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Kleinkinder in Gefahr Ätherische Öle können Atemnot auslösen

Sie sollen Beschwerden lindern und können doch gefährlich werden: Ätherische Öle gegen Husten und Heiserkeit. Vor allem bei Kleinkindern wenden Eltern die Substanzen mitunter falsch an - mit fatalen Folgen, wie der Fall eines 18 Monate alten Kindes in den USA zeigt.

Das Kleinkind hatte nur Husten. Die Mutter wollte ihm helfen und seine Beschwerden mit einem milden Mittel lindern. Sie rieb ein wenig Wick VapoRub unter die Nase ihrer 18 Monate alte Tochter. Laut Packungsbeilage wird "Besserung des Befindens bei Erkältungsbeschwerden wie Husten, Schnupfen, Heiserkeit, Rachen- und Bronchialkatarrh" versprochen. Was die Mutter offenbar nicht gelesen hatte, war, dass die Erkältungssalbe nicht für Kinder unter zwei Jahren geeignet ist. Und vor allem darf sie nicht im Gesicht aufgetragen werden. Die Folgen waren fatal: Das Mädchen bekam akute Atemnot und musste im Krankenhaus behandelt werden.

Obwohl die Packungsbeilage und auch Ärzte und Apotheker immer wieder darüber informieren, dass ätherische Öle insbesondere für Kleinkinder gefährlich sein können, wissen viele Eltern nicht Bescheid. Deswegen warnt der Kinderarzt Bruce Rubin von der US-amerikanischen Wake Forest Universität jetzt erneut davor, Säuglinge mit Erkältungssalben einzureiben. Nach dem dramatischen Fall der kleinen Patientin, die in die Klinik der Wake Forest Universität eingeliefert worden war, wollte Rubin genauer wissen, warum der Körper mit Atemnot auf das Präparat reagiert hatte. Im Labor testete er die Arznei an Frettchen, deren Luftwege denen des Menschen ähneln. Wie der Forscher und sein Team im Fachblatt "Chest" berichten , verstärkte das Mittel die Schleimbildung und verminderte zugleich die Fähigkeit des Körpers, die Luftwege davon zu befreien.

"Ich würde das Mittel nicht bei Kindern unter zwei Jahren gebrauchen", sagte Rubin. "Und ich rate davon ab, es unter oder in die Nase zu reiben, egal ob bei Kindern oder Erwachsenen." Die ätherischen Öle verursachten ein Kühlegefühl, das dem Gehirn vorspiele, freier atmen zu können, so Rubin. Dadurch fühle man sich vielleicht besser, aber man könne nicht besser atmen. Wick VapoRub enthält unter anderem Menthol, Kampfer, Eukalyptus- und Terpentinöl.

Auch Nicolaus Schwerk, Oberarzt am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover ist vorsichtig mit ätherischen Ölen: "Bislang gibt es keine Studie, in der untersucht wurde, wie sich der Krankheitsverlauf mit und ohne die Substanzen verändert". Es sei bekannt, dass sich die Bronchien durch die Reizung eher verengen würden, deswegen empfehle auch die Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Pneumologie keine ätherischen Öle mehr. "Trotzdem kommen noch viele Kinder in unsere Klinik, die stark nach Eukalyptus riechen, weil ihre Eltern sie mit ätherischen Salben eingerieben haben", berichtet Schwerk im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. "Es wissen noch längst nicht alle Eltern Bescheid."

Dabei hat das Bundesinstitut für Risikobewertung erst im vergangenen Jahr in einem Informationsblatt  ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ätherische Öle nicht für Säuglinge und Kleinkinder geeignet sind. "Schon kleinste Mengen (zum Beispiel wenige Tropfen), die in Mund oder Nase geraten, können bei Säuglingen und Kleinkindern zu lebensbedrohlichen Verkrampfungen des Kehlkopfs und zu Atemstillstand führen", heißt es.

Der Hersteller von Wick VapoRub, Procter and Gamble, teilte auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE mit: "Wird Wick VapoRub entsprechend den Angaben in der Gebrauchsinformation verwendet, ist die Anwendung sicher und effektiv. (...) Laut Gebrauchsinformation ist eine Anwendung in der Nase, wie in dem jetzt veröffentlichten Artikel in 'Chest' beschrieben, nicht vorgesehen. Im Übrigen beschreibt diese nur einen Einzelfall an einem Kleinkind, der Anlass zu weiteren Tierversuchen war. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse dieser Tierstudien auf den Menschen ist fragwürdig."

Mediziner Rubin vermutet, dass seine Untersuchungen auch für ähnliche Produkte anderer Hersteller gelten. Leide ein Kleinkind an Atemnot, sollten Eltern unbedingt einen Arzt zu Rate ziehen. In weniger dringenden Fällen empfiehlt der Mediziner stattdessen eine Salzlösung, warme Getränke oder eine Hühnerbrühe. Zudem solle man dem Kind Zeit lassen, wieder gesund zu werden.

hei/AP

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