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Studie Deutsche Firmen missachten Menschenrechte im Ausland

Ob in Mexiko, Kolumbien oder Kenia: Wenn deutsche Konzerne im Ausland Geschäfte machen, missachten sie häufig die Menschenrechte. Das zeigt eine neue Studie.
Staudamm Hidrosogamoso in Kolumbien

Staudamm Hidrosogamoso in Kolumbien

Foto: imago/ZUMA Press

Germanwatch und Misereor werfen deutschen Konzernen und der staatseigenen KfW-Bankengruppe vor, sich bei ihren Auslandsgeschäften nicht genug um die Einhaltung von Menschenrechten zu kümmern. Dies geht aus der Studie "Globale Energiewirtschaft und Menschenrechte - Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand" hervor, die die Umweltschutzorganisation und das kirchliche Hilfswerk am Mittwoch vorstellen.

Demnach sollen Unternehmen wie Siemens, EnBW und Voith sowie die KfW-Bankengruppe und ihre Töchter in insgesamt elf Fällen in Geschäfte verwickelt sein, bei denen Menschenrechte verletzt oder gefährdet werden.

Laut den 2011 verabschiedeten Leitprinzipien der Uno für Wirtschaft und Menschenrechte sollen Staaten darauf hinwirken, dass alle ihnen unterstehenden Wirtschaftsunternehmen bei ihrer gesamten Geschäftstätigkeit die Menschenrechte achten.

"Die deutschen Unternehmen begehen oft nicht selbst die Menschenrechtsverletzungen", sagt Armin Paasch von Misereor, einer der Autoren der Studie. "Aber ihre Verantwortung reicht weiter. Sie müssen achtgeben, mit welchen Unternehmen sie Geschäfte machen und wie ihre Partner mit Menschenrechten umgehen. Da gibt es große Defizite."

Germanwatch und Miseor bezichtigen insgesamt acht deutsche Unternehmen und drei Banken aus der staatlichen KfW-Gruppe einer "Missachtung ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht". Alle genannten Institutionen weisen diesen Vorwurf auf Anfrage zurück.

Die Autoren der Studie nennen unter anderem folgende Fälle:

