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Personalmangel Bewerberrekord bei der Polizei

Millionen Überstunden, Pensionswelle und mehr Einsätze: Die Landespolizeien buhlen bundesweit um Nachwuchs - und machen sich dabei gegenseitig Konkurrenz. Doch längst nicht jeder Bewerber schafft die Ausbildung.
Angehende Polizisten in Sachsen

Angehende Polizisten in Sachsen

Foto: Sebastian Kahnert/ picture alliance / Sebastian Kah

Während etliche Branchen händeringend Nachwuchs suchen, entscheiden sich so viele junge Menschen wie nie zuvor für eine Ausbildung bei der Polizei. Nordrhein-Westfalen und Hessen verbuchen einen Bewerberrekord nach dem anderen, in Bayern gibt es sieben Kandidaten für eine Stelle und auch in Baden-Württemberg sind die Bewerberzahlen hoch. Das zeigt eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur in den Bundesländern.

  • Beispiel NRW: Hier haben sich rund 11.200 junge Männer und Frauen für den Polizeidienst beworben. "Das ist ein Bewerberrekord", sagt Victor Ocansey vom Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der NRW-Polizei (LAFP). Es gebe derzeit keine Anzeichen dafür, dass das Interesse am Polizeiberuf abnehme. Seit 2014 sei die Zahl der Bewerbungen für die Polizei gestiegen.
  • Berlin hat seine Ausbildungszahlen im Vergleich zu 2008 verdreifacht. Bis Ende 2019 sind zudem 800 zusätzliche Stellen geplant. Die Stadt sei gewachsen, es hätten sich viele Überstunden angehäuft, der Krankenstand sei hoch und die Hauptstadtpolizei kämpfe mit Überalterung, begründet das Innensenator Andreas Geisel (SPD). Der Personalaufbau gleiche deswegen einer "Aufholjagd".
  • Auch Hamburgs Polizei soll größer werden. In den kommenden fünf Jahren sollen 2500 Stellen geschaffen werden. Die Hansestadt hat jedoch nach eigenen Angaben größere Probleme, Bewerber zu finden. Zwar gab es im vergangenen Jahr noch etwa zehn Bewerber auf eine Stelle. 2016 waren es allerdings noch fast 18 Bewerber. Das Erreichen ausreichender Bewerberzahlen werde in den nächsten Jahren eine wachsende Herausforderung werden, heißt es im Senat.

Dass gerade NRW bei Polizeianwärtern beliebt ist, hat laut der Gewerkschaft der Polizei (GdP) mehrere Gründe. So wirbt das Land bundesweit mit weitgehender Jobgarantie und guter Bezahlung. "Wegen des finanziellen Anreizes bewerben sich auch etliche Kandidaten aus anderen Bundesländern", sagt Arnold Plickert, stellvertretender Bundesvorsitzender der GdP.

Gewerkschaft fordert einheitliche Besoldung

Denn nach einer Ausbildung verdient ein Polizist in Ostdeutschland keineswegs so viel wie ein Beamter in Bayern oder NRW. Für Personal und Besoldung seien die Länder selbst verantwortlich - und sie entschieden oft nach Kassenlage, kritisiert die Gewerkschaft.

"Im Laufe der vergangenen Jahre hat ein Polizist in NRW auf diesem Weg plötzlich 15 Prozent mehr auf dem Gehaltszettel als ein Polizist in Mecklenburg-Vorpommern." Das wirke sich direkt auf die Attraktivität einer Ausbildung in einem bestimmten Bundesland aus. Polizisten sollten deshalb bundesweit einheitlich oder zumindest vergleichbar besoldet werden, fordert die GdP.

Jeder Zehnte bricht die Ausbildung ab

Ein weiteres Problem: Die hohe Bewerberzahl bedeutet nicht, dass die Nachwuchssorgen der Polizei gelöst sind. Denn viele Bewerber scheitern an den hohen Zulassungshürden. Auch deshalb verzichten einige Bundesländer inzwischen beispielsweise auf Sporttests und fordern stattdessen aktuelle Sportabzeichen.

Und selbst unter den erfolgreichen Bewerbern ist die Zahl der Abbrecher hoch. Gerade im ersten Ausbildungsjahr steigen viele Kandidaten aus. Die GdP warnt bereits vor Lücken in den Planungen und fordert die Landesregierungen auf, nachzusteuern.

"In Nordrhein-Westfalen und in Sachsen fällt mehr als jeder Zehnte in der Ausbildung durch", sagt Plickert. Es sei wichtig, die Zahl der durchgefallenen Kandidaten schnell zu ergänzen, fordert die GdP. "Wir wollen, dass am Ende auch die Zahl neuer Polizisten rauskommt, die angestrebt wurde", sagte Plickert. Mehrkosten entstünden nicht, weil die Ausgaben für die ergänzten Kandidaten im Haushalt bereits eingeplant seien.

Die steigenden Bewerberzahlen sind auch nötig, da viele Landesregierungen die Mannschaftsstärken ihrer Polizei schrittweise erhöhen wollen. Auch bei der Bundespolizei sind Tausende Stellen unbesetzt.

Im Video: Polizei unter Druck

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koe/dpa