Karo Kauers Morgen sieht auf den ersten Blick aus wie der vieler Mütter: Frühstück richten, die Tochter wickeln und anziehen. Dazwischen knippst Ehemann Benjamin noch schnell ein Bild vom heutigen Outfit der 26-Jährigen – eine helle Jeans, ein rostroter Oversizepulli und ein grauer Schal. Fünf Minuten später haben bereits 139 Menschen den Modegeschmack der Blondine gelobt: „Tolle Farben“, „Du bist wunderschön“ oder „Den Pulli brauche ich auch“. Und das, obwohl die Göppingerin noch nicht mal das Haus verlassen hat.
Kauer ist Instagram-Bloggerin. Sie nimmt ihre Follower mit zum Shoppen, gibt Styling-Tipps und stellt die neuesten Must-Haves vor. Alles per Foto oder Video, so genannte Instastorys. „Ursprünglich hab ich das tägliche Outfit-Bild nur für mich selbst gemacht“, erinnert sich Kauer, die seit Juli 2014 bei der Fotosharing-Plattform angemeldet ist. Schnell schart sich eine kleine Fangemeinde um die regelmäßigen Posts der Modebegeisterten. Heute verfolgen rund 47 000 Nutzer das Profil der Fotografin, auf dem sich längst mehr als Styling-Tipps findet. Kauer berichtet auch vom Leben mit Kind –  mit allen Höhen und Tiefen: „Ich denke, es ist diese Mischung, die vielen meiner Fans gefällt.“
Rund 300 000 aktive Blogs soll es Schätzungen zufolge im deutschsprachigen Raum geben. Verlässliche Erhebungen existieren nicht. Dennoch ist klar, dass Social Influencer, wie die Internet-Profis im Fachjargon heißen, an Bedeutung gewinnen. Zu beinahe jedem Thema finden sich auf YouTube, Facebook oder Instagram Gesichter, die Produkte testen, Alltagstipps weitergeben oder schlicht ihre Meinung kundtun. Damit erreichen sie mehrere Tausend oder gar Millionen Menschen.
Ein Umstand, der sie für werbetreibende Unternehmen zu attraktiven Marketingpartnern macht. „Testet ein Social Media Star meinen Kaffee, wirkt das authentischer als klassische Werbung“, findet Constantin Renner. Der 22-Jährige leitet den Social Influencer Bereich bei 0711. Die Stuttgarter Agentur tritt dabei in der Rolle des Mittlers auf. „Je nach Produkt oder Dienstleistung finden wir die passenden Blogs“, erklärt Renner das Geschäftsmodell. Grundsätzlich könne beinahe jedes Unternehmen, das sich an Endkunden richtet, von Social Influencer Marketing profitieren.

Zugeknöpft beim Thema „Finanzen“

Bei der Auswahl der Blogs spielt nicht nur die Anzahl, sondern auch die Interaktion der Follower eine Rolle. „Wollen wir einen besonderen Bienenhonig bekannter machen, kann ein kleiner Nischenkanal mit 500 aktiven Fans sinnvoller sein als ein themenfremder großer.“
Einheitliche Kostenmodelle scheint es nicht zu geben. Überhaupt: Beim Thema „Finanzen“ gibt sich die sonst so offene Blogger-Szene zugeknöpft. Jede Kooperation muss Renner zufolge exklusiv verhandelt werden.  Die Styleranking ­Media GmbH hat es trotzdem geschafft, ein paar der Netzwerk-Experten hinterm Ofen vor zu locken. In einer Studie von 2015 befragte das Medienunternehmen mehr als 100 deutsche Fashionblogger nach deren Einkünften. Heraus kam, dass immerhin 65 Prozent der Probanden mit ihrem Auftritt Geld verdienen. Im Schnitt allerdings nur 355 Euro pro Monat. Lediglich fünf Prozent gaben an, vom Bloggen leben zu können.
Florian Roser ist einer von ihnen. Doch der 26-Jährige betreibt keinen eigenen Blog. Stattdessen textet er sich seit 2012 quer durch professionelle Life­style- und Modemagazine. Als Freelancer gibt er Tipps fürs Hochzeitsoutfit, testet Luxuskarossen oder verrät, wo man in Stuttgart den besten Whisky findet.
„Nach meinem Bachelorabschluss 2015 habe ich tatsächlich eine Weile vom Bloggen gelebt“, sagt Roser und gibt zu: „Das war anfangs gruselig.“ Denn die Einnahmen schwanken je nach Auftragslage. „Gut planen und haushalten ist Pflicht“, so der Netzwerker. Inzwischen bloggt Roser nur noch selten. Stattdessen nähert er sich dem Social Media und Influencer Marketing von der anderen Seite. Mit seinem Bruder Simon hat er 2016 die Content-Agentur Roserbrothers gegründet. Im Auftrag von Firmen produzieren die Brüder emotionale Bildwelten, Videos oder Textbeiträge für Online- und Social Media Kampagnen.
Die Trendsetterin Kauer hingegen will beim Bloggen bleiben. Am liebsten hauptberuflich. Die Entwicklung ihres Kanals lässt hoffen. „Die ersten Kooperationsangebote kamen, als ich die 5000er Marke geknackt hatte“, sagt die 26-Jährige. Zurzeit landen täglich bis zu 20 Mailanfragen im Postfach. Die gewünschten Leistungen variieren zwischen Videos, Verlinkungen und Erwähnen des Produkts im Text oder per Hashtag.
Nicht alle Kooperationsideen kommen in Frage. „Die Marke muss zu mir und meinen Followern passen.“ Authentizität sei das höchste Gut im Blogging-Geschäft. Entsteht der Eindruck, dass Influencer Produkte aus reiner Geldgier pushen, sind Fans schnell weg.
„Wer langfristig Erfolg haben will, muss sein Gleichgewicht finden“, meint Kauer. Zwischen werblichen und unbezahlten Inhalten, wie zwischen Nähe zur Community und Privatsphäre. „Ich gebe viel von mir Preis“, weiß Kauer, „doch ich ziehe auch Grenzen.“ Ist die junge Mutter etwa mit ihrer Tochter auf Shoppingtour, postet sie erst zuhause, in welchen Läden sie war. Möchten Freunde nicht online auftauchen, respektiert Kauer deren Entscheidung. „Blogging soll allen Beteiligten Spaß machen“, findet die Schwäbin, „nur dann entstehen Inhalte, die inspirieren und begeistern.“

Profi-Tipps

Konzept: Ob Fitness, Reise oder Motivation – fokussieren Sie sich auf ein Thema, unter dem alle Posts laufen. Hashtags: Weniger ist mehr. Nutzer fühlen sich durch zu viele Stichworte gestört. Identifizieren Sie fünf wichtige Hashtags und bleiben Sie dabei. Zeitpunkt & Frequenz: Wer regelmäßig postet, generiert Reichweite. Finden Sie heraus, wann Ihre Zielgruppe aktiv ist.