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Embleme in sächsischem Polizeipanzer Der Fall "Survivor R"

Stickereien auf den Sitzen eines sächsischen SEK-Panzers sorgen für Empörung: Verharmlosen die Sicherheitsbehörden NS-Ästhetik?
Sitze im Polizeipanzerwagen "Survivor R"

Sitze im Polizeipanzerwagen "Survivor R"

Foto: Dirk Knofe/ dpa

Ein Wappen, drumherum Zweige, stilisierte Adlerschwingen und zwei Schriftzüge in einer historischen Schriftart: So sieht das Logo aus, das der Rüstungskonzern Rheinmetall auf die Sitze eines neuen Polizeipanzers sticken ließ. Die Stickereien in dem Spezialfahrzeug haben eine Debatte ausgelöst - über den Umgang der Sicherheitsbehörden mit der NS-Vergangenheit und mangelnde Sensibilität bei diesem Thema.

Eigentümer des Spezialfahrzeugs mit dem Namen "Survivor R" ist der Freistaat Sachsen. Das zuständige Innenministerium und das Landeskriminalamt stehen nun wegen des fraglichen Logos in der Kritik, erinnert es doch stark an die Ästhetik des Nationalsozialismus.

Worum genau geht es?

Am Sonntag verbreitete sich in sozialen Medien ein Foto, auf dem die Sitze des neuen Panzers zu sehen sind. Kritik erregt vor allem die Bestickung der Rückenlehnen: ein mit Zweigen umringtes Wappen, flankiert vom Schriftzug "Spezialeinsatzkommando Sachsen" . Beide Wörter sind in einer sogenannten gebrochenen Schrift gehalten.

Das Innenministerium hatte den Panzer im Februar beim Rüstungskonzern Rheinmetall bestellt, wie es in einer Mitteilung des Unternehmens  heißt. Es handele sich dabei um einen von insgesamt zwei "Survivor R", die Rheinmetall MAN Military Vehicles (RMMV) - ein Tochterunternehmen von Rheinmetall Defence und MAN Nutzfahrzeuge - für die sächsische Polizei hergestellt hat. Der erste Panzer wurde am Freitag übergeben, der zweite soll laut Rheinmetall noch vor Weihnachten ausgeliefert werden.

Fotostrecke

Polizei: Schwer gepanzertes Spezialfahrzeug

Foto: Rheinmetall Defence

Die mehr als 13 Tonnen schweren Panzer sind gegen Beschuss und Sprengfallen gesichert (mehr zur Ausstattung des "Survivor R" lesen Sie hier). Mit den beiden Spezialfahrzeugen wollen die Sicherheitsbehörden in Sachsen etwa auf Amok- und Terrorlagen reagieren können. Beamte sollen damit sicher zu einem Einsatzort gelangen, Verletzte aus Gefahrenzonen gebracht werden.

Im Video: Der "Survivor R"

SPIEGEL ONLINE

Was hat es mit der Stickerei auf sich?

Die Kritik entzündet sich vor allem an der Schriftart, die der in Deutschland vor allem bis in die Vierzigerjahre verwendeten Frakturschrift ähnelt. In weiten Teilen der Bevölkerung werden gebrochene Schriften mit dem Nationalsozialismus in Zusammenhang gebracht, auch rechte Gruppierungen und Neonazis greifen häufig auf solche Schrifttypen zurück.

Darüber hinaus handelt es sich bei dem Emblem nicht um das offizielle Wappen des Freistaats - sondern um eines, das stark an das Wappen des früheren Königreichs Sachsen erinnert: An den Seiten sind zwei Löwen zu erkennen, etwas weiter oberhalb ist eine Krone abgebildet. Ein klares Bekenntnis zum demokratischen Nachkriegsdeutschland dürfte aus Sicht von Kritikern anders aussehen.

Wer ist verantwortlich für die Stickerei?

Geordert hatte den Polizeipanzer das sächsische Innenministerium, das sich gegen Kritik verwahrt. "Das Fahrzeug wurde mit dieser Bestickung der Sitze vom Hersteller so ausgeliefert", heißt es in einem Tweet der Behörde vom Sonntag - und: "Darin ein Indiz für rechte Attitüde zu sehen, weisen wir entschieden zurück."

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Inzwischen hat das Innenministerium diese Darstellung korrigiert: Die Vorlage für das Logo mit dem Schriftzug habe das Landeskriminalamt dem Hersteller vorgelegt, nachdem Rheinmetall eine Bestickung der Sitze ohne Zusatzkosten angeboten habe, sagt Ministeriumssprecher Jan Meinel. Diese Vorlage sei nicht mehr vom Ministerium geprüft worden.

Das Landeskriminalamt teilt die Auffassung der Kritiker nicht. "Das Logo ist ein Fantasiekonstrukt zur internen Verwendung", sagt LKA-Sprecher Tom Bernhardt. "Das Logo gibt es so, wie es auf den jetzt kursierenden Bildern zu sehen ist, bereits seit 1991." In einem Polizeifahrzeug angebracht wurde es laut Bernhardt nun zum ersten Mal.

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Nach der Wiedervereinigung, sagt Bernhardt, sei das SEK Sachsen  mit Unterstützung aus Baden-Württemberg aufgebaut worden - dabei sei das jetzt kritisierte Logo in Anlehnung an ein ähnliches Logo entstanden, dass es im Südwesten damals gegeben habe. "Da hat sich 26 Jahre lang keiner dran gestört", sagt Bernhardt. "Das Markenhandbuch steckte damals noch in den Kinderschuhen."

