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Probleme der AfD Und plötzlich geht es bergab

In Schleswig-Holstein holte die AfD ein schwaches Ergebnis, in Nordrhein-Westfalen könnte sich das am Sonntag wiederholen. Der Partei kommt ihr klassisches Thema abhanden - die Flüchtlingskrise.
Spitzenduo Alice Weidel und Alexander Gauland

Spitzenduo Alice Weidel und Alexander Gauland

Foto: Sascha Schuermann/ Getty Images

Bis vor Kurzem war die AfD erfolgsverwöhnt. Es gab zweistellige Rekordergebnisse, in Sachsen-Anhalt kam sie auf 24,3 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern landete sie mit 20,8 Prozent sogar noch vor der CDU. Doch dann ging es abwärts: In Berlin, auch im Saarland. Doch nun rutschte die Partei mit 5,9 Prozent in Schleswig-Holstein unter die Sechs-Prozent-Marke.

Das war eine magische Grenze, die die AfD zuletzt im Mai 2015 in Bremen (5,5 Prozent) unterschritten hatte.

Seitdem wird die Frage lauter, ob die AfD sogar noch den bislang sicher geglaubten Einzug in den Bundestag am 24. September verpasst. Erst kürzlich sagte CSU-Chef Horst Seehofer, es sei "noch keinesfalls ausgemacht ist, dass die AfD in den Deutschen Bundestag kommt". Auch in TV-Runden war das am Wahlsonntag in Kiel und in Berlin mitunter zu hören.

15 Prozent als "persönliche Zielmarke"

Doch Umfragen geben das bislang nicht her, trotz eines zuletzt turbulenten Bundesparteitags in Köln, auf dem die AfD ihre Parteichefin Frauke Petry an den Rand drängte und sich mit Alice Weidel und Alexander Gauland ein Spitzenduo wählte. Anfang Mai - nach Köln - lag die rechtspopulistische Partei weiterhin bei neun Prozent und deutlich vor FDP und Grünen.

Nach außen hin gibt sich das AfD-Führungspersonal daher gelassen, wenn bei der politischen Konkurrenz oder in den Medien das Scheitern der Partei prophezeit wird. Parteichef Jörg Meuthen, der sich mit Petry die Führung teilt, ist sich sicher: Man werde am kommenden Sonntag in Nordrhein-Westfalen "um einiges besser abschneiden" als in Schleswig-Holstein und zur Bundestagswahl sogar noch "eine Schippe drauflegen".

Alice Weidel hatte jüngst sogar 15 Prozent als "persönliche Zielmarke" für die Bundestagswahl ausgegeben. Ist das Selbstbeschwörung? Oder Selbstüberschätzung? Mancher in der Partei ist mit Weidels Satz nicht gerade glücklich. Es ist zumindest ein ehrgeiziges Ziel, denn das klassische Hauptthema der AfD - die Flüchtlingskrise - rückt seit Monaten immer weiter in den Hintergrund.

In Schleswig-Holstein ging es um Themen wie Bildung, Infrastruktur und Energiewende. Das hätte "im Moment" die Menschen mehr beschäftigt, räumt Vize Gauland ein. Seine Erklärung für das Absacken der AfD in den Umfragen klingt so: Die Bilder der Flüchtlinge, die statt über den Balkan wieder verstärkt über das Mittelmeer kämen, seien aus dem Fernsehen weitgehend verschwunden. "Manche denken, wir brauchen nicht mehr so viel AfD, leider ist das so", konstatiert Gauland, der 2015 die Flüchtlingskrise schon mal als "ein Geschenk" für die AfD bezeichnet hatte.

Und in naher Zukunft? Niemand wisse, was im Juli oder August kurz vor der Bundestagwahl passiere, ob Flüchtlingsbilder wieder ins Fernsehen drängten, ob Italien mit seinen Banken in eine tiefe Krise gerate, sagt Gauland und fügt hinzu: "Ich möchte mir auch gar nicht vorstellen, wenn es wieder terroristische Anschläge gibt."

Die AfD, das wird auf einer Pressekonferenz am Tag nach der Wahl in Schleswig-Holstein in Berlin deutlich (die hochschwangere Petry musste aus Gesundheitsgründen darauf verzichten), setzt weiter auf ihre klassischen Themen, zu denen auch die Warnungen vor einer Ausbreitung des Islam gehört. Doch mehr noch als die Inhalte soll ein Mittel in den kommenden Monaten den Erfolg bringen, das bei der Partei bislang wenig gefragt war: Geschlossenheit. Es sei "völlig klar", dass Wähler eine zerstrittene Partei nicht wollten, sagt Gauland. "Diese Zeit ist zu Ende, das werden wir jetzt auch durchhalten", verspricht er.

AfD beklagt unfairen Wahlkampf

Schleswig-Holstein ist in den Augen mancher AfD-Führungspolitiker ein besonders schwieriges Terrain gewesen. Die SPD habe dort einen "dezidiert linken Wahlkampf" geführt, das habe der CDU wiederum Platz geschaffen, analysiert Meuthen. Was er meint, aber so nicht sagt: Platz nach rechts, also zur AfD. Hinzu kamen widrige Umstände, von denen die AfD-Wahlkämpfer vor Ort berichten. Von 12.000 Wahlplakaten seien 10.000 heruntergerissen worden, Veranstaltungen hätten unter Polizeischutz stattfinden müssen.

"Im Straßenwahlkampf tauchten wir fast nicht auf", erzählt Jörg Nobis, Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein und voraussichtlicher Fraktionschef der AfD im Landtag von Kiel. Angesichts eines "sehr, sehr harten, sehr unfairen Wahlkampfs gegen uns", ist Nobis zufrieden über das Abschneiden. Ursprünglich hatte er sich sieben bis acht Prozent erhofft.

Nun soll es auf dem Weg in den Bundestag ausgerechnet der tief zerstrittene Landesverband in Nordrhein-Westfalen richten. Monatelang wurde dort über die Aufstellung der Landesliste für die Landtagswahl gekämpft, auch die Aufstellung der Bundestagsliste verlief turbulent. Landeschef Marcus Pretzell, Ehemann von Parteichefin Petry, ist umstritten, gilt als intrigant und erlitt vor wenigen Wochen bei der Aufstellung der Landesliste für die Bundestagswahl eine Niederlage. Die Delegierten wählten seinen Dauergegner und Co-Landesvorsitzenden Martin Renner auf Platz 1. Der wiederum steht in der rechtspopulistischen Partei auf dem rechten Flügel.

In den Umfragen setzt es Verluste

Über eine lange Zeit zeigte sich in den Umfragen für die AfD in Nordrhein-Westfalen ein Phänomen, das in ähnlicher Form auch für manche anderen AfD-Landesverbände gilt: Obwohl die Partei sich tief zerstritt, schadete es ihr kaum. In Umfragen stand sie über Monate zweistellig da.

Doch jetzt könnte es auf einmal eng werden: In der ersten Maiwoche ermittelte die Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF in Nordrhein-Westfalen für die AfD nur noch einen Wert von sechs Prozent - der schlechteste seit Dezember 2015. Pretzell und Renner geben sich nun seit zwei Wochen alle Mühe, ihren Konflikt zu übertünchen. Kürzlich luden sie gemeinsam zu einem "Informationsabend" in Siegen ein.

Der Titel der Veranstaltung in der Siegerlandhalle klang fast ironisch: "Einigkeit für NRW".