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Interview zum Studienplatztausch "Die Münchner gehen brachial vor"

Mit dem Studienplatztausch kennt sich in Deutschland wohl niemand besser aus als Manfred Bähr. Er leistet erste Hilfe für die ZVS-Opfer: Wer einen Platz fernab der Wunsch-Uni erhalten hat, für den kann Bährs Tauschbörse die Rettung sein. Im Interview erklärt er, warum Studenten es schwer haben, wenn es sich Hochschulen leicht machen.

SPIEGEL ONLINE:

Herr Bähr, Sie vermitteln Studenten, die ihren Studienplatz tauschen wollen. Was halten Sie davon, wenn die Uni-Verwaltungen wie in München oder Köln den Tausch für Studienanfänger aus Prinzip verbieten?

Manfred Bähr: Die Münchner gehen brachial vor, da wird den Studenten unnötig das Leben schwer gemacht. Bis zur Uni-Verwaltung in München ist noch nicht vorgedrungen, dass eine Verwaltung einen gewissen Service leisten sollte. Weil die Universität München einen guten Ruf hat, meint die Verwaltung, Service müsse sie nicht interessieren.

SPIEGEL ONLINE: Das Tauschverbot ist vor Jahren eingeführt worden, weil dadurch ein angeblich schwunghafter Handel mit Studienplätzen verhindert werden sollte. Gab es Tauschaktionen, bei denen jemand Geld bezahlt hat, um einen Studienplatz in München zu bekommen?

Bähr: Ich will nicht ausschließen, dass es einzelne Fälle gegeben hat. Anfang der neunziger Jahre gab es nämlich die große Chance, zum Beispiel einen Medizinstudienplatz zu bekommen, auch wenn die Abiturnote nicht so gut war - weil die Hochschulen im Osten dazu kamen. Da haben sich Leute in Greifswald beworben, um überhaupt einen Medizin-Platz zu bekommen. Die haben dann Zettel ausgehängt: Biete 5000 Mark für den Tausch nach München. Die Leute von der Verwaltung in München sind ihre Schwarzen Bretter abgegangen, haben die Summen, die da standen, notiert und als Tatsache genommen.

SPIEGEL ONLINE: Es hat also Aushänge an den Schwarzen Brettern gegeben. Aber reicht Ihnen das schon als Beweis dafür, dass tatsächlich Handel in großem Stil stattgefunden hat?

Bähr: Nein. Ich glaube nämlich, dass kaum jemand auf solche Aushänge eingegangen ist. Für 5000 Mark gibt man einen Studienplatz in München nicht her. Ich gehe noch weiter: Selbst wenn 10.000 Mark geboten worden wären, es hätte fast keinen gegeben, der seinen Studienplatz für den Preis verkauft. Es geht schließlich um die Berufsausbildung, das kann man nicht mit Geld aufrechnen.

SPIEGEL ONLINE:Und wie sieht es heute aus?

Bähr: Dass es einen illegalen Handel mit Studienplätzen gibt, ist mittlerweile sehr an den Haaren herbei gezogen. Das ist ein Argument, das den Studentensekretariaten nur dazu dient, sich Arbeit vom Hals zu halten. Die allermeisten Leute sind ehrlich, wollen den Studienplatz völlig berechtigt tauschen.

SPIEGEL ONLINE: Die Uni-Verwaltung der LMU in München sagt, es sei ihrer Verbotsregelung zu verdanken, dass die Geschäftemacherei mit Studienplätzen heute nicht mehr möglich ist.

Bähr: Ich bitte Sie, wenn jemand das dringend machen will, dann macht er es zum zweiten Semester. In höheren Semestern ist der Tausch nach München ja möglich. Wen würde es hindern, gerade einmal vier Monate auf das nächste Semester zu warten? Überhaupt gar keinen. Ich sage es noch einmal: Der Handel mit Studienplätzen findet so gut wie gar nicht statt. Das könnte man übrigens leicht herausfinden.

