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Pyrotechnik als Waffe Was sind "Polenböller"?

Im sächsischen Freital sind fünf mutmaßliche Rechtsterroristen festgenommen worden. Bei Razzien fand die Polizei jede Menge "Polenböller". Was weiß man über die gefährlichen Knaller?
"Polenböller" mit Totenkopf: Lebensgefahr durch Pyrotechnik

"Polenböller" mit Totenkopf: Lebensgefahr durch Pyrotechnik

Foto: Malte Christians/ dpa

Im sächsischen Freital hat die Eliteeinheit GSG 9 fünf mutmaßliche Rechtsterroristen festgenommen. Ihnen wird zur Last gelegt, im vergangenen Herbst Asylbewerberheime in Freital und ein alternatives Wohnprojekt in Dresden mit Steinen und Feuerwerkskörpern angegriffen zu haben. Sie sollen außerdem einen Anschlag auf ein Parteibüro der Linken verübt und das Auto eines Freitaler Stadtrats in die Luft gesprengt haben. Der Vorwurf: schwere Körperverletzung und versuchter Mord.

Bei Hausdurchsuchungen entdeckten die Ermittler am Dienstag eine dreistellige Anzahl von Feuerwerkskörpern aus Tschechien - sogenannte Polenböller. Worum handelt es sich dabei?

Was ist ein "Polenböller"?

Sie heißen "Cobra" oder "Viper", sind als "Monsterböller" bei Pyro-Fans ebenso beliebt, wie bei Sicherheitskräften und Feuerwehren gefürchtet. Pyrotechnik des Typs "La Bomba" enthält knapp drei Gramm Explosivstoff - explodiert ein solcher Sprengsatz vor dem Abwurf, wird die Hand komplett zerfetzt.

"Polenböller", auch "Tschechenböller" genannt, werden vor allem in China, aber auch in Italien hergestellt und überwiegend an der deutsch-polnischen Grenze verkauft. Sie enthalten mehr Sprengstoff als die handelsüblichen Böller, noch dazu in einer Kombination, die in Deutschland verboten ist. Magnesium und Aluminium sorgen dafür, dass die Explosion stärker und schneller erfolgt. Die Stoffgemische variieren stark, oft ist völlig unklar, welche Bestandteile zu welchen Anteilen verarbeitet wurden. Die Zündschnüre werden nicht überprüft und können mitunter extrem schnell abbrennen, was die Zeit, sich vom Sprengsatz zu entfernen, deutlich verringert. Auch defekte Latexverschlüsse in der Hülle können zu einer verfrühten Explosion führen.

Welche Wirkung entfalten die Sprengsätze?

Bei YouTube kursieren jede Menge Videos, die zeigen, welch verheerende Wirkung die Böller haben können, wenn sie in Dosen, Bücher oder Holzkisten gesteckt und dann gezündet werden. Die Behältnisse werden dabei nach der Explosion wie Geschosse meterweit durch die Luft geschleudert. Sie entfalten dabei eine beträchtliche Zerstörungskraft und können Menschen schwer verletzten oder gar töten. Anfang Januar riss ein unerwartet explodierender "Polenböller"-Blindgänger einem Elfjährigen in Berlin zwei Finger ab. Diebe oder Randalierer nutzen die gefährlichen Knaller unter anderem, um Zigaretten- oder Bankautomaten zu sprengen. Im Dezember wurde in Nordrhein-Westfalen ein 29-Jähriger von einem durch die Luft fliegenden Stahlteil getötet, nachdem er einen Kondomautomaten in die Luft gejagt hatte. Die illegalen Sprengkörper, sagen Experten, können die Wirkung einer Handgranate entfalten.

Sind "Polenböller" in Deutschland erlaubt?

"Polenböller" sind in Deutschland nicht zugelassen. Sie entsprechen nicht den geltenden Sicherheitsstandards und haben eine wesentlich höhere Sprengkraft als die hiesige Ware. Es besteht die Gefahr von Fehlzündungen.

"Polenböller" mit 12 Gramm Schwarzpulvergemisch

"Polenböller" mit 12 Gramm Schwarzpulvergemisch

Foto: A3828 Christian Hager/ dpa

Der Verkauf von Pyrotechnik ist in Deutschland nur vom 29. bis 31. Dezember, also kurz vor dem Jahreswechsel, erlaubt - in Polen hingegen das ganze Jahr über. Das führt dazu, dass sich etwa Fußballfans auf den Märkten der grenznahen polnischen Orte mit Böllern eindecken, um diese dann während der Spiele oder außerhalb des Stadions zu zünden. Die Bundespolizei beobachtet dies mit Sorge, denn die Böller sind potenziell lebensgefährlich. Erst Ende März gab es acht Verletzte bei Explosionen auf einem Wochenmarkt nahe der deutsch-polnischen Grenze. In Osinow Dolny war ein Container mit Feuerwerkskörpern explodiert.

Der Import von Pyrotechnik, die mehr als sechs Gramm Schwarzpulver enthält, ist illegal. Allgemein dürfen nach Deutschland nur Feuerwerkskörper eingeführt werden, die mit dem Prüfsiegel BAM der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung oder dem CE-Siegel versehen sind. Es muss außerdem die Klasse angegeben sein, bei erlaubter Pyrotechnik ist das Kategorie II. Bei Zuwiderhandeln droht ein Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz.

Wo kann man die illegalen Knaller erwerben?

Vor allem auf grenznahen polnischen Märkten, aber auch auf dem Bundesgebiet. Ende Dezember wurde in Schleswig-Holstein fast eine halbe Tonne illegaler "Polenböller" in einer Wohnung in Uetersen sichergestellt. Laut Polizei wurden die Sprengkörper direkt in den Räumen verkauft - noch während des Einsatzes erschienen immer wieder potenzielle Käufer an der Haustür.