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Jan Fleischhauer

SPD-Siechtum Diese Partei ist am Ende

Feministische Pornos statt Proletariat: Wer ihre Wähler sind, hat die SPD-Spitze längst aus dem Blick verloren. Wenn man Juso-Schlaumeiern wie Kevin Kühnert das Ruder anvertraut, muss man sich nicht wundern, dass man zur Kleinpartei schrumpft.
SPD-Parteitag in Duisburg (Archivbild)

SPD-Parteitag in Duisburg (Archivbild)

Foto: Federico Gambarini/ dpa

Die SPD in Berlin will feministische Pornos fördern . Der feministische Porno unterscheidet sich vom herkömmlichen Porno dadurch, dass auch Menschen mitspielen, denen man das auf den ersten Blick nicht zutrauen würde. Außerdem liegt die Frau immer oben. Wenn Sie jetzt denken, dass dies kein vernünftiges politisches Anliegen sei, dann verstehen Sie nichts von der heutigen Sozialdemokratie.

Die Jusos haben auf dem Parteitag der Berliner SPD einen entsprechenden Antrag eingebracht, der auch prompt beschlossen wurde. "Mainstream-Pornos zeigen in der Regel sexistische und rassistische Stereotype, in denen Konsens kein Thema ist und die einen 'optimalen' Körpertyp zum Standard erheben", heißt es darin. "Diese Darstellungsformen in Mainstream-Pornos können Konsument*innen in ihrer Sexualität und im Menschenbild nachhaltig beeinflussen." Um dagegenzuhalten, sollen die Alternativangebote nun "gebührenfrei, dauerhaft und niedrigschwellig" verfügbar sein, weshalb sie in die Mediatheken von ARD und ZDF aufgenommen werden sollen.

Der Vorschlag ist nicht ganz neu, der Parteitag war im Juni. Aber er fiel mir jetzt wieder ein, als ich davon las, dass es die SPD in Bayern nicht einmal ins Fernsehduell vor der Landtagswahl schafft. Statt der SPD-Kandidatin wird der Spitzenmann der Grünen mit Ministerpräsident Markus Söder über die wichtigen Fragen des Landes debattieren. Die SPD werde wie andere kleinere Parteien "nicht als Herausforderer wahrgenommen," erklärte der Bayerische Rundfunk, als sich die SPD erwartungsgemäß gegen die Entscheidung auflehnte.

Das Unglück der SPD ist nicht, dass sie in der Großen Koalition feststeckt, wie es jetzt wieder allenthalben heißt. Oder dass unpopuläre Politiker wie Andrea Nahles oder spröde Typen wie Olaf Scholz an der Spitze stehen. Ihr Unglück ist noch nicht mal der heimliche Parteieintritt von Angela Merkel, der es der SPD schwer macht zu erklären, was sie gegen die CDU hat.

Die SPD müsste ihre Wählerschaft austauschen, um Erfolg zu haben

Ihre Tragik ist es, dass zu viele, die auf Parteitagen das Sagen haben, so sein wollen wie die Grünen, also irgendwie kosmopolitisch und gendergerecht und migrantisch korrekt, mit einem Wort: ganz fortschrittlich eingestellt.

Leider gibt es die Grünen schon, man braucht sie auch nicht doppelt. Außerdem hat die Kernklientel der SPD nie viel mit der grünen Lebenswelt anfangen können. Ob die falschen Pornos zur Verfestigung falscher Körperbilder beitragen, ist eine Frage, die bei normalen SPD-Anhängern eher weniger pressiert. Die Partei müsste ihre Wählerschaft austauschen, um mit der grünen Nummer Erfolg zu haben. Stattdessen hat sie die Zahl ihrer Anhänger seit der letzten Regierungsübernahme halbiert.