SPIEGEL ONLINE: Wie denn - sind die Studentensekretariate nicht überfordert, wenn sie jeden einzelnen Tausch überprüfen müssen?

Bähr: Der Universitätsverwaltungen sind sehr wohl in der Lage, Einzelfälle zu prüfen. Wenn einer tauscht und sich danach gleich wieder abmeldet, dann war der Tausch wahrscheinlich fingiert. Die Überprüfung, ob nach dem Tausch beide Studenten immatrikuliert bleiben, ist dank EDV ein Knopfdruck. Mehr nicht. Die Unis müssen nur ihre Daten untereinander austauschen: Eine E-Mail genügt doch. Das kann man machen, wenn der Ansturm durch Erstsemester vorbei ist, im November zum Beispiel. Wenn sich dann herausstellen sollte, dass bei einem Tausch etwas nicht stimmt, dann kann man den auch nachträglich wieder zurücknehmen.

SPIEGEL ONLINE: Medizin in München und BWL in Köln sind überaus beliebt. Kann man die Unis nicht verstehen, wenn sie die Zahl der Bewerber einschränken wollen?

Bähr: Ob ein Studienort beliebt ist oder nicht, ändert sich doch ständig. Früher wollten zum Beispiel viele zum Medizinstudium nach München. Das ist nach unseren Erfahrungen nicht mehr so. Zum letzten Semester wollten Leute im Fach Humanmedizin aus München weg und nicht dorthin tauschen.

SPIEGEL ONLINE:Wie bitte? Die strenge Immatrikulationsordnung in München sollte ursprünglich erschweren, dass sich Studenten in München einkaufen - heute verhindert sie, dass Leute aus München weg kommen?

Bähr: Überspitzt gesagt, ja. Ein Geschäft kann man jedenfalls nicht mehr machen, wenn man einen Studienplatz in München zugewiesen bekommt. Das muss übrigens nichts mit der Qualität der Lehre dort zu tun haben, hohe Mieten und Kosten für die Lebenshaltung spielen auch eine Rolle.

SPIEGEL ONLINE: Sollten die Unis in Zukunft nicht mehr so stur mit dem Thema Studienplatztausch umgehen?

Bähr: Wir fordern: Ein Tausch zum ersten Semester muss möglich sein. Es ist fachlich für den Studierenden ein Vorteil, an seiner Wunschuniversität zu studieren. Es bringt auch für den Fachbereich mehr, gleich den Studierenden zu haben, der zumindest das komplette Grundstudium am Ort erledigt. Studienzeiten sind nur dann einzuhalten, wenn ich nicht erst auf Wohnungssuche gehen muss oder eine so teure Wohnung habe, dass ich nebenher arbeiten muss. Manche Unis haben längst gemerkt, dass ihr Image unter dem Tauschverbot leidet. Weil man nicht abschrecken wollte, haben viele die Verbote ausdrücklich wieder zurück genommen.

SPIEGEL ONLINE: Welchen Rat geben Sie Studenten, die zum nächsten Semester wagen wollen, ihren Studienplatz zu tauschen?

Bähr: Prüft die Sachlage sehr genau! Für einen Wechsel zum ersten Semester müssen folgende Punkte gegeben sein: a) Vollstudienplatz für beide, b) beide müssen eingeschrieben sein, c) keiner von den beiden darf durch ein Sonderverfahren an den Studienplatz gelangt sein. Sonderverfahren sind etwa Auswahlgespräche oder bestimmte soziale Kriterien wie Härtefallregelungen. Wenn man alle diese Punkte beachtet, kann man sich auch auf eine Klage einlassen. Ansonsten gilt: Spart euch das Geld.

SPIEGEL ONLINE: Geld? Um den Platz zu kaufen?

Bähr: Nein, für den Anwalt natürlich.

Das Interview führte Jörg Hackhausen