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EU-Vergleich Flüchtlinge in Deutschland sind oft überqualifiziert

Sie haben eine vergleichsweise gute Ausbildung - und arbeiten oft in Jobs für Geringqualifizierte: Flüchtlinge sind in Deutschland schlechter integriert als in anderen Ländern. Eine OECD-Studie nennt dafür zwei wichtige Gründe.
Syrischer Flüchtling (Mitte) bei Ausbildung in Ingolstadt

Syrischer Flüchtling (Mitte) bei Ausbildung in Ingolstadt

Foto: Kay Nietfeld/ picture alliance / dpa

Flüchtlinge in Deutschland haben im EU-Vergleich besonders häufig eine höhere Qualifikation als für ihre Arbeit notwendig. Das ist das Ergebnis eines Arbeitspapiers der Industrieländerorganisation OECD, das am Mittwoch vorgestellt wurde. Demnach beträgt der Anteil überqualifizierter Flüchtlinge in Deutschland schätzungsweise 71 Prozent, im EU-Durchschnitt sind es hingegen 60 Prozent.

Flüchtlinge sind damit auch häufiger überqualifiziert als andere Migranten: In Deutschland arbeiten Letztere zu 38 Prozent in Jobs unterhalb ihrer Qualifikation, EU-weit sind es 30 Prozent. Noch deutlicher ist der Unterschied zu Einheimischen, die in Deutschland zu 16 Prozent als überqualifiziert gelten und in der EU insgesamt zu 21 Prozent.

Die Untersuchung nutzt Daten, die 2014 und damit noch vor der jüngsten Flüchtlingskrise erhoben wurden. Die Angaben zu Qualifikation sind Schätzwerte, die auf dem Vergleich formaler Abschlüsse mit dem tatsächlichen Beruf beruhen. Fragt man Flüchtlinge selbst, ob sie sich für überqualifiziert halten, so fallen die Unterschiede weniger deutlich aus: In Deutschland bejahten 54 Prozent die Frage, europaweit 57 Prozent.

Dass Bildungsabschlüsse allein wenig aussagen, dürfte insbesondere an den Sprachkenntnissen liegen, die entscheidend für den Erfolg auf dem Arbeitsmarkt sind. Der Untersuchung zufolge hat weniger als die Hälfte der Flüchtlinge in der EU fortgeschrittene Kenntnisse der Sprache des Gastlandes, bei anderen Migranten sind es zwei Drittel.

Deutlich zeigt sich dabei, dass Deutsch in den Herkunftsländern der Flüchtlinge weniger verbreitet ist als andere Sprachen: Nur neun Prozent der Flüchtlinge mit einer Aufenthaltsdauer von weniger als zehn Jahren hatten fortgeschrittene Deutschkenntnisse. In Spanien, wo die meisten Flüchtlinge aus Lateinamerika stammen, waren es hingegen 98 Prozent, EU-weit immerhin 24 Prozent. Nach mehr als zehn Jahren hatte jedoch in Deutschland ebenso wie in der EU jeder zweite fortgeschrittene Sprachkenntnisse.

Bei der Sprachvermittlung habe Deutschland "erhebliche Fortschritte" gemacht, sagte OECD-Arbeitsmarktexperte Thomas Liebig. Bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt habe Deutschland nach Einschätzung der OECD aus Fehlern der Vergangenheit gelernt und den richtigen Weg eingeschlagen. "Die Flüchtlingskrise wird als Chance genutzt, das Integrationssystem erheblich zu verbessern", sagte Liebig.

Besonders schwierig ist der Studie zufolge die Lage weiblicher Flüchtlinge. Deren Beschäftigungsquote liegt im Schnitt bei 45 Prozent und damit 17 Prozentpunkte unter der von Männern. Mit Blick auf die Qualifikation überrascht das zunächst: Unter den Flüchtlingen zwischen 1999 und 2014 hatte jede vierte Frau einen tertiären Bildungsabschluss, also ein Studium oder ähnliches. Das sind vier Prozentpunkte mehr als bei den Männern. Gleichzeitig hatte allerdings fast jede zweite Frau ein niedriges Bildungsniveau. Auch dieser Wert liegt über dem der Männer und erklärt der Untersuchung zufolge einen Teil der Unterschiede.

Hilfreich für die Integration in den Arbeitsmarkt ist den Autoren zufolge auch der Erwerb der Staatsbürgerschaft. Im Schnitt waren nach zehn Jahren 61 Prozent der Flüchtlinge in der EU eingebürgert, damit lagen sie sogar leicht über anderen Migranten (58 Prozent). In Deutschland waren es hingegen nur gut 40 Prozent, bei anderen Migranten knapp 60 Prozent. Damit ist Deutschland der Studie zufolge "die einzige große Ausnahme unter den Hauptaufnahmeländern".

Am Ende seien alle Bemühungen, Flüchtlinge möglichst frühzeitig in Jobs zu bringen, auch hilfreich für ihre Eingliederung in die deutsche Gesellschaft, betonte der OECD-Experte Liebig. Insgesamt sieht die OECD mehrere Gründe für die Hoffnung, dass Deutschland die Job-Integration besser und schneller hinbekommt als früher - und auch als andere Länder: die sehr gute Lage am Arbeitsmarkt, die Verbesserungen der Integrationspolitik an wichtigen Stellschrauben, eine frühzeitige Erfassung von Kompetenzen sowie niedrigere Verwaltungshürden bei fehlenden Dokumenten oder schwer nachweisbaren Qualifikationen.

dab/kig/dpa