  • In Honduras lieferte Voith Hydro (ein Joint Venture von Siemens mit dem Maschinenbauer Voith) Turbinen, Generatoren und Steuerungsanlagen an das Wasserkraftprojekt Agua Zarca. Dieses steht seit Jahren in der Kritik, unter anderem wegen Repressalien gegen seine Widersacher. Laut der Studie schüchtern Polizei und Militär Gegner des Projektes ein und unterdrücken sie gewaltsam. Seit 2013 wurden sechs Umweltaktivisten ermordet. Zudem gefährdet das Kraftwerk den Zugang zu einem Fluss, der lokale indigene Völker mit Wasser und Nahrung versorgt. Die honduranische Regierung habe vorab keine rechtmäßige Zustimmung der Menschen vor Ort eingeholt, schreiben die Autoren. Die deutschen Partner verweisen darauf, bei Agua Zarca hätten "zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung alle damals notwendigen Bewertungen und behördlichen Genehmigungen" vorgelegen. Im Übrigen seien die Lieferungen nach Honduras im Frühjahr 2016 gestoppt worden.
  • In Kolumbien verkaufte Siemens dem umstrittenen Staudammprojekt Hidrosogamoso Schaltanlagen und Transformatoren. Beim Dammbau wurden laut Studie Hunderte Menschen und ganze Gemeinden umgesiedelt, teils aber nur unzureichend oder gar nicht entschädigt. Zudem hätten hohe Schwefelwasserstoffwerte im Gewässer die Gesundheit der Anwohner beeinträchtigt. Siemens macht geltend, dass die Vorteile bei dem Projekt letztlich überwögen.
  • In Mexiko versorgte Siemens Windparks mit Transformatoren und einer Schaltanlage. Diese Windparks hätten Hunderte Quadratkilometer Agrarland für eine landwirtschaftliche Nutzung unbrauchbar gemacht; die betroffene indigene Bevölkerung sei im Vorfeld der Vorhaben teils nicht oder nicht zureichend angehört worden. Zudem könne sie den Strom nicht selbst nutzen. Die Polizei und die Betreiber unterdrückten Widerstand mit Repression und Gewalt, heißt es. Siemens weist die Verantwortung von sich, da es selbst nicht am Genehmigungsverfahren für das Projekt beteiligt gewesen sei.
  • Dem Stromversorger EnBW werfen Misereor und Germanwatch vor, dass er rund ein Fünftel seiner Kraftwerkskohle in Kolumbien vom Unternehmen Drummond einkauft. Die Autoren der Studie behaupten, dass Drummond unter anderem jahrelang eine paramilitärische kolumbianische Einheit unterstützt habe, die mehr als 3000 Menschen umbrachte. Dies hätten frühere Täter unter Eid ausgesagt. Während Wettbewerber wie die Essener STEAG, der dänische Energiekonzern Dong oder ENEL aus Italien angesichts dieser Vorwürfe nicht mehr bei Drummond einkauften, mache EnBW weiter. Ein Unternehmenssprecher verweist auf eine positive Entwicklung bei den großen kolumbianischen Kohleproduzenten: "Ein Stopp der Kohlelieferungen wäre unseres Erachtens weder für die Mitarbeiter vor Ort noch für das Land hilfreich."
  • Die KfW und ihre Tochter IPEX prangern die Autoren der Studie vor allem wegen ihrer Finanzierungshilfe von Energieprojekten in Afrika an. So habe die IPEX-Bank Exportkredite für Kessellieferungen zum Bau zweier Kohlekraftwerke in Südafrika bereitgestellt. Die Abgase zumindest eines dieser Kraftwerke bedrohten wegen extrem hoher Schwefeldioxidwerte die Gesundheit der Menschen vor Ort. Dennoch wolle der Betreiber erst fünf Jahre nach der Inbetriebnahme Rauchgasentschwefelungsanlagen einbauen. Zudem bedrohe der enorme Wasserverbrauch der Meiler die Versorgung der ohnehin schon von Dürren geplagten Region. Beim Bau seien traditionelle Grabstätten zerstört worden. Die betroffene Bevölkerung sei unzureichend konsultiert worden.
  • In Kenia hat die KfW-Bank 60 Millionen Euro Kredit für ein Geothermiekraftwerk bereitgestellt. Laut Studie und einer Untersuchung der Universität Bielefeld wurden dabei vier Massai-Dörfer umgesiedelt und die Betroffenen weder umfassend konsultiert noch ausreichend entschädigt, sodass "die Rechte indigener Völker missachtet" worden seien. Ein KfW-Sprecher erklärt, man halte sich an international anerkannte Maßstäbe. Die KfW nehme die geäußerte Kritik aber sehr ernst und beziehe die Bewertung in die Entscheidungsgrundlagen ein.
  • Weitere Fälle drehen sich um die KfW-Tochter DEG sowie die Unternehmen RWE, Lahmeyer, Nordex, Andritz und Wintershall.

Hier finden Sie die komplette Studie:

... und hier die Stellungnahmen der genannten Unternehmen:

Für ihre Untersuchung haben Germanwatch und Misereor 30 führende Unternehmen im Energiesektor befragt. Dabei ergab sich, dass einige Firmen in den vergangenen Jahren menschenrechtliche Grundsatzerklärungen verabschiedet und Beschwerdemechanismen für Betroffene eingerichtet haben. In der Praxis hakt es allerdings offenbar noch oft.

"Die Unternehmen wissen, welche Standards es gibt", sagt Misereor-Autor Paasch. "Aber solange der deutsche Gesetzgeber keine verbindlichen Verpflichtungen oder Sanktionen beschließt, solange Betroffene keinen Zugang zu deutschen Gerichten haben, solange nicht mal einmal öffentliche Kredite wie durch die KfW infrage gestellt werden, so lange werden diese Unternehmen weiter solche Geschäfte betreiben."

Im vergangenen Dezember hatte die Große Koalition den Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet, der die Uno-Leitlinien umsetzen soll. Anders als etwa Frankreich oder die Niederlande hat Deutschland aber noch kein Gesetz eingeführt, das Unternehmen Vorgaben im Hinblick auf die Einhaltung von Menschenrechten bei ihren Geschäften im Ausland macht.

Immerhin will Berlin von 2018 an Firmen daraufhin überprüfen, ob sie bei ihren Projekten ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen. Gesetzliche Regelungen sind allerdings, wenn überhaupt, frühestens von 2020 an geplant.