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Parasiten unter uns

Parasiten unter uns

Juckreiz vom Meerschweinchen – wenn Räudemilben übergehen

Grabmilben (Trixacarus caviae) sind ein häufiger Grund für Räude bei Meerschweinchen. Die Tiere zeigen meist heftigen Juckreiz, Alopezie, Hautverdickung, Hyperkeratose und entzündliche Hautreaktionen. Manchmal kommt es infolge von Exkoriationen zu bakteriellen
Sekundärinfektionen. Diese Zoonoseerreger führen beim Menschen zu urtikariellen, erythematösen Hautreaktionen mit starkem Juckreiz.

Es wird der Fall eines räudigen Meerschweinchens beschrieben mit nachfolgendem Übergang der Grabmilben auf den Menschen. Die Hautreaktionen treten in der Regel dort in Erscheinung, wo unmittelbarer Tierkontakt besteht. Die hier betroffene Tierarzthelferin zeigte papulöse Effloreszenzen im Bereich der Gürtellinie, an den Unterarmen und Unterschenkeln. Das Meerschweinchen wurde mit Selamectin (Stronghold®, Pfizer) erfolgreich behandelt. Bei der Tierarzthelferin erfolgte eine symptomatische Therapie

Räude beim Meerschweinchen

Die Sarcoptes-Räude des Meerschweinchens durch Trixacarus caviae ist als die häufigste Hauterkrankung des Kleinsäugers anzusehen. Die Tiere zeigen meist skabioide Hauteffloreszenzen (oft am Kopf beginnend, aber nicht grundsätzlich), Exkoriationen und Juckreiz. Trixacarus caviae kann gelegentlich, insbesondere bei engem Körperkontakt, auch auf die Haut des Menschen übergehen und dort zu erythematösen, juckenden Hautreaktionen führen.

Räudemilbe Trixacarus caviae des Meerschweinchens

Morphologisch stehen die rundlich-schildkrötenförmigen Trixacarus-Milben den etwas größeren Sarcoptes-Spezies sehr nahe. Die Entwicklung über Ei, Larve, Proto- und Tritonymphe zum Imago dauert 21 Tage. Nach der Kopulation der Adulten auf der Hautoberfläche legen die weiblichen Milben Eier in Bohrgängen ab. Die Hautirritationen werden einerseits durch die mechanischen Einwirkungen der Mundwerkzeuge, verbunden mit der Abgabe von Speicheldrüsensekret, und andererseits durch die Aufnahme von Lymphe und Gewebeflüssigkeit hervorgerufen.

Diagnostik und klinisches Bild der Meerschweinchenräude

Aufgrund der häufig typischen Erscheinung der Sarcoptes-Räude des Meerschweinchens (beachte: sog. „Augenbrille“) ist es mitunter möglich, die Diagnose schon anhand des klinischen Bildes zu stellen. In unklaren Fällen sollte aber zur Absicherung des Verdachts auf das Geschabsel und den Milbennachweis dennoch nicht verzichtet werden. Hierzu ist mit einer Skalpellklinge sparsam, aber nicht zu oberflächlich, möglichst an der Grenze zur gesunden Haut, Material zu entnehmen. Zur mikroskopischen Durchmusterung wird die Probe mit 10%iger KOH aufgehellt (ca. 20 Min. Einwirkungszeit), auf Objektträger verteilt und mikroskopiert (Objektiv: 1:10). Die Erreger sind in der Hautgeschabselmikroskopie äußerst schwer nachweisbar, da die Zahl der vorhandenen Milben meist sehr gering ist. Kardinalsymptome der Räude des Meerschweinchens sind Unruhe, bedingt durch heftigen Juckreiz sowie erythematöse Effloreszenzen mit ggf. starker Hyperkeratose und Lichenifikation der Haut. Die klinische Symptomatik ist durch Alopezie, kleieartige Beläge sowie zerklüftete, borkenähnliche Krusten besonders an Kopf, Hals, Rumpf und den Extremitäten mit Tendenz zur Generalisation gekennzeichnet. Erkrankte Meerschweinchen zeigen zudem oft periokulären Haarausfall in Form einer sog. „Augenbrille“, Hautverdickung und -faltenbildung. Der Juckreiz veranlasst die Tiere zu andauerndem Kratzen, bei dem kleine Partikel der Hautkruste abgetragen werden. Gelegentlich sind sogar epileptiforme Anfälle zu beobachten. Je ausgeprägter die Symptome, desto wahrscheinlicher sind Schwächezustände, Apathie, Inappetenz, Kachexie sowie u.U. auch Todesfälle.

