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Integrationsbeauftragte Özoguz Ärger von allen Seiten

Lange war die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz kaum wahrnehmbar. Jetzt irritiert die SPD-Politikerin mit Aussagen über Razzien bei Islamisten. Was steckt dahinter?
Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz (SPD)

Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz (SPD)

Foto: Sebastian Gollnow/ dpa

Sie will jetzt bloß nichts mehr sagen, was sie angreifbar macht. Deshalb betont Staatsministerin Aydan Özoguz an diesem Mittwoch immer wieder: Sie habe größten Respekt und größtes Vertrauen in die deutschen Sicherheitsbehörden. Die Razzia, das Verbot der islamistischen Gruppierung "Die wahre Religion", seien "ein Riesenerfolg". Islamismus könne man nicht dulden.

Das sind Selbstverständlichkeiten für ein Mitglied der Bundesregierung. Eigentlich.

Dass Özoguz sich überhaupt erklären muss, liegt an einem Interview, das die SPD-Politikerin dem Fernsehsender Phoenix gegeben hat und aus dem am Montag vorab eine einzelne Passage öffentlich wurde. Und darin hatte Özoguz noch ganz anders geklungen, was die jüngsten Durchsuchungen anging: skeptisch. Bei vielen Razzien sei ja in der Vergangenheit nichts herausgekommen. Sie forderte "Augenmaß" beim Vorgehen gegen Islamisten.

Seitdem ist die Aufregung groß und die Kritik an Özoguz aus der Union vernichtend. "Dem Bundesinnenminister und den Sicherheitsbehörden in den Ländern derart in den Rücken zu fallen - dafür kenne ich kein Beispiel", sagt etwa der CDU-Innenpolitiker Bosbach.

Andere, die sich wie Özoguz mit Integrationspolitik befassen, werfen Özoguz noch etwas anderes vor: Misstrauen unter den Muslimen gegenüber dem Staat zu schüren. "Seit den NSU-Morden gibt es bei vielen Muslimen in Deutschland sowieso große Ängste und Vorbehalte gegen die Sicherheitsbehörden", sagt die CDU-Abgeordnete Cemile Giousouf. "Wenn dann die Staatsministerin selbst vor Willkür warnt und zu Augenmaß mahnt, dann sticht das genau in diese Wunde und vergrößert die Gräben zwischen der Regierung und den Muslimen." Auch einzelne SPD-Parteifreunde äußern Unverständnis über die Integrationsbeauftragte.

Özoguz selbst verteidigt sich, ihre Äußerungen seien aus dem Zusammenhang gerissen und deshalb missverständlich. Gleichzeitig räumt sie aber ein, sie habe sich in dem Interview vielleicht nicht ganz glücklich ausgedrückt. Inzwischen ist das gesamte Gespräch öffentlich , die umstrittene Passage ist nur wenige Sekunden lang.

Böswillige Verschwörungstheorien gegen Özoguz

In sozialen Netzwerken werden von ihren Gegnern längst böswillige Verschwörungstheorien über Özoguz verbreitet. Es sei kein Wunder, dass sich die Staatministerin derart äußere, heißt es da, schließlich seien ja ihre eigenen Brüder Islamisten.

Tatsächlich betreiben zwei Brüder der Sozialdemokratin die islamistische Internetplattform "Muslim-Markt", die zumindest zeitweise im Visier des Verfassungsschutzes stand. Özoguz hat sich bereits vor Jahren vom Schaffen ihrer Brüder distanziert, aber wegen ihrer Worte wird es wieder Thema.

Bei einer Pressekonferenz an diesem Mittwoch - eigentlich geht es um eine Zuwandererstudie - wird Özoguz gefragt, wie es passieren könne, dass gerade sie, die wegen Islamisten in der eigenen Familie sensibilisiert sein müsste, sich derart äußere? Özoguz will darauf nicht antworten. Sie wolle persönlich zu ihrer Familie keine Stellung nehmen.

Als Özoguz, verheiratet mit dem ehemaligen Hamburger Innensenator Michael Neumann vom rechten Flügel der SPD, vor fünf Jahren stellvertretende SPD-Vorsitzende und 2013 Integrationsbeauftragte im Kanzleramt wurde, war das eine große Aufstiegsgeschichte. Die erste Türkischstämmige, die erste Muslimin in der Bundesregierung. Zunächst schien es, als sollte es beim Symbol bleiben. Lange blieb Özoguz still, 2014 schrieb der SPIEGEL: "Aydan Özoguz macht nichts falsch. Aber sie nutzt ihre Möglichkeiten nicht."

Tatsächlich war die Macht ihres Amtes von Anfang an äußerst begrenzt, zumal als SPD-Frau im CDU-geführten Kanzleramt. Wegen ihrer rasanten Karriere - Özoguz trat erst 2004 in die SPD ein - fehlten ihr zudem wichtige Netzwerke, hieß es. Die Staatsministerin sei zu freundlich, zu zögerlich, vielleicht auch zu differenziert, um durchzudringen.

Özoguz wirkt angriffslustiger als früher

Seit einigen Monaten ist das anders. Özoguz wirkt angriffslustiger, vor allem gegen die CSU. Zum Streit um eine Deutschpflicht auf Schulhöfen äußerte Özoguz auch Kritik am Verhalten türkischer Verbände. Auch im eigenen politischen Lager sorgt Özoguz mitunter für Diskussionen, zum Beispiel beim Thema Kinderehen. Die Integrationsbeauftragte lehnt ein pauschales Verbot von Ehen über 16-Jähriger ab - genau wie Justizminister Heiko Maas. Die SPD-Fraktion jedoch hat eine andere Meinung und will die Heirat für alle unter 18-Jährigen verbieten.

Bei der Armenien-Resolution des Bundestags spielte Özoguz eine besondere Rolle. Im Vorfeld erklärte die SPD-Frau, sie stimme zwar dem Inhalt der Erklärung zu, halte aber die Resolution nicht für den richtigen Weg. Dafür wurde sie von den Grünen kritisiert. Weil Özoguz schließlich aber trotz ihrer Vorbehalte nicht gegen die Resolution stimmte, spürte auch sie den Unmut der türkischen Seite. Und wurde wie alle türkischstämmigen Abgeordneten bedroht.

Sie könne "sensibilisieren", "korrigierend eingreifen", sagte Özoguz einmal laut "Cicero" über die Möglichkeiten ihres Amtes. Mit ihren Äußerungen vom Dienstag ist ihr das weniger gelungen. Ob sie mit der Kanzlerin und SPD-Chef Gabriel über die jüngste Einlassungen gesprochen habe, wird Özoguz am Mittwoch gefragt. Mit der Kanzlerin nicht, sagt sie. Bei Gabriel möge man bitte selbst nachfragen.