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Tod von "Mallorca-Jens": "Ich bin pleite, aber sexy"

Foto: imago/ nicepix.world

Zum Tod von Jens Büchner Ein lautes, schiefes Schalalala

"Wenn es dir schon scheiße geht, dann wenigstens dort, wo es schön ist": Seine Tragik hat "Mallorca-Jens" Büchner selbst erkannt, nun ist er tot. Am erfolgreichsten war er damit, unerfolgreich zu sein.

Der Soundtrack seines Lebens ist ein lautes, schmettriges, ein bisschen schiefes Schalalala. So ein trotziges, im dunklen Keller zu singendes, Rotz hochziehendes Selbstaufmunterungs-Jodlerchen, wie es in den meisten seiner Lieder vorkommt: "Ich bin ne arme Sau/ Schalalalala / hab kein Geld und keine Frau", oder "Geld weg, Frau weg, Laden weg / Schalalala, alles weg / ich bin pleite, aber sexy", hieß es in diesen Bankrott-Bänkelgesängen, und sie fassen die Tragik des Jens Büchner in wenigen Knittelversen zusammen: Am erfolgreichsten war er damit, unerfolgreich zu sein.

Geboren wurde er 1969 im sächsischen Zwenkau, wuchs im Dorf Eythra auf, das in den Achtzigerjahren vom Kohlebergbau überbaggert wurde. Zunächst lernte Jens Büchner Schlosser, dann folgte eine ganze Kaskade von Berufen und "Berufen", die ineinanderpurzelten wie unsachgemäß arrangierte Dominosteine: Er war hauptamtlicher Stasimitarbeiter, Finanzwirt, Küchenhilfe im Bistro "König von Mallorca", Heizungsverkäufer, Schmuckdesigner, Badehosenmodel, Hotelier, Gastronom - und Schlagersänger. Ein Scheiterhaufen.

Ein Fernsehgeschöpf, für das Trash-Genre geschnitzt

Seit 2011, kurz nach seiner Übersiedelung nach Mallorca, wurde seine Scherbenreise dabei von der Sendung "Goodbye Deutschland- Die Auswanderer" begleitet. Bald gehörte er zum festen Ensemble der Sendung, trat in Specials auf, zuletzt am 12. November, als er in vor Monaten gedrehten Szenen, sichtbar angegriffen und erschreckend dünn, über seine angeschlagene Gesundheit klagte: Sein "Dreckslokal", die inzwischen geschlossene "Faneteria", die er mit seiner Frau Daniela betrieb, habe ihm schlimme Magengeschwüre beschert, weil er mangels Personal die meiste Arbeit selbst habe erledigen müssen. Man sah ihm dabei zu, wie er ungelenk einen traurigen Zuckerrand an ein Cocktailglas fabrizierte.

Jens Büchner war ein Fernsehgeschöpf, eine für die Bedürfnisse des Trash-Genres geschnitzte Figur und ein oft schlecht beratenes, von Format zu Format trudelndes Teilchen, dem diese Abhängigkeit völlig klar zu sein schien. Er ließ sich das Logo des "Auswanderer"-Kanals Vox wie einen Markenstempel auf den Arm tätowieren, als sei er ein Teddybär und der Sender sein Hersteller. Darüber trug Büchner ein zweites Tattoo, die Namen seiner leiblichen Kinder, die er mit drei Frauen hatte: Jenny, Jessica, Leon, Diego und Jenna. Seine zweite Ehefrau Daniela brachte drei eigene Kinder mit in die Beziehung.

Umrahmt waren die Namenstattoos vom Umriss der Insel, auf der Büchner in sonderbaren Orten wie seinem Laden "Store & More" oder der Trashsängerbar "Krümels Stadel" dem Glück hinterherstolperte. "Wenn es dir schon scheiße geht, dann wenigstens dort, wo es schön ist", sagte Büchner einmal. Die Insel und alle beruflichen und privaten Debakel, die er auf ihr erlebte, wurden schließlich Teil seines Namens: Mallorca-Jens, oder einfach nur Jenser, Nachname nicht mehr nötig.

Manchmal konnte der Jenser auch rühren

Seine "Goodbye Deutschland"-Popularität verschaffte ihm schließlich die Teilnahme an prominenteren Trash-Formaten. Büchner saß im Dschungelcamp, wo er unter Tränen von einer falschen Krebsdiagnose erzählte - eineinhalb Monate lebte er danach im Glauben, unheilbar krank zu sein, woraufhin er sich selbst aufgegeben und in kürzester Zeit 7000 Euro versoffen hatte. (Was bitter ist: Lungenkrebs sollte knapp zwei Jahre später tatsächlich die Todesursache sein.) Im "Sommerhaus der Stars" spuckte er, begleitet von seiner Frau, als "Team Büchner" Gift und Galle gegen diverse Mitbewohner, erzählte viel und stolz von seinem bar bezahlten Mercedes, dem Luxusleben auf Mallorca.

Bei YouTube gibt es ein Video namens "Jens Büchner grölt Schlager bei Kik in Tangermünde". Das kurze, zwei Jahre alte Filmchen zeigt exakt das, und womöglich ist dieser Videotitel die beste Pars-pro-toto-Formulierung, wenn man Büchners unterhaltendes Schaffen in einem Satz beschreiben sollte.

Dieses unablegbar Gröhlerische, es nervte oft. Manchmal, in seltenen stillen Momenten, konnte der Jenser auch rühren. Etwa, wenn er - wohl in Ermangelung eigenen Gepäcks - mit einem Kinderkoffer, den die Eisprinzessin Elsa zierte, nach Australien ins Dschungelcamp reiste. Oder wenn bei Team Büchner selbst ein relativ unkompliziertes Unterfangen wie ein neues Tattoo schiefging. "King" und "Queen" wollten sich die Büchners auf den Arm ritzen lassen, ein trauriger Ballermann-Schmierabklatsch des Bowieschen "We could be heroes"-Gedankens: I, I will be king, and you, you will be queen.

So lange bemühte er sich, es zu schaffen, ohne wohl selbst ganz genau zu wissen, was "es" eigentlich sein sollte. Aber nicht einmal symbolisch wollte der Aufstieg, der Erfolg, die Krönung gelingen. Ein komischer Endschnörkel verhunzte die Allmachtsträume, und am Ende waren die Büchners dann also doch nur "King" und "Queem".

Eigentlich Stoff für ein neues Schalala-Scheißdrauf-Lied, das der Jenser nicht mehr singen kann.