Fall: Räudemilben vom Meerschweinchen bei einer Tierarzthelferin

Ein 2 Jahre altes weibliches Meerschweinchen wurde beim Tierarzt vorgestellt. Dem Besitzer war aufgefallen, dass das Tier seit etwa einer Woche sehr unruhig war und Juckreizattacken zeigte. Im Kruppen- und Oberschenkelbereich und am Bauch waren Haare ausgefallen und schuppige Hautbeläge entstanden. Aufgrund des klinischen Bildes wurde der Verdacht eines Befall mit Trixacarus caviae geäußert, der schließlich durch den Milbennachweis im Hautgeschabsel gesichert werden konnte. Der Patient wurde mit Selamectin (Stronghold®, Pfizer) behandelt.
Die Therapie erfolgte mittels perkutaner Applikation von 1 Ampulle Stronghold® für Hunde und Katzen mit einem Körpergewicht von 2,6–5 kg (30 mg Selamectin) auf den Nacken des Meerschweinchens. Wegen der dicken Meerschweinchenhaut musste zur Erreichung ausreichender Wirkstoffspiegel das Selamectin hier vergleichsweise höher als bei anderen Tierarten dosiert werden. Die Spot-on-Applikation wurde in gleicher Weise nach 21 Tagen wiederholt. Bei der Wiedervorstellung zeigte das Tier ein sehr gutes Allgemeinbefinden. Auch die Effloreszenzen waren weitgehend zurückgegangen. In den Hautproben waren Milben und deren Entwicklungsstadien nicht mehr nachweisbar. Ein Tag nach der Erstvorstellung des Meerschweinchens bemerkte eine in die Diagnostik und Therapie dieses Tieres involvierte 32-jährige Tierarzthelferin heftigen Juckreiz insbesondere im Bereich der Gürtellinie, aber auch an den Unterarmen und Unterschenkeln.
Auf der Haut waren multiple insektenstichartige Schwellungen zu beobachten. Von diesen papulösen Effloreszenzen ging ein heftiger Juckreiz aus. Wegen des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs und aufgrund der Tatsache, dass ein unmittelbarer Hautkontakt beim Handling und bei der Geschabselentnahme bestand, wurde der Verdacht geäußert, dass Trixacarus-Milben übergegangen und für die Irritationen ursächlich waren. Mittels Tesafilm-Abklatschpräparaten wurde versucht, Milben auf der Haut der Helferin nachzuweisen. In einer Probe aus dem Bauchnabelbereich wurde Trixacarus caviae gefunden. Zur Linderung der Hautreaktionen trug die Helferin zweimal täglich eine Kortisonsalbe auf die veränderten Hautareale auf. Nach 5 Tagen waren alle entzündlichen Veränderungen und der Juckreiz komplett abgeklungen.