Bei dem Markenhandbuch  handelt es sich um eine Richtlinie, die vorgibt, mit welchen Symbolen staatliche Institutionen wie die Polizei öffentlich auftreten dürfen. Vorbild sei damals das interne Logo des SEK Baden-Württemberg gewesen, sagt Bernhardt.

Logo des SEK Baden-Württemberg

Logo des SEK Baden-Württemberg

Foto: Ministerium für Inneres Baden-Württemberg

Tatsächlich handelt es sich auch bei dem baden-württembergischen Emblem um eine veränderte Variante des Staatswappens: Unter anderem sind auf dem mehr als 40 Jahre alten Logo ein Ritterhelm sowie an den Seiten Tiere zu sehen.

Der Hersteller des umstrittenen Fahrzeugs hält sich bedeckt: "Rheinmetall möchte den Vorgang nicht kommentieren", sagt Konzernsprecher Oliver Hoffmann. Ob es Bedenken oder eine Debatte über das Stickmuster gegeben habe, entziehe sich seiner Kenntnis.

Wie rechtfertigt die Polizei das Wappen?

Der Innenraum eines Fahrzeugs sei nicht Teil der Außendarstellung des SEK, sagt LKA-Sprecher Bernhardt. Das nun diskutierte Logo gehöre zum "Prozess der Individualisierung" der Einheit, für die Zusammenhalt und gegenseitiges Vertrauen sehr wichtige Faktoren seien - das Emblem sei daher wichtig: "Für uns ist das eine identitätsstiftende Maßnahme."

Zudem handele es sich bei dem Wappen nicht um eine historische Adaption, sondern um ein internes Symbol mit klarer Bedeutung für die Beamten: Im Polizeiruf trage das SEK den Namen "Krone", daher sei eine solche auf dem Logo abgebildet. Die beiden Löwen seien dem Stadtwappen von Leipzig entliehen, wo das Einsatzkommando stationiert sei. Und die stilisierten Flügel seien auch Teil des offiziellen Logos - das trage jeder Beamte der Einheit ebenso wie das aktuelle sächsische Staatswappen auf der Uniform.

Was hat es mit dem Schriftzug auf sich?

Zur Kritik, die verwendete Schriftart erinnere an NS-Ästhetik, sagt LKA-Sprecher Bernhardt: "Ich kann verstehen, dass das aus der Entfernung betrachtet so aussieht." Es seien aber die Nationalsozialisten gewesen, die die Frakturschrift abgeschafft und durch noch heute gängige Standards ersetzt hätten.

Das NS-Regime untersagte die Verwendung der Frakturschrift in einem Rundschreiben der Reichskanzlei  im Januar 1941: "Die Verwendung der Schwabacher Judenlettern durch Behörden wird künftig unterbleiben", heißt es darin. Hintergrund der Entscheidung war auch, als vermeintliche künftige Weltmacht eine international lesbare Schrift durchzusetzen, wie die Heidelberger Philologin Janina Reibold schreibt .

Aber ändert das etwas daran, dass gebrochene Schriften allgemein mit der deutschen NS-Vergangenheit assoziiert werden? "Es ist immer eine Frage des Betrachtungswinkels", sagt LKA-Sprecher Bernhardt. Gebrochene Schriften seien nicht grundsätzlich verpönt, immerhin nutze etwa auch die "Frankfurter Allgemeine" eine solche Schriftart auf ihrer Titelseite. "Und ich glaube, es herrscht Einigkeit darüber", sagt Bernhardt, "dass das kein rechtsradikales Blatt ist".

Welche Konsequenzen folgen nun?

Der Fall wird wohl schon bald die Politik beschäftigen: Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen im sächsischen Landtag, hat zu dem Thema eine Kleine Anfrage an die schwarz-rote Regierung in Dresden gestellt. Darin geht es auch um die strittige Bestickung der Sitze im "Survivor R".

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"Wir waren ehrlich gesagt schon erschrocken, dass so eine Welle des Ungemachs über uns hereinbricht", sagt LKA-Sprecher Bernhardt. Er sei nach wie vor überzeugt, dass die Aufregung bei nüchterner Bewertung der Fakten übertrieben sei. Trotzdem zeige der Fall, dass ein sensiblerer Umgang angezeigt sei.

Bei künftigen Entscheidungen wolle man die jetzige Debatte berücksichtigen, sagt Bernhardt - "ohne den Eindruck zu erwecken, dass wir jetzt bei irgendwas ertappt worden sind". Wichtig sei nun aber vor allem, den Ruf der Behörden und Beamten zu schützen: "Ich will, dass weder das SEK noch die sächsische Polizei in die rechte Ecke gedrängt werden."

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"Wir werden die aktuelle öffentliche Diskussion zum Anlass nehmen, die Verwendung des Logos in dieser Form kritisch zu prüfen", twitterte das sächsische Innenministerium. Und LKA-Sprecher Bernhardt sagt, man könne die umstrittenen Logos im "Survivor R" möglicherweise einfach überdecken. Für die Zukunft stehe jedenfalls fest: "Ich würde das nicht noch einmal befürworten."

Mitarbeit: Florian Gathmann