Podiums-Diskussion mit Renate Künast: Toleranz ja — Hass und Hetze nein

Grünen-Bundestags- Abgeordnete Renate Künast, selbst Opfer von Beleidigungen im Netz, spricht im Südbahnhof über Rechte und Zivilcourage.

Podiums-Diskussion mit Renate Künast: Toleranz ja — Hass und Hetze nein
Foto: A. Bischof

Krefeld. „Ich möchte gerne ein Enthauptungsfoto von Ihnen sehen“, war nur eine von diversen Attacken, denen sich Bundestagsabgeordnete und Ex-Ministerin Renate Künast im Netz ausgesetzt sah. Die streitbare Politikerin der Grünen wehrte sich gegen gefälschte Zitate einer rechtsnationalen Facebookseite — beim Netzwerkbetreiber und vor Gericht. Und sie suchte „Autoren“ von Hetznachrichten zu Hause auf und stellte sie im Gespräch. Auf Einladung der Krefelder Grünen-Bundestagsabgeordneten Ulle Schauws referierte und diskutierte Künast jetzt im Südbahnhof mit Zuhörern.

Podiums-Diskussion mit Renate Künast: Toleranz ja — Hass und Hetze nein
Foto: A. Bischof

„Nicht erst seit Donald Trump erleben wir das zunehmende Phänomen von Fake News, persönlichen Verletzungen und Verunglimpfungen bis hin zu Morddrohungen im Internet. Können wir dem Netz noch Glauben schenken?“, leitete Schauws die Veranstaltung ein, die vom jungen Grünen-Vorsitzenden Karsten Ludwig moderiert wurde.

Künast schilderte ein Beispiel. Nach ihrem Auftritt in der Talkshow „Hart aber fair“ habe sie 271 Facebook-Nachrichten erhalten. „Davon waren drei normal und der Rest schlimmste Beleidigungen unterhalb der Gürtellinie“, berichtet sie. Die Anfänge dieses Prozesses, von dem, so glaubt Künast, Frauen und Flüchtlinge besonders betroffen seien, sieht sie bei den Auftritten von Pegida und der AfD. „Wer sich sozial verhält, wird niedergemacht.“

Was helfen könne, sei ein vernünftiges Gesetz. Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz habe Justizminister Heiko Maas zwar ein solches vorgelegt, doch das sei mit heißer Nadel gestrickt, unausgegoren und konzentriere sich zu sehr auf das Löschen von Meldungen. Mit einer seriösen Netz- und Rechtspolitik, die das Problem an der Wurzel packt, habe es wenig zu tun. Immerhin seien einige Forderungen der Grünen — wie ein Katalog mit relevanten Straftatbeständen — umgesetzt.

Als Mitglied im Rechtsausschuss weiß Juristin Künast um die Probleme. Was ist rechtswidrig, was strafbar? Entscheidet das Landgericht oder erst das Verfassungsgericht? Und was ist bei den globalen Netzwerken mit Recht und Gesetz in anderen Ländern der Welt?

In Deutschland sei zum Beispiel ihr Fall mit dem Enthauptungsfoto erlaubt. Ebenso sei die „Nazischlampe“ vom Gericht abgesegnet worden, wie der Krefelder Kabarettist Christian Ehring die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel betitelt hatte. Es sei ein schmaler Grat, das Recht auf Meinungsfreiheit nicht einzuschränken, wozu ein Beschwerdemanagement nötig sei.

Auch das Löschen von Fake News oder Beleidigungen dauere zu lang. In ihrer Auseinandersetzung mit einem Schweizer seien drei Tage vergangen, beklagt Künast. Woher kommt der Hass, fragt sie sich. Deshalb besuchte sie einige ihrer Beleidiger zu Hause und traf sie im Reihenhaus an — statt wie erwartet im sozial schwachen Viertel.

„Ich konnte die Leute und deren Kritik an Ungerechtigkeiten sogar verstehen“, sagt sie. „Kein Geld für die Erzieherinnen unserer Kinder, aber Banken retten“, bekam sie zu hören. Und: „Warum nicht Gehälter der Banker kürzen und Boni streichen?“ Dennoch dürfe man Beleidigungen oder Mobbing nicht durchgehen lassen. Künast fordert zur Gegenwehr auf: „Bei den Netzbetreibern melden und Strafanzeige stellen.“

Eine Gesellschaft dürfe sich nicht einschüchtern lassen, sondern müsse ihre Stimme erheben und Zivilcourage zeigen. „Wir müssen in Schulen darüber reden und als Erwachsene Vorbilder sein“, fordert sie.

Es dürfe nicht sein, dass ein Bürgermeister wie in Sachsen-Anhalt nach Anschlägen aus Angst um seine Familie aufgeben müsse. Ein Kernproblem sei, dass man sich im Netz anonym bewegen dürfe. Ein weiteres, dass sich viele nur noch in den sozialen Medien informierten.

Es gelte, über die Regeln und Werte des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft zu diskutieren und sie in einem Meinungsprozess selbst zu definieren. Meinungsfreiheit und Toleranz ja, aber gegen Hass und Hetze müsse man vorgehen.

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