Räudemilben vom Meerschweinchen sind auch bei uns ein Gesundheitsproblem

Gelegentlich können Milben, deren definitive Wirte Tiere sind, auf die Menschenhaut übertragen werden und dort verschiedene Krankheitserscheinungen auslösen. Erfahrungsgemäß sind Kinder, die bei der Pflege von Heimtieren häufig einen sehr innigen Kontakt zu ihren Pfleglingen besitzen, besonders exponiert. Die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche infektionsanfälliger sind und offensichtlich auch eher klinische Hautreaktionen zeigen als Erwachsene, ist möglicherweise auf biochemische Veränderungen der Haut und ihrer Sekrete, den Haarwuchs und -wechsel, den altersabhängigen physiologischen Status der Person und die erworbene Fähigkeit zur allergischen Antwort auf parasitäre Metaboliten zurückzuführen.
Der Übergang von Milben vom Tier auf den Menschen ist häufig mit diagnostischen Problemen verbunden und bleibt daher oft unerkannt. Bei der Vorstellung des Humanpatienten beim Hausarzt fallen meist nur die in der Regel wenig charakteristischen Hautveränderungen auf. Die beim Tier typischen Grabgänge von Sarkoptiden in der Haut sind beim Menschen nicht anzutreffen.
Hautreaktionen werden daher nicht selten als Folge von Allergien, Dermatomykosen oder bakterielle Infektionen fehlinterpretiert. Der Verdacht auf eine parasitäre Genese ergibt sich oft erst nach erfolgloser symptomatischer Therapie oder nach Beibringung von Milben.
Insbesondere Sarcoptes scabiei var. Canis vom Hund tritt regelmäßig als Zoonoseerreger in Erscheinung. Experimentelle Beobachtungen belegen, dass die Ansiedlung des an eine Tierspezies adaptierten Sarcoptes-Vertreters an einem Tier anderer Art bzw. am Menschen unter bestimmten Umständen möglich ist. Menschen, die mit an Sarcoptes-Räude erkrankten Tieren in Kontakt kommen, zeigen gelegentlich Hautveränderungen. Dabei entstehen etwa 2–6 mm große papulöse und papulovesikulöse Effloreszenzen, die infolge Juckreiz rasch aufgekratzt werden. Als Prädilektionsstellen gelten Arme, Hals und das Abdomen, also in erster Linie Kontaktstellen. Es finden sich Berichte zur sog. Pseudoskabies des Menschen durch Sarcoptes-Varietäten von Hund, Schwein, Rind, Ziege, Gemse, Schaf, Pferd, Kamel, Dromedar, Tapir, Fuchs und Frettchen. Die Milben lösen eine der Veranlagung des Patienten und der Befallsintensität entsprechende Scheinräude aus. Wirtsfremde Sarcoptes- Spezies sind kaum in der Lage, sich am nicht adäquaten Organismus dauerhaft anzusiedeln und überleben dort in der Regel bis maximal 6 Tage. Die Milbe bohrt sich in das Stratum corneum ein, bleibt aber am Eingang sitzen, verschwindet nach kurzer Zeit wieder und hinterlässt eine unangenehm juckende Papel, ohne Gänge zu graben. Die Sarkoptiden führen nach dem Übergang auf den Menschen nur zu vorübergehenden, selbst limitierenden Hautreaktionen. Da sich die Grabmilben nur auf ihren Haupt- und Vorzugswirten, also dem Tier, fortpflanzen, ist eine antiparasitäre Behandlung beim Wirtstier indiziert und nicht beim Menschen. Bei allen ätiologisch unklaren Dermatitiden des Menschen, z. B. bei Tierbesitzern u. a. beruflich Exponierten, ist stets an die Möglichkeit eines Milbenbefalls zu denken. Dem Tierarzt kommt in diesem Zusammenhang eine wichtige beratende und aufklärende Funktion zu. Bei Dermatosen mit oder ohne Juckreiz bei einem Tierhalter ist immer eine tierärztliche Untersuchung seines Pfleglings auf Ektoparasiten sowie eine gezielte Therapie anzustreben. Ein positiver Befund muss unbedingt dem
behandelnden Arzt des Betroffenen mitgeteilt werden. In der Regel ist beim Menschen eine antiparasitäre Behandlung nicht notwendig; bei entsprechender Indikation (heftiger Juckreiz!) kann eine symptomatische Therapie Linderung verschaffen.

Foto: photocase.de | bbenner

Literatur beim Verfasser

Wieland.Beck@pfizer.com

HKP 1 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 1 / 2009.
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