird nicht abgebaut, es wird nur in immer kleinere Teilchen zerteilt.

"Es ist richtig, sich des Problems Mikroplastik anzunehmen", sagt auch Ingrid Chorus von der Abteilung Trink- und Badebeckenwasserhygiene beim Umweltbundesamt (UBA). Doch die aktuelle Untersuchung ordnet sie aus mehreren Gründen kritisch ein.

  • Die Methode: "Zählt man Mikroplastik-Partikel unterm Mikroskop, ist die Gefahr sehr groß, dass man die Probe selbst verunreinigt. Man benötigt zum Beispiel hochreine Luft, um dies zu verhindern. Auch die Probenentnahme ist deshalb nicht trivial." Es wäre also möglich, dass das entdeckte Mikroplastik zum Teil nicht aus den Wasserproben stammte, sondern beispielsweise aus der Umgebungsluft. "Das Thema hatten wir vor zwei Jahren schon einmal", sagt Chorus. Damals hatte ein deutscher Forscher über Mikroplastik-Funde berichtet - mit dem UBA wollte er trotz Nachfragen nicht über seine Arbeit sprechen, sagt die Behördenmitarbeiterin.
  • Die Plausibilität: "In Deutschland stammen rund 80 Prozent des Trinkwassers aus dem Grundwasser. Die dicken Bodenschichten, durch die es gesickert ist, sind hervorragende Filter. "In diesem Trinkwasser finden sich zum Beispiel auch keine Viren, die etwa die Größe von Mikroplastik haben", sagt Chorus. Sie hält es deshalb für sehr unwahrscheinlich, dass dieses Wasser mit Mikroplastik verunreinigt ist. "Falls wir Mikroplastik aufnehmen, dann ist Trinkwasser sicher der am wenigsten relevante Pfad."
  • Die Darstellung: "Ich empfinde sie als skandalisierend", sagt Chorus. Denn bei Verunreinigungen gebe es nicht nur Ja oder Nein. Wichtig sei ebenso die gemessene Konzentration. "Die 'Bild' nennt an den drei Standorten in Deutschland extrem geringe Konzentrationen" - rund 2,5 Teilchen auf einem halben Liter Trinkwasser. Dass die eine Gesundheitsgefahr darstellen, ist sehr unwahrscheinlich.

Laut Chorus laufen Forschungsprojekte, um Mikroplastik in Flüssigkeiten - etwa in Wasser - zuverlässig nachweisen zu können. Denn dass die Menschheit Unmengen Plastik produziert und viel zu viel davon in die Umwelt gerät - daran hegt niemand Zweifel.

Hinweis der Redaktion: Die Angaben zur Größe von Mikroplastik wurden präzisiert.

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