Zwischen 1998, als Gerhard Schröder die SPD ins Kanzleramt zurückholte, und 2017, dem Jahr des Schulz-Debakels, haben die Sozialdemokraten zehn Millionen Wähler verloren, ein dramatischer Aderlass. Zum Vergleich: Die Union hat in dieser Zeit zwei Millionen Wähler eingebüßt, das ist nicht schön, aber eben nicht annähernd so schlimm. In der "Süddeutschen" las ich neulich in einem Kommentar, was die SPD jetzt tun müsse, um ihr Überleben als Volkspartei nicht zu gefährden. Wovon reden die, dachte ich. Hat die "Süddeutsche" die Beobachtung der SPD eingestellt? "Volkspartei" ist, zugegeben, ein diffuser Begriff. Aber er ist nicht so diffus, dass man von Umfragewerten generell absehen könnte.

Niemand verkörpert das Elend besser als der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert

Der Niedergang der SPD vollzieht sich unabhängig von Regierungsbeteiligungen. Hätten diejenigen recht, die meinen, dass das Heil der Partei in der Opposition liege, müsste die bayerische SPD vor Kraft kaum gehen können. In Bayern ist die SPD seit 61 Jahren von der Macht entfernt. Das Einzige, wozu sie sich heute noch in der Lage sieht, ist, der Parteivorsitzenden das Leben schwer zu machen. Dazu reicht es in der SPD immer.

Niemand verkörpert das Elend besser als der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert. Kühnert hat Verschiedenes anstudiert, jetzt tingelt er als SPD-Retter durch die Republik. Mit seinen politischen Vorstellungen mag Kühnert jede Asta-Versammlung von den Stühlen reißen. Im außeruniversitären Alltag, also da, wo - Gott sei's geklagt - Wahlen entschieden werden, vertritt er mit seinem Programm maximal drei Prozent der Deutschen - was ihn selbstredend nicht davon abhält, sich als das Gewissen der Partei zu empfehlen.

Im Video: Kevin Kühnert - Der Juso-Chef auf No-GroKo-Tour

SPIEGEL TV

Die Kühnert-Sozialdemokraten verhalten sich ein wenig so wie Journalisten, die sich für ihre Leser schämen, weil sie ihnen zu provinziell und ungebildet sind, und die stattdessen lieber für andere Journalisten schreiben, die so denken wie sie. Der typische SPD-Wähler hat zum Beispiel nichts gegen Kohlestrom. Er hat auch nie etwas gegen Atomkraft gehabt, bis man ihm einredete, dass Kernkraft Teufelszeug sei. Was den Sozialstaat angeht, befürwortet er grundsätzlich die Umverteilung von oben nach unten; anderseits findet er, dass Leute, die nicht arbeiten, auch nicht zu üppig alimentiert werden sollten.

Vor allem aber hat der SPD-Traditionswähler nichts gegen Law and Order. Seine Idealbesetzung als Innenminister war Otto Schily, der mit Schlagstock und Helm posierte, eine Selbstinszenierung, die heute sofort als rechtslastig gelten würde. Insofern macht ihm auch ein Mann wie Hans-Georg Maaßen keine Angst. Im Gegenteil: Im Zweifel findet selbst der gestandene Sozi, dass man es in der Flüchtlingspolitik nicht übertreiben sollte und deshalb einen wie Maaßen im Sicherheitsapparat gut gebrauchen könnte.

Wie in der Wirtschaft gibt es in der Politik einen Point of no return. Wer eine bestimmte Schwelle überschritten hat, für den findet sich kein Weg zurück mehr, so sehr er sich dann auch abmüht. Die SPD hat diesen Punkt erreicht. Das hysterische Getobe über den erzwungenen Jobwechsel des Verfassungsschutzpräsidenten verdeckt nur die Agonie, in der sich die SPD befindet. Was wie Kampfgeist wirkt, sind in Wahrheit die letzten Seufzer einer Partei, die sich auf dem Weg in die politische Bedeutungslosigkeit befindet.