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Titz und von Heesen beim HSV Platzhalter bis Saisonende

Mit dem neuen Trainer Christian Titz setzt der HSV auf die Jugend. Zumindest für ein paar Monate. Beraten wird den Klub in Zukunft jemand, der durch dubiose Vermarktungsdeals aufgefallen ist.
Von Daniel Jovanov
Christian Titz

Christian Titz

Foto: Patrick Franck/ dpa

Am Sonntagabend klingelt bei Bernd Hollerbach das Telefon. Ein Reporter der "Bild"-Zeitung konfrontiert den 48-Jährigen mit der Information, dass der Vorstand ihn entlassen werde. Hollerbach hatte das zwar schon geahnt, vom Verein selbst aber nichts gehört. Seit Tagen hatte keiner der Verantwortlichen mit ihm über die Lage gesprochen. Was im Hintergrund geplant wurde, erfuhr er nur aus den Medien.

Sein Team und er fühlten sich alleingelassen und verloren den Glauben, überhaupt noch etwas bewegen zu können. Nach dem 0:6 beim FC Bayern sagte Hollerbach über seine Zukunft beim HSV: "Ich weiß nicht, ob es eng wird. Die Verantwortlichen müssen entscheiden. Ich denke schon, dass die Herren auf mich zukommen werden."

Verteidiger Kyriakos Papadopoulos wurde sogar ein wenig deutlicher: "Bei dem Verein passiert jeden Tag etwas Neues - das ist sicherlich auch nicht gut für die Mannschaft. Wir wissen nicht, wie es weitergeht. Wir wissen gar nichts." Als er diese Sätze sagte, waren die verbliebenen Entscheidungsträger gedanklich schon einen Schritt weiter. Aber es dauerte noch eine Weile, bis Hollerbach und die Mannschaft es von offizieller Seite zu hören bekamen.

Am Montag, kurz vor 13 Uhr, als schon etliche Meldungen über seine bereits feststehende Entlassung zu lesen waren, informierte ihn Interimschef Frank Wettstein telefonisch darüber. Gerade einmal sieben Wochen hat sich Hollerbach als HSV-Retter versuchen dürfen - und ist dabei krachend gescheitert.

Doch nicht nur an seiner eigenen Bilanz: drei Punkte, drei geschossene und 13 kassierte Gegentore in sieben Spielen sprechen eindeutig gegen seine Arbeit. Vor allem aber ist er am fehlenden Rückhalt und der großen Verunsicherung innerhalb des gesamten Klubs zerbrochen. Das dürfte mit seinem Nachfolger Christian Titz ein wenig anders laufen.

Peters' Liebling

Der bisherige Cheftrainer der U21 ist ein Liebling des Nachwuchschefs Bernhard Peters, der die sportliche Gesamtverantwortung auf der "operativen Ebene" übernimmt. Peters und Titz kennen sich schon seit drei Jahren. Mittelfeldspieler Lewis Holtby, dessen Individualtrainer Titz gewesen ist, schlug ihn beim HSV vor. Der gelernte Betriebswirt ist seit 2015 in Hamburg angestellt, betreute zunächst zwei Jahre die U17, ehe er im vergangenen Sommer die U21 übernahm. In der Regionalliga führt er die Tabelle mit 45 Punkten an und war auf dem besten Weg, die Qualifikationsspiele für die dritte Liga zu erreichen.

Ein beachtlicher Zwischenerfolg für den HSV-Nachwuchs, der jedoch nicht allein in der hervorragenden Arbeit des Trainers begründet ist. Sondern auch mit dem zur Verfügung stehenden Etat. Nur die zweite Mannschaft des VfL Wolfsburg investiert ähnlich große Summen für den Aufstieg. Zum Vergleich: Der Torwarttrainerkoordinator des HSV verdient pro Jahr mehr (145.000 Euro) als einige Regionalliga-Klubs für ihr gesamtes Personal zur Verfügung haben.

Es ist wie in der Bundesliga: Ein Kampf mit ungleichen Mitteln, bei der die reichsten Klubs vor der Herausforderung stehen, ihre Talente bei Laune zu halten und für ein gemeinsames Ziel zu motivieren. Das ist Titz in einer halb-amateurhaften Liga gelungen. In der Bundesliga erwartet ihn bis zum Ende der Saison etwas Anderes. Ein Scherbenhaufen, verunsicherte, frustrierte Spieler, die das Fußballspielen verlernt haben und auf dem Platz genau so hilflos umherirren wie die Verantwortlichen in den Vorstandsbüros.

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Bundesliga: Die nächste Klatsche

Foto: Matthias Schrader/ AP

Dabei steht Titz, über den erzählt wird, er sei ein hervorragender Analytiker, einer, der die Sprache der Taktik-Nerds spricht und sich intellektuell von vielen seiner Trainerkollegen unterscheidet, für eine ganz andere Form des Fußballs.

Auf der Homepage seiner Berater-Agentur, die auch Lewis Holtbys Interessen vertritt, ist seine Idee mit folgenden Stichworten beschrieben: "sehr gute Balltechnik, die Fähigkeit, 'hoch zu stehen' und ein schnelles Tiefenpassspiel in torgefährlichen Räumen praktizieren zu können, sichere Spieleröffnung über den Torhüter, Ruhe am Ball." Und so weiter, die Liste ist dort noch nicht beendet.

Ob die Zeit reicht, den Profis all das beizubringen? Vielleicht ist der Ansatz aber auch ein anderer: Seine Talente in der U21 beherrschen sein System schon. Es spricht viel dafür, dass einige von ihnen am Samstag gegen Hertha BSC in den Bundesliga-Kader rutschen.

Allerdings dürfen sie sich genau wie Titz nicht allzu viele Hoffnungen machen, dauerhaft dabei bleiben zu dürfen. Aufsichtsratschef Bernd Hoffmann arbeitet längst an einer größeren Lösung für die kommende Saison. Es gibt Gerüchte über eine Verpflichtung von Roger Schmidt, derzeit in China bei Beijing Guoan tätig, der im Doppelpack mit Ex-Mediendirektor Jörn Wolf nach Hamburg kommen soll. Auch Jonas Boldt (Manager bei Bayer Leverkusen) und Jens Keller (bis Dezember Trainer bei Union Berlin) werden gehandelt.

Die neuen starken Männer beim HSV sollen aber nicht schon durch den wahrscheinlichen Abstieg beschädigt in die neue Saison starten. Zumal noch nicht endgültig klar ist, über welches Budget sie in Zukunft verfügen.

Thomas von Heesen

Thomas von Heesen

Foto: A3430 Bernd Thissen/ dpa

Klar scheint nur, dass der heute als "Berater des Vorstandes" und "Begleiter des Trainerteams" berufene Thomas von Heesen nur bis zum Saisonende an der Mission Klassenerhalt mithelfen soll. Der Ex-Aufsichtsrat genießt nach Veröffentlichungen des SPIEGEL über einen Vorgang vom März 2015, als er im Auftrag des damaligen Vorstandsvorsitzenden Dietmar Beiersdorfer mit der dubiosen Sportvermarktungsagentur "Doyen Group" über den Verkauf von Spieleranteilen verhandelte, einen zweifelhaften Ruf beim HSV.

Seinen größten Erfolg als Beiersdorfers Berater erreichte er mit der Vermittlung des türkischen Stürmers Batuhan Altintas. Der 21-Jährige ist mittlerweile in die zweite türkische Liga verliehen worden.